JudikaturOPMS

Om5/08 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
24. September 2008

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch den Präsidenten des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Erich KODEK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Wolfgang BONT, Dr. Irmgard GRISS und Dr. Brigitte SCHENK als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Johannes WERNER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin   P *****,   L L C ,   ***** USA, vertreten durch Patentanwälte Miksovsky Pollhammer OEG, Währinger Straße 3, 1096 Wien, wider die Antragsgegnerin   L*****  I n c . ,  ***** Bahamas, vertreten durch Mag. Dr. Johann Etienne KORAB, Rechtsanwalt, Wollzeile 24, 1010 Wien, wegen Löschung der Marke Nr 192 024, über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 23. November 2007, Zl Nm 95/2006-5, entschieden:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert , dass sie wie folgt zu lauten hat:

Die Marke Nr 192 024 wird, soweit sie für die Klasse 5 eingetragen ist, mit Wirkung vom 10. November 2000 (Zeitpunkt der Registrierung) gelöscht, soweit sie für die Klassen 16 und 35 eingetragen ist, mit Wirkung vom 10. November 2005.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 3.432,96 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 572,16 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragsgegnerin ist seit 10. November 2000 Inhaberin der österreichischen Wortmarke „5 HTP“, die unter der Nr 192 024 eingetragen ist.

Beginn der Schutzdauer ist der 10. November 2000. Die Wortmarke ist für nachstehende Waren- und Dienstleistungsklassen eingetragen:

-       5: Pharmazeutische Erzeugnisse, veterinärmedizinische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Präparate von Spurenelementen für Human- und Tierkonsum, Nahrungsmittelergänzung für medizinische Zwecke, mineralische Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminpräparate

-       16: Druckereierzeugnisse, Zeitschriften

-       35: Werbung

5-HTP ist die anerkannte Abkürzung für 5-Hydroxytryptophan. Die – auch

5 HTP oder 5HTP geschriebene - Abkürzung wurde schon in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts verwendet. Die Antragsgegnerin hat die Marke in der Werbung für ihre Produkte benutzt; Werbedienstleistungen für Dritte hat sie nicht erbracht.

Die Antragstellerin begehrt mit Antrag vom 15. September 2006, die Marke gemäß § 33 MSchG zu löschen. Sie stützt den Antrag im Umfang der Klassen 16 und 35 (auch) auf § 33a MSchG und im Umfang der Klasse 5 (auch) auf § 33b MSchG.

5-HTP sei die gängige und seit Jahrzehnten verwendete Abkürzung der chemischen Verbindung 5–Hydroxytryptophan. Sie werde in den verschiedensten Schreibweisen verwendet, wobei „5-HTP“ die korrekte Abkürzung gemäß IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) sei. Die Marke sei somit ein Freizeichen oder aber jedenfalls zu einem Freizeichen geworden, dessen Verwendung jedermann unbenommen bleiben müsse. Die Marke sei daher aus einem von Amts wegen wahrzunehmenden Grund in vollem Umfang zu löschen.

Für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16 und 35 sei die Marke nicht verwendet worden. Die Verwendung der Marke in der Werbung für das medizinische Produkt „5 HTP" in Tablettenform sei keine Verwendung für Druckereierzeugnisse, Zeitschriften und Werbung, wie sie die Klassen 16 und 35 erfassten.

Sollte das Österreichische Patentamt die Freizeicheneigenschaft der Marke „5 HTP" wider Erwarten nicht anerkennen, so sei die angefochtene Marke deshalb zu löschen, weil sie bereits zu einer Gattungsbezeichnung im Sinne des § 33b Abs 1 MSchG geworden sei.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Löschungsantrag abzuweisen.

Die korrekte Schreibweise sei „5-HTP“. Sie sei mit dem Markenwortlaut nicht identisch. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Abkürzung möglicherweise in Publikationen in einer den Richtlinien nicht entsprechenden Schreibweise verwendet worden sei und verwendet werde.

Es bestehe kein Freihaltebedürfnis, weil nur die Fachkreise die Bedeutung von 5-HTP kannten. Unter der Marke „5 HTP“ würden Nahrungsergänzungsmittel vertrieben, die 5-Hydroxytryptophan enthalten. Den Endverbrauchern dieser Produkte sei die Bedeutung der Abkürzung nicht bekannt.

Die Marke sei auch für Waren der Klasse 16 und Dienstleistungen der Klasse 35 verwendet worden. Dafür genüge es, dass für ein bestimmtes, mit der Marke bezeichnetes Produkt geworben werde.

Die Antragsgegnerin habe ihr Produkt „5 HTP“ seit 1998 gemeinschaftsweit vertrieben und dafür geworben. Aufgrund der weit über den geltungserhaltenden Umfang hinausgehenden Benutzung sei davon auszugehen, dass die Marke Verkehrsgeltung erreicht habe. Sie habe sich aber nicht zu einem Freizeichen entwickelt.

Die Nichtigkeitsabteilung löschte die Marke Nr 192 024 im Umfang der Klassen 5 und 16 mit Wirkung vom 10. November 2000 und im Umfang der Klasse 35 mit Wirkung vom 10. November 2005.

Waren der Klasse 5 würden sowohl in Apotheken als auch in Drogerien vertrieben. Beteiligte Verkehrskreise seien Human- und Veterinärmediziner, medizinisches Personal, Apotheker sowie Patienten als Endverbraucher. Da somit ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise aus Fachleuten bestehe und auch die Endverbraucher beim Erwerb von Waren der Klasse 5 besonders sorgfältig vorgingen, sei davon auszugehen, dass den beteiligten Verkehrskreisen die Bedeutung von 5-HTP als anerkannte Abkürzung für 5-Hydroxytryptophan bekannt sei. Bekannt sei auch, dass dieses Zeichen bereits seit den 70er und 80er Jahren bis über den Anmeldetag hinaus als Abkürzung für 5-Hydroxytryptophan verwendet wurde. Die leicht unterschiedliche Schreibweise „5 HTP“, „5-HTP“ oder „5HTP“ ändere an dieser Einschätzung nichts, weil es sich hierbei lediglich um formale Abweichungen in der Zitierung handle, die die Bedeutung der Abkürzung jedoch nicht beeinflussten.

Es sei somit davon auszugehen, dass die beteiligten Verkehrskreise – und zwar sowohl die medizinisch gebildeten Fachleute als auch die Endverbraucher – im Anmeldezeitpunkt des gegenständlichen Zeichens

(= 31. August 2000) in „5 HTP“ lediglich einen Hinweis auf die Art der so bezeichneten Waren der Klasse 5 und gegebenenfalls auch auf ihr Anwendungsgebiet und ihre Wirkungsweise gesehen haben.

Gleiches gelte für Waren der Klasse 16. Auch insoweit hätten die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen im Anmeldezeitpunkt als Inhaltsangabe verstanden. Diese Annahme werde durch die tatsächliche Verwendung der Waren der Klasse 16 als Informationsmaterial durch die Markeninhaberin bestätigt.

Die Marke hätte daher für Waren der Klassen 5 und 16 nicht registriert werden dürfen. Die Anträge auf Löschung gemäß § 33b MSchG für Waren der Klasse 5 sowie gemäß § 33a MSchG für Waren der Klasse 16 seien somit gegenstandslos.

Dienstleistungen der Klasse 35 seien Dienstleistungen von Werbeunternehmen. Die von diesen Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise stellten keinen Zusammenhang zwischen dem Zeichen und 5–Hydroxytrypto-phan her. Insoweit sei das Zeichen daher ein absoluter Phantasiebegriff. Die Antragsgegnerin habe jedoch nicht nachgewiesen, Dienstleistungen einer Werbeagentur für Dritte erbracht zu haben. Die Marke sei daher im Umfang der Klasse 35 gemäß § 33a MSchG mit Wirkung vom 10. November 2005 zu löschen.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Die Antragstellerin hat ihren Antrag auf Löschung der Marke Nr 192 024 im gesamten Umfang auf § 33 MSchG gestützt, im Umfang der Klassen 16 und 35 auch auf § 33a MSchG sowie im Umfang der Klasse 5 auch auf § 33b MSchG. Sie hat den Löschungsantrag am 15. September 2006 eingebracht. Für die Beurteilung des Löschungsgrundes nach § 33a MSchG ist somit der Zeitraum vom 14. September 2001 bis 14. September 2006 maßgebend.

Gemäß § 33 Abs 1 MSchG kann jedermann aus einem von Amts wegen wahrzunehmenden Grund die Löschung einer Marke begehren. Wird die Marke deshalb gelöscht, weil sie nicht hätte registriert werden dürfen, wirkt das Löschungserkenntnis gemäß Abs 2 leg cit auf den Beginn der Schutzdauer (§ 19 Abs 2) zurück.

Gemäß § 4 Abs 1 Z 4 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können.

Unter das Registrierungsverbot des § 4 Abs 1 Z 4 MSchG fallen demnach diejenigen Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise die Waren und Dienstleistungen des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses des angemeldeten Zeichens entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können. Es sind jedoch nur Zeichen betroffen, deren Begriffsinhalt von den beteiligten Verkehrskreisen zwanglos, ohne komplizierte Schlussfolgerungen und ohne besondere Denkarbeit erschlossen werden kann. Der beschreibende Charakter muss für die angesprochenen Verkehrskreise allgemein, zwanglos und ohne besondere Gedankenoperation erkennbar sein. Trifft dies zu, dann fehlt es der Marke an der notwendigen Unterscheidungskraft.

Bei „5-HTP“ handelt es sich um die international anerkannte Abkürzung für den chemischen Stoff 5-Hydroxytryptophan. Dass diese Abkürzung in der einschlägigen Literatur oder in Produktinformationen in leicht abgeänderter Schreibweise, nämlich unter Weglassung des Bindestrichs mit oder ohne Leerzeichen zwischen der Ziffer 5 und dem Buchstaben H verwendet wird, ändert nichts an der Tatsache, dass eine weit überwiegende Anzahl der beteiligten Verkehrskreise darin die internationale Abkürzung für 5-Hydroxy-tryptophan erkennt. Sie verstehen „5-HTP“ als Hinweis auf einen Inhaltsstoff und damit auf die Art und Beschaffenheit der damit bezeichneten Waren der Klasse 5, zu denen insbesondere die unter der angegriffenen Marke vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel gehören.

Mangels Unterscheidungskraft für Waren der Klasse 5 hätte die Marke daher für diese Warenklasse nicht registriert werden dürfen.

Das Registrierungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft kann durch den Erwerb von Verkehrsgeltung überwunden werden (§ 4 Abs 2 MSchG). Verkehrsgeltung ist erreicht, wenn die Benutzung dazu geführt hat, dass „die beteiligten Verkehrskreise oder zumindest ein erheblicher Teil dieser Kreise“ die Ware oder Dienstleistung durch das Zeichen „als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen“ (EuGH Rs C-108/97 = Slg 1999 I 2770 – Chiemsee, Randnummer 52; Rs C-299/99 = Slg 2002 I 5475 – Philips/Remington, Randnummer 61).

Die Antragsgegnerin hat behauptet, Verkehrsgeltung erlangt zu haben, und sie hat sich zum Beweis dafür auf Werbeunterlagen berufen, unter denen insbesondere Produktinformationen und Preislisten sind. Die Nichtigkeitsabteilung hat sich damit nicht weiter befasst; die Antragsgegnerin rügt das als wesentlichen Verfahrensmangel.

Werbeunterlagen, wie sie die Antragsgegnerin vorgelegt hat, können nichts darüber aussagen, ob ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der Bezeichnung einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erblickt. Dass die Nichtigkeitsabteilung darauf nicht näher eingegangen ist, macht das Verfahren daher nicht mangelhaft. Die Nichtigkeitsabteilung hat vielmehr zu Recht die Löschung der Marke im Umfang von Waren der Klasse 5 mit Wirkung vom Zeitpunkt der Registrierung angeordnet.

Nicht zu folgen ist der Nichtigkeitsabteilung aber, soweit sie die Löschung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Registrierung auch für Waren der Klasse 16 verfügt hat. Für die davon erfassten Druckereierzeugnisse und Zeitschriften ist „5 HTP“ nicht beschreibend. Das gilt auch dann, wenn in Druckereierzeugnissen und Zeitschriften für Waren geworben wird, die unter diesem Zeichen vertrieben werden. Auch in diesem Fall bezeichnet „5 HTP“ weder die Art noch die Beschaffenheit der Ware „Druckerzeugnis“ oder „Zeitschrift“; das Zeichen ist daher insoweit nicht beschreibend, sondern eine Phantasiebezeichnung.

Gemäß § 33a Abs 1 MSchG kann jedermann die Löschung einer seit mindestens fünf Jahren im Inland registrierten oder gemäß § 2 Abs 2 MSchG in Österreich Schutz genießenden Marke begehren, soweit diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung im Inland weder vom Markeninhaber noch mit dessen Zustimmung von einem Dritten ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt (§ 10a MSchG) wurde, es sei denn, dass der Markeninhaber die Nichtbenutzung rechtfertigen kann.

Zur Frage, wann eine kennzeichenmäßige Benutzung vorliegt, verweist § 33a Abs 1 MSchG auf die Bestimmung des § 10a MSchG.

Demnach wird als Benutzung eines Zeichens zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung insbesondere angesehen:

1.   das Zeichen auf Waren, auf deren Aufmachung oder auf Gegenständen, an denen die Dienstleistung ausgeführt wird oder ausgeführt werden soll, anzubringen,

2.   unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen,

3.   Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen,

4.   das Zeichen in den Geschäftspapieren, in Ankündigungen oder in der Werbung zu benutzen.

Die Antragsgegnerin hat nicht bewiesen, dass sie die Marke für Druckerzeugnisse und Zeitschriften (Klasse 16) oder in der Werbung für Dritte (Klasse 35) benutzt hätte. Mit der Werbung für die unter der Marke vertriebenen Produkte und der Verwendung von Bestellformularen oder Preislisten für die Markenprodukte hat sie die Marke weder für Druckerzeugnisse und Zeitschriften noch für Werbedienstleistungen verwendet, sondern sie hat die Marke damit rechtserhaltend für Waren der Klasse 5 benutzt.

Der Berufung war teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 42 Abs 1 MSchG iVm § 122 Abs 1 und § 140 PatG sowie auf § 43 Abs 2, § 50 ZPO. Die Antragstellerin ist nur mit einem geringfügigen Teil ihres Antrags unterlegen, dessen Geltendmachung überdies keine besonderen Kosten verursacht hat. Die Kostenbemessungsgrundlage wurde einvernehmlich mit 72.700 EUR festgelegt. Nach § 23 Abs 9 RATG gebührt der vierfache Einheitssatz von 50 %, wenn eine Berufungsverhandlung stattfindet. Der Tarifansatz beträgt gemäß TP 3B 953,60 EUR; das ergibt im vorliegenden Fall 2.860,80 EUR zuzüglich Umsatzsteuer.

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