JudikaturOPMS

Om10/07 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
28. November 2007

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch den Präsidenten des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Erich KODEK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Günter SCHWAYER, Dr. Brigitte SCHENK und Dr. Manfred VOGEL als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Johannes WERNER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache des Antragstellers *****, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt, Mariahilfer Straße 1d, 1060 Wien, wider die Antragsgegnerin *****, vertreten durch Dr. Hans Georg Zeiner, Dr. Rudolf Pendl, Mag. Andrea Zinober, Mag. Emanuel Boesch, Rechtsanwälte, Schellinggasse 6, 1010 Wien, wegen Löschung der österreichischen Marken Nr 176 108 und Nr 176 258, über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 6. April 2005, Z1 Nm 109 + 110/2001-11, entschieden:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit EUR 2.572,20 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (hierin enthalten EUR 428,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der nachstehenden, jeweils für Waren der Kl 34 Zigaretten, Tabak und Tabakerzeugnisse, Feuerzeuge, Streichhölzer und Raucherartikel eingetragenen österreichischen Bildmarken

Nr 176 108

und Nr 176 258

Die Antragsgegnerin ist überdies Inhaberin der für Waren der Klasse 34 Rohtabak, Tabakfabrikate, Raucherartikel, Streichhölzer eingetragenen österreichischen Wortbildmarke

Nr 74 234

Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 20. Juni 2001 die Löschung der Bildmarken Nr 176 108 und 176 258 gemäß § 33 MSchG in Verbindung mit § 4 Abs 1 Z 3 und 5 MSchG mangels Unterscheidungskraft.

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2001 dehnte er seinen Antrag um den Löschungsgrund des § 33a Abs 1 MSchG aus. Weder die Antragsgegnerin noch ein Dritter mit deren Zustimmung hätten die Marken innerhalb der letzten fünf Jahre im Inland ernsthaft zur Kennzeichnung der beanspruchten Waren der Klasse 34 benutzt; die Waren seien vielmehr ausschließlich unter den Marken Nr 74 234 und 161 022 in Verkehr gebracht worden, womit auch eine Rechtfertigung der Nichtbenutzung ausscheide.

Mit Schriftsatz vom 5. Feber 2002 zog der Antragsteller die „Klagsausdehnung vom 21. Dezember 2001“ zunächst zurück. Sie sei versehentlich erfolgt, die „Schonfrist“ für die Benutzung sei noch nicht abgelaufen. Der Löschungsantrag vom 20. Juni 2001 bleibe hingegen aufrecht. In der mündlichen Verhandlung vor der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts vom 6. April 2005 dehnte der Antragsteller den Löschungsantrag zufolge der inzwischen verstrichenen Zeit neuerlich auf den Tatbestand der Nichtbenutzung nach § 33a MSchG aus. Benutzungsform und Benutzungsumfang seien nicht strittig, Rothmans Zigaretten würden in Österreich in angemessenem Umfang verkauft. Fraglich sei, ob mit dem Verkauf dieser Zigaretten die (Wortbild-)Marke Nr 74 234 oder die streitgegenständlichen Marken benutzt würden.

Die Antragsgegnerin führte zum Löschungsgrund des § 33a MSchG aus, die tatsächlich benutzte Marke stimme mit den eingetragenen Marken in ihrem kennzeichnenden Charakter überein. Die verwendete Marke weise im Vergleich zu den hier bekämpften nur den zusätzlichen Wortbestandteil „ROTHMANS“ auf, durch diesen entstehe jedoch kein neuer Gesamtcharakter. Die Zeichen erfüllten auch ohne den Wortbestandteil „ROTHMANS“ die Funktion einer Marke und würden von den beteiligten Verkehrskreisen als individuelle Unternehmensmerkmale und Kennzeichen aufgefasst werden. Das Hinzufügen des Wortteils „ROTHMANS“ erlaube primär eine einfache, verbale Bezugnahme zu den bereits per se unterscheidungskräftigen (Bild-)Zeichen.

Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts bejahte die Unterscheidungskraft der angefochtenen Marken, ihre Eintragung sei zu Recht erfolgt. Zum Löschungsantrag nach § 33a MSchG führte die Nichtigkeitsabteilung aus, der Gesamteindruck aller hier zu beurteilenden Zeichen bestehe aus Bildbestandteilen mit Heraldik und Rahmen. Der Gesamteindruck der Marke Nr 74 234 werde zusätzlich durch das Wort „Rothmans“ geprägt, einen Wortbestandteil, der die Unterscheidungskraft wesentlich beeinflusse. Dies komme dadurch zum Ausdruck, dass die Bildwirkung gegenüber den angefochtenen Marken eine wesentlich andere werde und dem Zeichen eine klangliche Wirkung zukomme, die den angefochtenen Marken fehle. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens orientierten sich die beteiligten Verkehrskreise bei Zigaretten vorwiegend am Namen, nicht aber an den der Packung aufgedruckten Bildbestandteilen. Der Verkehr werde sich daher bei der Suche nach einem bestimmten Zigarettenprodukt oder Rauchartikel nicht nach dem heraldischen Zeichen, sondern nach dem Begriff „Roth- mans“ orientieren.

Der BGH habe in seinem Urteil vom 17. April 1986 „Gaucho“ (GRUR 1986, 892) ausgesprochen, dass die Verwendung eines Kombinationszeichens nur dann der Verwendung des allein eingetragenen Zeichens gleichzuhalten sei, wenn der weitere Bestandteil als zeichenmäßig bedeutungslose, austauschbare Zutat erscheine. Werde der weitere Bestandteil hingegen vom Verkehr als den Gesamteindruck des verwendeten Zeichens wesentlich mitprägend angesehen, so sei eine Benutzung der eingetragenen Form zu verneinen.

Da im vorliegenden Fall die tatsächlich verwendete Form – nach Ansicht der Nichtigkeitsabteilung – in den die Unterscheidungskraft prägenden Bestandteilen von den registrierten Zeichen abweiche, werde die Löschung der Marken Nr 176 108 und 176 258 ausgesprochen.

Die Antragsgegnerin macht in ihrer Berufung geltend, entgegen der Ansicht der Nichtigkeitsabteilung sei in der Verwendung der Marke Nr 74 234 keine abweichende Benutzung zu sehen, sondern vielmehr eine rechtserhaltende Benutzung der beiden Bildmarken in Kombination mit der – ebenfalls rechtserhaltenden – Benutzung der Wortbildmarke. Dem Wortbestandteil „KING SIZE“ komme aufgrund seiner für die relevanten Waren ausschließlich beschreibenden Eigenschaft in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Das (in der Marke Nr 74 234 enthaltene) Wort „ROTHMANS“ bilde keinen Bestandteil, durch den die Unterscheidungskraft der Bildmarken beeinflusst werden könnte. Seine Hinzufügung diene vielmehr der Verwendung der von den Bildmarken unabhängig zu beurteilenden (Wortbild-)Marke „ROTHMANS“. Es handle sich hier um einen Fall der Mehrfachkennzeichnung, weil die auf den Packungen aufscheinenden Bildmarken neben der Wortmarke „ROTHMANS“ verwendet und vom Verkehr auch als selbständige Kennzeichen wahrgenommen würden. Nach der Rechtssprechung sei bei einer Mehrfachkennzeichnung von einem kennzeichenmäßigen Gebrauch sämtlicher Marken auszugehen, es sei denn, eine Marke würde in der Gestaltung der Verpackung oder Etikette völlig in den Hintergrund gedrängt. Im vorliegenden Fall könne dies für die Bildelemente der verwendeten Darstellung gerade nicht angenommen werden, weil sie für den Gesamteindruck sogar von überwiegender Bedeutung seien.

Die Antragstellerin wendet in ihrer Berufungsbeantwortung ein, es gehe hier nicht um eine Kombination der streitverfangenen (Bild-)Marken mit einer (Wort-)Marke im Sinn einer „Mehrfachkennzeichnung“. Vielmehr werde ein eigenständiges Gesamtzeichen (AT 74 234) verwendet, das von den streitverfangenen Marken in Bestandteilen abweiche, die deren Unterscheidungskraft beeinflussten, sodass nicht von einem bloßen Wortzusatz ausgegangen werden könne. Unbeschadet des beschreibenden Zeichens „KING SIZE“ bestünden Unterschiede im kreuzförmig (statt rechteckig) angeordneten Grundaufbau, im linierten (statt unkonturierten) Untergrund, im dominierenden Wortbestandteil in zweifacher Wiederholung und in einer zusätzlichen Ovalfläche. Der maßgebliche Gesamteindruck der Marke Nr 74 234 unterscheide sich somit mehrfach und so deutlich von jenem der streitverfangenen Marken, dass ihr schon optisch eine wesentlich höhere Kennzeichnungskraft zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist (nur mehr) der auf § 33a MSchG gestützte Löschungsantrag. Die Antragstellerin hat diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vor der Nichtigkeitsabteilung vom 6. April 2005 gestellt. Für den Markenerhalt ist somit die rechtserhaltende Benutzung der Marke im Zeitraum zwischen 6. April 2000 und 5. April 2005 maßgebend. Der Umfang der Benutzung richtet sich nach § 33a MSchG in der Fassung der Markenrechtsnovelle 1999.

Gemäß § 33a MSchG kann jedermann die Löschung einer seit mindestens fünf Jahren im Inland registrierten oder gemäß § 2 Abs 2 MSchG in Österreich Schutz genießenden Marke begehren, soweit diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tag der Antragstellung im Inland weder vom Markeninhaber noch mit dessen Zustimmung von einem Dritten ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt (§ 10 a MSchG) wurde, es sei denn, dass der Markeninhaber die Nichtbenutzung rechtfertigen kann. Eine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung im Sinn des § 33 a MSchG kann auch in der Benutzung einer ähnlichen Form der Marke bestehen, wenn diese von der eingetragenen Marke nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinträchtigt wird (§ 33a Abs 4 MSchG). Dabei kommt es darauf an, ob das abweichend benutzte Zeichen vom Verkehr bei und trotz Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichgesetzt wird. Das setzt voraus, dass der Verkehr den weggelassenen oder hinzugefügten Bestandteilen keine maßgebende eigene kennzeichnende Wirkung beimisst (Ingerl/Rohnke, Markengesetz2 § 26 Rz 105 mwN). Die Marke muss auch in der tatsächlich benutzten (erweiterten) Form eindeutig das die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen kennzeichnende Element bilden (OPM Om 1/91 = PBl 1991, 193 – ALPO/ALPOFLEX; OGH 4 Ob 119/06p – Sierra Tequila). Entscheidend ist daher, ob die (angefochtene) Marke trotz der Hinzufügung ihre selbständige Stellung als Produktbezeichnung behält und ob der Verkehr dem hinzugefügten Bestandteil keine maßgebende eigene kennzeichnende Wirkung beimisst (Ingerl/Rohnke aaO Rz 121 mwN aus der Rspr des BGH).

Ob die veränderte Benutzung der Marke ihre Unterscheidungskraft beeinflusst, hängt vom Gesamteindruck ab. Bei Wortbildmarken ist regelmäßig der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der Geschäftsverkehr meist an ihm orientiert (OPM PBl 1998, 217 – President). Das Weglassen oder Hinzufügen eines Wortbestandteils bedeutet regelmäßig keine nur unerhebliche Abwandlung der Marke und verändert deren Identität nur dann nicht, wenn dem Wortbestandteil keine kennzeichnende Funktion zukommt oder die Unterscheidungskraft der Marke dadurch nur geringfügig beeinflusst wird. Die von der Berufungswerberin zitierte, in GRUR Int 2006, 232 – BUS veröffentlichte Entscheidung betraf einen derartigen, wegen seines beschreibenden Charakters nicht unterscheidungskräftigen Zusatz.

Ein den Bildmarken hinzugefügter Wortbestandteil beeinträchtigt deren Unterscheidungskraft auch dann nicht, wenn sie dennoch als eigenständig geschützte Marken erkannt werden, der Verkehr sie somit im verwendeten Zeichen wiedererkennt. Dies ist etwa bei „Mehrfachkennzeichnungen“ (dem Gebrauch mehrerer Marken auf derselben Ware) bzw bei der Kombination aus einer auf das Unternehmen hinweisenden „Hauptmarke“ und einer der Kennzeichnung einzelner Artikel dienenden „Zweitmarke“ (vergleiche BGH 8. Feber 2007, I ZR 71/04 – „bodo Blue night“) der Fall.

Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, hat die Antragsgegnerin eine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung der Marken Nr 176 108 und 176 258 nicht nachgewiesen. Sie hat die angefochtenen Bildmarken nicht zusammen mit anderen Marken, etwa gemeinsam mit der Wortmarke „ROTHMANS“ gebraucht, was zu einer „Mehrfachkennzeichnung“ führen könnte, bei der grundsätzlich von einem kennzeichenmäßigen Gebrauch sämtlicher Marken auszugehen wäre. Sie hat vielmehr eine eigenständige – prioritätsältere – Wortbildmarke gebraucht, die zwar graphische Elemente der angefochtenen Bildmarken enthält, aber deutliche Abweichungen in Form, Farbe und Hintergrund zeigt. So findet sich der ovale Aufbau der angefochtenen Zeichen nur im oberen Teil der kreuzförmig gestalteten und mit einem zweiten (gleichfalls beschriebenen) Oval versehenen Wortbildmarke, das Oval selbst ist farblich abweichend hinterlegt, der Hintergrund liniert und nicht konturlos. Die aus den angefochtenen Zeichen übernommenen Elemente werden mit dem Schriftzug „ROTHMANS“ (zweifach), jeweils in weißer Schrift auf dunkelblauem Hintergrund, und dem Begriff „KING SIZE“, ebenfalls zweifach, einmal in goldener und einmal in weißer Schrift, beide Male auf dunkelblauem Hintergrund, verbunden. Der Bestandteil „ROTH-MANS“ ist als ein die Unterscheidungskraft wesentlich beeinflussender Bestandteil zu erkennen. Die weiße Schrift auf dunkelblauem Hintergrund bildet zweifellos den „blickfangartig“ am stärksten ins Auge springenden Teil der gebrauchten Marke Nr 74 234, der bei den angefochtenen Marken zur Gänze fehlt. Die beschriebenen Hinzufügungen und Abweichungen beeinflussen den Gesamteindruck des Zeichens und damit seine Unterscheidungskraft im Sinne des § 33a Abs 4 MSchG. Sie bewirken, dass die angefochtenen Marken im Bildbestandteil der Wortbildmarke nicht als jeweils eigenständiges Zeichen erkannt werden.

Der Berufung war ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 42 Abs 1 MSchG in Verbindung mit §§ 122 Abs 1, 140 PatG und §§ 41 und 50 ZPO.

Rückverweise