JudikaturOPMS

Op7/05 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
10. Mai 2006

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Peter NIEDERREITER, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Michael SACHS und Dr. Gerhard PRÜCKNER als rechtskundige Mitglieder und die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Alfred KUTZELNIGG und Dipl.-Ing. Eva FESSLER als fachtechnische Mitglieder in den verbundenen Patentrechtssachen der Antragsteller I.   1 .   b *****   G m b H ,   2 .   L *****, vertreten durch DDr. Engelbert Hofinger, Dr. Paul N. Torggler, Dr. Stephan Hofinger, Patentanwälte in 6020 Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 16 und II.   D ***** vertreten durch Mag. Franz J. TEUFL, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hofhaymerallee 42, wider den Antragsgegner   P *****, vertreten druch Dr. Helmut Wildhack, Dr. Gerhard Jellinek, Patentanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 50, wegen Nichtigerklärung des Patentes Nr E 38 769 (EP 144 571) im Umfang des Anspruches 1 über die Berufung des Antragsgegners gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 6. Dezember 2004, Zl N 1+2/2004-6, N 3/2004-5, entschieden.

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, dass die Anträge auf Nichtigerklärung abgewiesen werden.

Die Antragsteller sind schuldig, dem Antragsgegner die mit 5.866,16 EUR (darin enthalten 969,39 EUR Umsatzsteuer und 49,80 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens beider Instanzen binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangsvollstreckung zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Der Antragsgegner ist Inhaber des österreichischen Patents Nr E 38 769 (EP 0 144 571 B1) mit der Priorität 19. September 1983. Der bekämpfte Patentanspruch 1. lautet:

Verfahren zum Anlegen von Wärmepackungen, ausgenommen zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers, insbesondere Schlammpackungen, bestehend aus Schlamm, Moor etc, die auf den zu behandelnden Körperstellen auflegbar und mit einem anliegenden Wärmespeicher in Kontakt bringbar sind, dadurch gekennzeichnet , dass an den zu behandelnden Körperteilen Wärmepackungen (9) angelegt und die verbleibenden Körperteile zumindest teilweise mit einer die Wärmeübertragung dämmenden Isolierschicht (1) versehen werden, und dass dann die Isolierschicht (1) und die Wärmepackungen (9) über eine Andrückfolie (23,47) mit einem beheizbaren bzw aufgeheizten und als Wärmespeicher dienenden, flüssigen, breiigen oder gasförmigen Medium druckbeaufschlagt werden, wodurch die Wärmepackungen (9) am Körper der zu behandelnden Person voll anliegend gehalten werden.

In der Beschreibung des Verfahrenspatentes wird zunächst auf die in der Praxis vorkommenden Schwierigkeiten und Risken bei der Durchführung einer „örtlichen Überwärmebehandlung“ (notwendiger Transport schwerer Wärmeträger; Verrutschen der aufgelegten Packungen; Überhitzung an Stellen des Körpers in der Nähe zum Wärmeträger ua) hingewiesen. Das Patent ermögliche eine festanliegenden Anbringung der Wärmepackungen in allen lokalen Behandlungsbereichen. Dies werde dadurch ermöglicht, dass an der zu behandelnden Person Wärmepackungen angelegt und die verbleibenden Körperteile zumindest teilweise mit einer die Wärmeübertragung dämmenden Isolierschicht versehen werden. Eine feste Anlage wird dann mittels einer unter Druck stehender Andrückfolie erzielt, die mit einem als Wärmespeicher dienenden Medium in Kontakt steht.

Gegen dieses Patent stellten am 13. Feber 2004 die beiden ersten Antragsteller einen Antrag auf teilweise Nichtigerklärung des Patents im Umfang des Patentanspruchs 1. Ein gleichlautender Antrag wurde am 17. Feber 2004 vom Drittantragsteller eingebracht (die Verfahren wurden miteinander verbunden).

Die Antragsteller stehen auf dem Standpunkt, dass das Patent weder neu noch erfinderisch sei und stützten sich dabei auf die Dokumente

DE 30 46 628 (Beil ./A) und DE 26 11 928 A1 (Beil ./B). Diese Veröffentlichungen erfolgten vor der Priorität 19. September 1983. Die Erfindung des Antragsgegners erschöpfe sich nach Ansicht der Antragsteller darin, dass Wärmepackungen in gleicher Weise warm gehalten werden, wie dies für Peloidflüssigkeiten gelehrt werde. Es sei nicht neu, auf einen von einer Folie umgebenen Wärmespeicher eine mit Peloid gefüllte Packung aufzulegen, welche nur einen Teil des Körpers berühre und darauf den Patienten zu legen. Es verbleibe nur das Anspruchsmerkmal, Körperteile, an welche keine Wärmepackung angelegt sei, mit einer dämmenden Isolierschicht zu versehen. Dies sei aber für jedermann nahe liegend, genauso wie sich jemand gegenüber einer als zu heiß empfundenen Unterlage durch Zwischenlegung eines Frotteehandtuches schütze.

Der Antragsgegner beantragte die Zurückweisung der Anträge auf Nichtigerklärung und führte zur Beil ./A aus, dass dieses Dokument kein Verfahren zum Anlegen von Wärmepackungen, sondern eine Vorrichtung zum Verabreichen von Peloidvoll- oder sitzbädern betreffe. Dem Dokument sei kein Hinweis auf das Anlegen von Wärmepackungen zu entnehmen. Beil ./B betreffe ein Verfahren zum Anlegen einer Packung mit Peloidfüllung, entsprechend dem Oberbegriff des angefochtenen Patentanspruchs 1. Aus Beil ./B sei keine Andrückfolie bekannt und auch keine Isolierschichten. Das Dokument betreffe den Aufbau einer Heilpackung und nicht deren Anwendung und gebe keinen Hinweis darauf, dass durch das Auflegen einer Heilpackung Nachteile entstehen könnten, die behoben werden sollten.

Zu Beil ./A führte der Patentinhaber noch aus, dass die technische Aufgabe dadurch gelöst werde, dass eine Trennfolie in einer Wanne abgehängt werde und unterhalb und oberhalb dieser Trennfolie Peloidflüssigkeit eingefüllt werde. Die oberhalb der Trennfolie befindliche Peloidbadflüssigkeit diene zur Verabreichung des Bades an die in die Wanne eingelegte oder einsitzende Person. Der angefochtene Patentanspruch 1 betreffe ein Anlegeverfahren und schreibe vor, dass Wärmepackungen und Isolierschichten an den Körper angelegt und mittels einer Andrückfolie an den Körper angedrückt werden, indem die Andrückfolie von einem als Wärmespeicher dienenden Medium druckbeaufschlagt werde. Es seien Wärmepackungen und Isolierschichten vorgesehen, die zwischen dem Körper der Person und der Andrückfolie an vorgegebenen Stellen zu platzieren seien. Für die erfindungsgemäße Aufgabe biete Beil ./A keine Lösung. Bei Peloidvollbädern werde üblicherweise eine Temperatur bis 43° C erreicht, bei der Anwendung von lokalen Wärmepackungen aber bis zu 52° C und gelegentlich sogar noch mehr.

Die Parteien erklärten im Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung ausdrücklich, keinen Antrag gemäß § 2 Z 2 PatG zu stellen.

Die Nichtigkeitsabteilung gab den Anträgen auf teilweise Nichtigerklärung des Patents gemäß § 48 Abs 1 Z 1 PatG statt und führte dazu Folgendes aus:

Die DE 30 46 628 C2 (Beilage A), veröffentlicht am 3. März 1983, beschreibt eine Vorrichtung zur Verabreichung von Peloid-Voll- oder Sitzbädern, die eine Wanne mit einer Heiz- und Umwälzeinrichtung und einen muldenartig darauf aufgelegten, mit Peloidflüssigkeit befüllbaren, deren Feststoffe zurückhaltenden Einsatz, dessen umlaufender Rand zumindest zum oberen Wannenumfangsrand reicht und dort befestigbar ist, aufweist. Ein Verfahren zur Wärmebehandlung mittels Wärmepackungen wird in DE 30 46 628 C2 nicht erörtert bzw für den Fachmann nahe gelegt. Der Einsatz der Behandlungsvorrichtung von DE 30 46 628 C2 ist als flüssigkeitsdichte Folie zur Trennung der oberhalb und unterhalb einzubringenden Peloidflüssigkeit ausgebildet. Zu Figur 1 der Beilage A wird ausgeführt, dass die eine Gewebearmierung aufweisende Folie zur Anpassung an die Innenform der Wanne in Form eines oben offen flexiblen Kastens ausgebildet ist (vgl Beilage [A] Spalte 4, Zeilen 4-7), der die Person in Abstand umgibt.

Eine solche Folie kann jedoch nicht als „Andrückfolie“ im Sinne des angefochtenen Patentanspruches bezeichnet werden. Zur Klarstellung des Schutzumfanges eines Patentanspruches sind die Beschreibung und Zeichnungen her-anzuziehen. Dem gemäß hat die Andrückfolie die Funktion, dass über diese Andrückfolie die Wärmepackungen bzw eine an verbleibenden Körperstellen anzulegende Isolierschicht mit einem als Wärmespeicher dienenden flüssigen, breiigen oder gasförmigen Medium druckbeaufschlagbar sind. Mit einer losen, in Form eines flexiblen Kastens ausgebildeten, in die Wanne bereits in der Ausgangsstellung hineinreichenden Folie, wie sie Beilage A vorsieht, ist die Andrückfolie gemäß angefochtenem Patentanspruch 1 keinesfalls funktionell vergleichbar. Auch liefert Beilage A keine Anregung zur Verwendung der Folie als Andrückfolie entsprechend Patentanspruch 1 . Diese Folie hat die Aufgabe, dass von der für jede einzelne Badetherapie aus Hygienegründen nur einmal verwendungsfähigen Menge an Badeflüssigkeit nur ein geringerer Anteil benötigt wird, dient also daher nur zur Trennung zweier mit Badeflüssigkeiten gefüllter Volumina (vgl Beilage A, Spalte 2, Zeilen 4-8 und Zeilen 49-61).

Beilage A steht daher dem angefochtenen Patentanspruch 1 weder neuheitsschädlich entgegen noch wird der Fachmann angeregt, ein entsprechendes Verfahren zur lokalen Wärmebehandlung mit Wärmepackungen gemäß Patentanspruch 1 durchzuführen.

DE 26 11 928 A1 (Beilage B), veröffentlicht am 22. September 1977, beschreibt eine Heilpackung mit Peloidfüllung, gekennzeichnet durch einen wiederverwendbaren, von einem wasserdichten bzw abwaschbaren, allseits dicht verschlossenen, wärmebeständigen, mit Naturmoos oder dergleichen gefüllten Sack, gebildeten Wärmespeicher und durch eine zwischen diesem und dem Körper des Patienten anzuordnende, dünne Wegwerf-Kontaktpackung, die ebenfalls mit einem Peloid gefüllt ist und deren Hülle zumindest körperseitig in an sich bekannter Weise aus einem für die Wirkstoffe durchlässigen Kunstfaservlies oder dergleichen besteht.

Die Heilpackung nach Beilage B besteht aus einem mit dem Körper des Patienten nicht in Berührung kommenden Wärmespeicher und einer Wegwerf-Kon-taktpackung.

Nach Beilage B, Seite 5, 2. Absatz, kann der Wärmespeicher, da er mit dem Körper des Patienten nicht in unmittelbare Berührung kommt, bis auf 65° C erhitzt werden, um eine entsprechende Wärmemenge zu speichern. In Beilage B, Seite 4 , Zeilen 5-26 , wird beschrieben, da nur der Wärmespeicher erhitzt und die zunächst kühle Kontaktpackung zwischen dem Wärmespeicher und dem Körper des Patienten gelegt wird, dass der Patient vor einem Wärmeschock bewahrt wird, und es steigt die Temperatur der mit dem Körper in unmittelbare Berührung kommenden Kontaktpackung erst allmählich in einem Zeitraum von etwa 3 min. von der Raumtemperatur auf die Behandlungstemperatur.

Im Wärmespeicher ist eine genügende Wärmemenge [Kalorienreserve] vorhanden, um ein Absinken der Temperatur der Gesamtpackung während der meist 20 Minuten dauernden Behandlung zu verhindern.

Weiters ist Beilage B, Seite 2, 6. Zeile von unten, zu entnehmen, dass es bekannt war, Heilpackungen mit einer Decke, einem Laken, einem Quertuch oder dergleichen abzudecken. Es wird zwar nicht explizit von Andrücken bzw einer Andrückfolie gesprochen, zur Erzielung einer gewissen Effizienz wird der Durchschnittsfachmann und Anwender aber die Packungen an die zu behandelnde KörpersteIle andrücken.

Der Begriff Andrückfolie wird in der Beschreibung der streitanhängigen Patentschrift aber sehr weitläufig gebraucht, zB Seite 5 , Zeilen 19-22 , [Die Wandlung des Formballons wirkt also hier entweder direkt als Andrückfolie oder gemeinsam mit der zusätzlich herabsenkbaren Auflagefolie.], Seite 12, 1. Absatz [Eine zu behandelnde Person legt sich zunächst auf die im Wesentlichen fest gespannt gehaltene weiche Auflage- und Andrückfolie ...], Seite 15, 1. Absatz [Die Ballonwand wirkt in diesem Falle schon als Andrückfolie, so dass eine behandelnde Person [.] lediglich auf den Formballon aufgelegt werden muss], Seite 16, 1. Absatz [zusätzlichen Seitenballons, deren Ballonwandungen bereits als Andrückfolie wirken...]. Es wird daher der Begriff Andrückfolie weit zu interpretieren sein und auch technische Äquivalente zur Lösung dieser Aufgabe [Andrücken der Wärmeelemente an den zu behandelnden Körper] mit zu berücksichtigen sein. Die übliche Anwendungsform einer Wärmepackung nach Beilage (B) wird daher die Druckbeaufschlagung mit umfassen, da entweder die Wärmepackung selbst auf den menschlichen Körper drückt oder umgekehrt der menschliche Körper auf die Wärmepackung drückt.

Ein Vergleich der übrigen aus Beilage B nachgewiesenen Elemente mit Patentanspruch 1 zeigt jedoch, dass Beilage B ein Verfahren zum Anlegen einer Wärmepackung gemäß Patentanspruch 1 zumindest nahe legt:

a) Heilpackung (Beilage B) versus Wärmepackung/Schlammpackung (Anspruch 1)

b) Wärmespeicher erhitzbar bis 65° C (Beilage B) versus beheizbarer Wärmespeicher (Anspruch 1)

c) Wegwerf-Kontaktpackung (Beilage B) versus Anlegen von Wärmepackungen an den zu behandelnden Körperstellen (Anspruch 1).

So fehlt nur mehr der Nachweis der zumindest teilweisen Abdeckung mit einer Isolierschicht als weiteres kennzeichnendes Element des Verfahrens.

Das teilweise Abdecken des zu behandelnden Körpers mit Isolierschichten im Zusammenhang mit einem Verfahren zur lokalen Wärmebehandlung mittels Wärmepackungen wird jedoch als triviales Merkmal qualifiziert. Aus der allgemeinen Anwendung von Packungen und Wickeln ist es aus verschiedensten Gründen (hygienische Gründe, Schutz vor Verschmutzung, angenehmeres Hautgefühl, durch Isolierung Erhöhung der Effizienz der Wärmepackung) nahe liegend, bei Wärmepackungen, insbesondere Schlammpackungen, benachbarte Körpergebiete zumindest teilweise abzudecken. Insbesondere ist zu beachten, dass der Schutzumfang des Verfahrensanspruch 1 sehr weit ist, dass das beheizbare Wärmespeichermedium nicht durch die Vorrichtung nach Anspruch 11 eingeschränkt ist und auch der Begriff Andrückfolie sehr mannigfaltig in der Patentschrift verwendet wird.

Der Fachmann wird die Beilagen A und B nicht kombinieren, da sie unterschiedliche Bereiche (Voll- oder Sitzbäder bzw Wärmepackungen) betreffen.“

Die Nichtigkeitsabteilung kommt abschließend zum Schluss, dass Beil ./B das Verfahren zum Anlegen von Wärmepackungen gemäß Patentanspruch 1 für den Fachmann nahe lege und nur mehr das triviale Merkmal der teilweisen Isolierung des Körpers übrig bleibe.

Gegen diese Entscheidung erhebt der Patentinhaber Berufung mit dem Antrag, die Anträge auf Nichtigerklärung zurückzuweisen und den Patentanspruch 1 aufrechtzuerhalten.

Die Antragsteller beantragen, die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung des Patentinhabers ist berechtigt.

Der Berufungswerber steht auf dem Standpunkt, dass die Neuheit und erfinderische Tätigkeit nicht im Wege einer ex post-facto-Analyse sondern nach dem Kenntnisstand eines Durchschnittsfachmanns zum Prioritätszeitpunkt zu beurteilen sei. Die Nichtigkeitsabteilung führe richtig aus, dass Beil ./A dem Patentanspruch nicht neuheitsschädlich entgegenstehe. Beil ./B sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Das dort beschriebene Verfahren zur Anbringung von Wärmepackungen erfolge derart, dass zuerst der heiße Wärmespeicher 1 auf eine Seite der Wegwerfkontaktpackung 2 aufgebracht werde und anschließend die gesamte Heilpackung mit der Kontaktpackung 2 voran auf die betreffende, zu behandelnde Körperstelle platziert werde. Es sei wesentlich für dieses Verfahren und werde ausdrücklich gefordert, dass der Körper des Patienten nicht mit dem heißen Wärmespeicher in Berührung komme. Das Verfahren sei somit auf die Verwendung von Wärmespeichern gerichtet, die kleiner als oder maximal gleich groß wie die Heilpackungen seien. Damit sei es erforderlich, Wärmespeicher in verschiedenen Größen herzustellen und an die verschiedenen Größen der Kontaktpackungen anzupassen. Dies bedinge die (kostenintensive) Anschaffung und Lagerhaltung verschieden großer Wärmespeicher. Um zur Lösung des angegriffenen Verfahrenspatents zu gelangen müsse der Fachmann die grundlegende Überlegung anstellen, einen Wärmespeicher zu verwenden, der größer als die Wärmepackung ist. Zu dieser Überlegung führe Beil ./B aber gerade nicht, sie sei nach dem objektiven Stand der Technik noch nicht gestellt und gelöst worden. Die mit dem Verfahrenspatent gefundene Lösung sei trotz der technischen Einfachheit der Vorrichtung und des Verfahrens erfinderisch und nicht "trivial" wie das Abdecken des Körpers mit einem Handtuch.

Die Antragsteller verweisen in ihrer gemeinsamen Berufungsbeantwortung zur Beil ./B nur auf die ihrer Ansicht nach richtige Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung und führen die Rechtsmittelgegenschrift konkret nur zu Beil ./A dahin aus, dass die Nichtigkeitsabteilung von der Vorentscheidung des Obersten Patent- und Markensenats vom 11. Oktober 2000, Op 3/00-8, abgewichen sei (Mit dieser Entscheidung bestätigte der Oberste Patent- und Markensenat die Nichtigerklärung der Patentansprüche 11,12 und 13 betreffend Vorrichtungen des gegenständlichen Verfahrenspatents). Dort sei ausdrücklich festgestellt worden, dass das Vorrichtungsmerkmal Andrückfolie (des Verfahrenspatents) durch die Trennfolie der Vorrichtung in Beil ./A neuheitsschädlich vorbeschrieben sei. In der Vorentscheidung sei auch richtig ausgeführt worden, dass die „Reduktion eines Peloid-Voll- oder Sitzbades auf eine Peloidpackung als einfache Änderung der Größenordnung bzw Konsistenz des Behandlungsmittels angesehen bzw der gegenseitiger Austausch dieser Behandlungsmittel als nahe liegender Ersatz eingestuft werden kann". Die angefochtene Entscheidung sei daher auch aufgrund der Beil ./A zu bestätigen.

Zu den Parteivorbringen im Berufungsverfahren war Folgendes zu erwägen:

Vorweg ist festzustellen, dass bei der Nachvollziehung der erfinderischen Tätigkeit nach dem sogenannten Konzept "Aufgabe-Lösungs-Ansatz" vorzugehen ist, der sich in die drei Phasen gliedert:

a) Ermittlung des „nächstliegenden Stands der Technik“,

b) Bestimmung der zu lösenden „objektiven technischen Aufgabe“ und

c) Prüfung der Frage, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven technischen Aufgabe für den Fachmann nahe liegend gewesen wäre (OPM 1/02 = PBl 2003, 29; OPM Op 5/05-2).

Den Ausführungen der Berufungsgegner ist beizupflichten, dass das Dokument Beil ./A nicht schon deshalb außer Betracht zu bleiben hat, weil dort kein Verfahren zur Wärmebehandlung mittels Wärmepackungen beschrieben wird und weil das Vorrichtungsmerkmal der Andrückfolie im angegriffenen Patent mit der Trennfolie des Verfahrens zur Verabreichung von Peloidbädern nicht vergleichbar wäre. Eine solche generelle Aussage stünde tatsächlich mit der zitierten Vorentscheidung des OPM im Widerspruch. Entscheidend ist aber, ob aus der Vorveröffentlichung Beil ./A zur Erreichung des Aufgabezwecks der Vermeidung des Körperkontakts mit dem Wärmespeicher Anhaltspunkte zu gewinnen waren. Dazu ist aus Beil ./A nichts zu gewinnen und die Ansicht zu bestätigen, dass Beil ./B als nächstkommender Stand der Technik anzusehen ist. Im Einzelnen ist dazu Folgendes auszuführen:

Beilage B beschreibt eine Heilpackung mit Peloidfüllung, gekennzeichnet durch einen wiederverwendbaren, von einem wasserdichten bzw abwaschbaren, allseits dicht verschlossenen, wärmebeständigen, mit Naturmoos oder dergleichen gefüllten Sack gebildeten Wärmespeicher und durch eine zwischen diesem und dem Körper des Patienten anzuordnende, dünne Wegwerf-Kontaktpackung, die ebenfalls mit einem Peloid gefüllt ist und deren Hülle zumindest körperseitig aus einem für die Wirkstoffe durchlässigen Kunstfaservlies oder dergleichen besteht. Die der Kontaktpackung (2) zugewandte Sackwand des Wärmespeichers (1) kann als Andrückfolie aufgefasst werden, wie auch die Berufung einräumt. Gemäß Beilage B kommt der Körper des Patienten nicht mit dem heißen Wärmespeicher in Berührung. Der Wärmespeicher ist also kleiner oder höchstens gleich groß wie die dazu passende Kontaktpackung.

Also sind folgende Entsprechungen vorhanden:

Anspruch 1                                                     Beilage B

Wärmepackung (9)                                          Wegwerf-Kontaktpackung (2)

Wärmespeicher (Medium)                                Wärmespeicher (1)

Andrückfolie (23, 47)                                      Teil der Sackwand

Nicht vorweggenommen ist sohin das Merkmal e) - Isolierschicht (1) - und die diese betreffende Aussage des Merkmals f); ferner ist der Wärmespeicher größer als die Wärmepackung. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist demnach neu.

Die Nichtigkeitsabteilung hat das teilweise Abdecken des zu behandelnden Körpers mit Isolierschichten im Zusammenhang mit einem Verfahren zur lokalen Wärmebehandlung mittels Wärmepackungen als triviales Merkmal qualifiziert. Sie führt hiezu aus, aus der allgemeinen Anwendung von Packungen und Wickeln sei es aus verschiedensten Gründen (hygienische Gründe, Schutz vor Verschmutzung, angenehmeres Hautgefühl, Erhöhung der Effizienz) nahe liegend, bei Wärmepackungen, insbesondere Schlammpackungen, benachbarte Körpergebiete zumindest teilweise abzudecken. Insbesondere sei zu beachten, dass der Schutzumfang des Verfahrensanspruchs 1 sehr weit sei, dass das beheizbare Wärmespeichermedium nicht durch die Vorrichtung nach Anspruch 11 eingeschränkt sei und auch der Begriff Andrückfolie in der Patentschrift sehr mannigfaltig verwendet werde.

Die Berufung macht im Wesentlichen geltend gegenüber Beilage B bestehe ein erster wesentlicher Unterschied darin, dass bei dem Verfahren nach Anspruch 1 ein Wärmespeicher eingesetzt wird, der größer als die Wärmepackung ist. Dies sei zwingend, da das Einlegen einer Isolierschicht darauf beruhe bzw ohne diesen Umstand nicht möglich wäre. Ein zweiter Unterschied bestehe darin, dass zwischen dem Wärmespeicher und nicht mit Wärmepackungen behandelten Körperteilen eben diese Isolierschichten eingelegt werden. Gemäß Beilage B seien die Wärmespeicher kleiner oder maximal gleich groß wie die Kontaktpackungen. Der große Wärmespeicher könne mit einer Vielzahl an kleineren Wärmepackungen kombiniert werden, wodurch eine einfachere Handhabung und bessere Kombinationsmöglichkeit erreichbar sei, bei gleichzeitiger Beibehaltung der Anlegequalität und Anlagesicherheit. Der zweite Unterschied habe den Effekt, dass lediglich an den zu behandelnden Stellen Hitze erduldet werden müsse. Im Licht des Aufgabe- und Lösungskonzeptes bedürfe es zur Schaffung des Verfahrens nach Anspruch 1 eines Abstraktionsschrittes, der jedoch einem Durchschnittsfachmann nicht zumutbar sei.

Beizutreten ist der Auffassung, dass das Zwischenlegen eines Handtuches oder Kissens - isoliert betrachtet - als trivial einzustufen ist. Der Unterschied zwischen dem Anspruch 1 und dem Stand der Technik gemäß Beilage B erschöpft sich jedoch nicht darin, sondern es sind mehrere Schritte erforderlich, um von Beilage B zum Anspruch 1 zu gelangen. Auch unter Bedachtnahme auf die recht allgemeine Fassung des Anspruches 1 müssen die verbleibenden (dh nicht zu behandelnden) Körperteile mit einer die Wärmeübertragung dämmenden Isolierschicht versehen werden, es müssen diese Isolierschicht und die Wärmepackungen über eine Andrückfolie mit dem als Wärmespeicher dienenden Medium druckbeaufschlagt werden, und es muss, um Vorstehendes zu ermöglichen, der Wärmespeicher größer als die Wärmepackungen sein. Aufgrund des Erfordernisses mehrerer Schritte und der geltend gemachten, als gegeben anzusehenden Effekte ist das Verfahren gemäß Anspruch 1 gegenüber Beilage B insgesamt nicht als nahe liegend zu beurteilen.

Der Senat übersieht nicht, dass es bei nicht widmungsgemäßer Verwendung der in Beilage B beschriebenen Heilpackung, wenn man also, wie in der mündlichen Verhandlung von Seiten der Antragsteller zu Beilage B im Wesentlichen vorgebracht, von deren Wärmespeichern und Kontaktpackungen unterschiedlicher Größen einen größeren Wärmespeicher mit zwei kleineren Kontaktpackungen kombiniert, es nahe liegend erscheinen mag, den Spalt zwischen den zwei Kontaktpackungen mit einem Handtuch oder dergleichen auszufüllen; doch entspricht die geltend gemachte Kombination eines größeren Wärmespeichers mit zwei kleineren Kontaktpackungen nicht der Lehre von Beilage B und liegt eine nicht widmungsgemäße Verwendung außerhalb dessen, was man vom Durchschnittsfachmann erwarten kann. Vielmehr wird auch aus dieser Sicht deutlich, dass es mehrerer Schritte bedarf, um von Beilage B zum Verfahren nach Anspruch 1 zu kommen. Es sei nochmals betont, dass das Verabreichen eines Handtuches oder Kissens allein - wenn es also nicht über eine Andruckfolie mit einem Wärmespeicher druckbeaufschlagt wird, kein Merkmal des Verfahrens nach Anspruch 1 ist.

Von der Berufungsbeantwortung wird geltend gemacht, die Beilage A sei von der Nichtigkeitsabteilung nicht richtig gewürdigt worden; auch diese stehe dem Anspruch 1 entgegen. Dem ist zu entgegnen:

Beilage A betrifft eine Vorrichtung zum Verabreichen von Peloid-Voll- oder Sitzbädern mit einer Wanne und einem muldenartig darauf aufgelegten, mit Peloidflüssigkeit befüllbaren, deren Feststoffe zurückhaltenden Einsatz, dessen umlaufender Rand zumindest zum oberen Wannenumfangsrand reicht und dort befestigt ist, wobei der Einsatz als flüssigkeitsdichte Folie zur Tren-nung der oberhalb und unterhalb der Folie einzubringenden Peloidbadflüssigkeit ausgebildet ist, und wobei die Folie insbesondere nur zum kleineren Teil der Gesamthöhe der Wanne hinabreicht. Aufgabe der dortigen Erfindung ist es, für jede einzelne Badtherapie nur einen geringen Teil der bis dahin benötigten Menge des Bademediums zu verwenden. Beide Volumenbereiche der Wanne können auf verhältnismäßig hohe Temperaturen erwärmt werden. Die flüssigkeitsdichte Folie (4) der Beilage A ist durchaus auch als Andrückfolie anzusehen, denn die obere Peloidbadflüssigkeit (II) wird über die Folie (4) mit der als Wärmespeicher dienenden unteren Peloidbadflüssigkeit (I) druckbeaufschlagt; dies ist insbesondere bei einem in Beilage A ausdrücklich angeführten Sitzbad der Fall.

Demnach sind folgende Entsprechungen vorhanden:

Anspruch 1                                           Beilage A

Wärmepackung (9)                                obere Peloidflüssigkeit (II)

Wärmespeicher (Medium)                      untere Peloidbadflüssigkeit (I)

Andrückfolie (23, 47)                            flüssigkeitsdichte Folie (4)

Was die Vorwegnahme von Merkmalen anlangt, bringt Beilage A demnach nicht mehr als Beilage B. Was aber ein Nahelegen betrifft, bringt Beilage A offensichtlich weniger. Zwar ist es durchaus als trivial anzusehen, einem Patienten, der ein Peloidbad nimmt, ein Kissen oder Handtuch, etwa für den Kopf, zu geben, doch verbleibt das Kissen oder Handtuch außerhalb des Peloidbades, so dass solche Gegenstände weder als Isolierung gegen den Wärmespeicher dienen, noch mittels der Andrückfolie anliegend gehalten werden. Beilage A kann daher das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht nahe legen.

Aufgrund des dargelegten Sachverhalts bringt auch eine Zusammenschau beider Beilagen A und B nicht mehr als Beilage B.

Daraus folgt dass aufgrund des Erfordernisses mehrerer Schritte, von denen einer zwar isoliert betrachtet als trivial einzustufen ist, die jedoch in ihrer Gesamtheit den Durchschnittsfachmann überfordern, das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht als nahe liegend zu beurteilen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 122 Abs 1 und 140 Abs 1 PatG iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der Patentinhaber hat voll obsiegt, sodass ihm die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu ersetzen sind.

Ab Verbindung der beiden Verfahren bestehen keine getrennten Honoraransprüche. Der Kostenansatz ist lediglich um den Streitgenossenzuschlag von 15 % zu erhöhen.

Rückverweise