17Bs99/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Februar 2025, GZ **-94.2, nach der am 11. Juni 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider-Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski sowie in Anwesenheit der Angeklagten A* und B* C* als auch ihres Verteidigers Mag. Fadi Arabo durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und werden die verhängten Freiheitsstrafen jeweils unter Ausschaltung bedingter Strafnachsicht nach § 43a Abs 3 StGB hinsichtlich A* auf 27 Monate und hinsichtlich B* C* auf 33 Monate erhöht.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen – auch einen Verfallsausspruch und eine Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg enthaltenden - Urteil wurden die beiden serbischen Staatsangehörigen, nämlich die am ** geborene Erstangeklagte A* und der am ** geborene Zweitangeklagte B* C*, je (zu I./A./) des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB, (zu I./B./) des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB und (zu I./C./) der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB sowie A* (zu III./A./) des Vergehens des Betruges nach §§ 12 dritter Fall, 146 StGB und (zu III./B./) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB sowie B* C* (zu II./A./) des Vergehens des (richtig:) schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und (zu II./B./) der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür jeweils unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 156 Abs 2 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt, nämlich A* zu einer solchen von 20 Monaten und B* C* zu einer solchen von 21 Monaten, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB jeweils ein Teil von 14 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben
I./ A* und B* C* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) in D*
A./ als Schuldner mehrerer Gläubiger, nämlich A* als Inhaberin des Einzelunternehmens E* e.U. und B* C* als faktischer Machthaber bzw faktischer Geschäftsführer des Unternehmens, Vermögen veräußert bzw beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei sie durch die Tat den nachfolgenden Schaden herbeiführten, indem
1./ sie im Zeitraum von Juli 2020 bis 8. Juli 2021 in zahlreichen Angriffen Geldbeträge in Gesamthöhe von 1.000.000,-- Euro ohne betriebliche Veranlassung bar vom Unternehmenskonto behoben, das so erlangte Geld gemeinsam verbrachten und so den Gläubigern entzogen;
2./ B* C* am 26. April 2021 das im Eigentum der Schuldnerin E* e.U. stehende Fahrzeug der Marke Jaguar XF im Wert von 15.600,-- Euro zum unüblich niedrigen Verkaufspreis von 4.500,-- Euro an F* verkaufte, wobei A* und B* C* den Verkaufserlös anschließend beiseite schafften, anstatt den Erlös dem Unternehmen zuzuführen;
B./ im Zeitraum von Februar 2020 bis Juli 2021 als Dienstgeber, nämlich A* als Inhaberin und B* C* als faktischer Geschäftsführer des Unternehmens E* e.U., Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung in Höhe von 14.834,98 Euro dem berechtigten Versicherungsträger, nämlich der Österreichischen Gesundheitskasse, vorenthalten;
C./ zu nicht mehr festzustellenden Zeitpunkten in den Jahren 2020 und 2021 falsche Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, indem sie insgesamt 168 Eingangsrechnungen der Unternehmen G* GmbH, H*, I* KG und J* GmbH fälschten und diese Rechnungen in die Buchhaltung des Unternehmens E* e.U. aufnahmen;
II./ B* C* in D*
A./ nachfolgende Personen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung verleitet, die diese oder andere in einem Gesamtbetrag von 54.600,40 Euro, sohin in einem 5.000,-- Euro übersteigenden Betrag, am Vermögen schädigten, indem er
1./ am 5. April 2022 Verfügungsberechtigte der K* GmbH durch die wahrheitswidrige Vorgabe, zahlungsfähiger und zahlungswilliger Leasingnehmer zu sein, zur Übergabe eines LKW der Marke Mercedes-Benz Sprinter 515 CDI mit der Fahrgestellnummer ** im Wert von 7.437,60 Euro, eines LKW der Marke Mercedes-Benz Sprinter 515 CDI mit der Fahrgestellnummer ** im Wert von 20.270,40 Euro und eines LKW der Marke Mercedes-Benz Sprinter 515 CDI mit der Fahrgestellnummer ** im Wert von 25.892,40 Euro verleitete, wodurch das genannte Unternehmen in einem Gesamtbetrag von 53.600,40 Euro am Vermögen geschädigt wurde;
2./ am 1. Juni 2022 L* durch die wahrheitswidrige Vorgabe, leistungsfähiger und leistungswilliger Verkäufer des LKW der Marke Mercedes-Benz Sprinter 515 CDI mit der Fahrgestellnummer ** zu sein, zur Übergabe einer Anzahlung von 1.000,-- Euro verleitete, die diesen im genannten Betrag am Vermögen schädigte;
B./ Urkunden, über die er nicht oder nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, unterdrückt, indem er die Typenscheine zu den im Wege der unter Punkt II./A./1./ genannten Tathandlung übernommenen Fahrzeuge vereinbarungswidrig nicht an den berechtigten Eigentümer der Fahrzeuges aushändigte, und zwar
1./ im Zeitraum von 6. April 2022 bis 9. Oktober 2024 die Typenscheine des LKW der Marke Mercedes-Benz Sprinter 515 CDI mit der Fahrgestellnummer ** und des LKW der Marke Mercedes-Benz Sprinter 515 CDI mit der Fahrgestellnummer **;
2./ im Zeitraum 6. April 2022 bis zum 1. Juni 2022 den Typenschein zum Fahrzeug der Marke Mercedes-Benz Sprinter 515 CDI mit der Fahrgestellnummer **, wobei er den Typenschein anschließend an A* überließ;
III./ A* am 1. Juni 2022 in **
A./ zu der unter Punkt II./A./2./ genannten Tat des B* C* beigetragen, indem sie den Käufer L* am 1. Juni 2022 traf, diesem einen Typenschein und Fahrzeugschlüssel (tatsächlich gehörend zu dem unter Punkt II./A./1./ genannten Fahrzeug LKW der Marke Mercedes-Benz Sprinter 515 CDI mit der Fahrgestellnummer **) aushändigte und dafür die Anzahlung in Höhe von 1.000,-- Euro entgegennahm;
B./ durch die unter Punkt III./A./ genannte Handlung eine Urkunde, über die sie nicht oder nicht allein verfügen darf, nämlich den Typenschein zum Fahrzeug der Marke Mercedes-Benz Sprinter 515 CDI mit der Fahrgestellnummer ** mit dem Vorsatz, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, unterdrückt, indem sie die Urkunde nicht an den berechtigten Eigentümer des Fahrzeuges, sondern an L* übergab.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht bei beiden Angeklagten jeweils das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zahlreichen Vergehen und den zu Punkt I./A./ die Wertgrenze des § 156 Abs 2 StGB mehr als dreifach übersteigenden Schaden erschwerend, mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und das reumütige Geständnis.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 1.56 und ON 93), mit ON 97 fristgerecht zur Ausführung gelangte Berufung der Staatsanwaltschaft Wien mit dem Antrag auf schuld- und tatangemessene Erhöhung der Strafen unter Ausschaltung bedingter Strafnachsicht, der Berechtigung zukommt.
Gemäß § 32 Abs 2 StGB hat bei Bemessung der Strafe – deren Grundlage gemäß § 32 Abs 1 StGB die Schuld des Täters ist – das Gericht die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte.
Im Allgemeinen ist die Strafe um so strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können (§ 32 Abs 3 StGB).
Die vom Erstgericht im Übrigen zutreffend aufgelisteten Strafzumessungsgründe sind zunächst zum Nachteil der Angeklagten dahingehend zu korrigieren als zusätzlich auch der lange Tatzeitraum (von einem Jahr und länger [vgl Riffel, WK StGB § 33 Rz 4 mwN]) betreffend die Fakten I./A./ (Juli 2020 bis 8. Juli 2021) und I./B./ (Februar 2020 bis Juli 2021) hinsichtlich beider Angeklagter sowie betreffend das Faktum II./B./1./ hinsichtlich des Angeklagten B* C* (6. April 2022 bis 9. Oktober 2024) als auch die von diesem zu verantwortende Tatwiederholung (RIS-Justiz RS0107400) zu II./A./ aggravierend zu werten waren.
Soweit die Angeklagten in ihrer Gegenausführung zur Berufung demgegenüber zunächst den Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie die Schadensgutmachung als weitere Milderungsgründe für sich reklamieren, sind sie darauf zu verweisen, dass das Erstgericht diese Umstände ohnehin bereits zutreffend (vgl Riffel, WK StGB § 34 Rz 38 sowie RIS-Justiz RS0091384, RS0091337) in sein Kalkül miteinbezogen hat (vgl US 14) und hinsichtlich des letzteren Umstandes richtigerweise – betreffend den Angeklagten B* C* - nur auf die Rückerlangung der in Punkt II./A./1./ des Spruchs angeführten LKWs Bezug nahm, denn eine bloße Bereitwilligkeit zum Schadenersatz oder ein bloßes Anerkenntnis vermögen noch keinen Milderungsgrund zu begründen (vgl RIS-Justiz RS0091354). Ebensowenig kommt eine krankhafte Spielsucht einem Schuldausschließungsgrund oder Rechtfertigungsgrund nahe und ist darum nicht mildernd (RIS-Justiz RS0091256). Mit Blick auf die einzelnen Tatzeitpunkte kommt den Angeklagten auch der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB nicht zugute, kann von einem Wohlverhalten durch längere Zeit hindurch nur gesprochen werden, wenn der Zeitraum etwa der Rückfallsverjährung (§ 39 Abs 2 erster Fall StGB: fünf Jahre) entspricht (RIS-Justiz RS0108563). Zudem verbrachten die Angeklagten die Geldbeträge gemeinsam – setzten sohin ein für die Tatausführung essenzielles Verhalten ( Riffel, WK 2 StGB § 34) - und verwendeten sie zur Abdeckung von privaten Aufwendungen, insbesondere für Glücksspiel (vgl US 6), sodass von einer untergeordneten Beteiligung eines der beiden Angeklagten betreffend das Faktum I./A./ nicht gesprochen werden kann.
Bei Abwägung der solcherart zum Nachteil der Angeklagten korrigierten Strafzumessungsparameter, der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Überlegungen und spezial- und generalpräventiver Aspekte erweisen sich die im untersten Bereich des Strafrahmens von ein bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 156 Abs 2 StGB) verhängten Sanktionen jedoch als zu gering bemessen.
Denn zutreffend verweist die Staatsanwaltschaft gegenständlich auf den außergewöhnlich hohen Erfolgsunwert des strafsatzbestimmenden Delikts des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB mit einer Schädigung der Gläubiger in Höhe von etwas mehr als 1 Million Euro. Dabei setzten die Angeklagten ihr kriminelles Verhalten nicht nur über einen langen Tatzeitraum fort, sondern wendeten auch erhebliche kriminelle Energie auf um ihre Machenschaften zu verschleiern, indem sie in Summe 168 Urkunden fälschten.
Wenngleich es sich bei den Angeklagten um bislang unbescholtene Ersttäter handelt, war angesichts dieser Umstände schon aus spezialpräventiven Gründen eine Erhöhung der Freiheitsstrafe – unter Berücksichtigung der in der (langen) Verfahrensdauer zufolge Perioden behördlicher Untätigkeit (vgl US 10 und 14) gelegenen Grundrechtsverletzung (Art 6 Abs 1 erster Satz MRK) und des Ausgleichs in Form einer ausdrücklichen und messbaren Strafreduktion von drei Monaten - auf das spruchgemäße Ausmaß erforderlich, um ihnen das Unrecht ihrer Taten eindrucksvoll vor Augen führen zu können und sie hinkünftig von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten sowie um (innerhalb der schuldadäquaten Strafe zu berücksichtigenden) Belangen der Generalprävention (vgl RIS-Justiz RS0090592 [insb auch T1], RS0090600) ausreichend Rechnung zu tragen.
Einzig aufgrund ihres umfassenden, reumütigen und zur Wahrheitsfindung, insbesondere auch durch Auskunft zur Mittelverwendung der vom Geschäftskonto behobenen Gelder (vgl etwa PS 3 ff und PS 6 [20.000,-- Euro wöchentlich für Glücksspiel]; zur Beachtlichkeit dieses Umstandes in diesem Zusammenhang vgl 14 Os 105/19a), beitragenden Geständnisses war mit einer Freiheitsstrafe unterhalb eines Drittels der Höchststrafe das Auslangen zu finden. Diese war hinsichtlich des Zweitangeklagten mit Blick darauf, dass dieser (im Vergleich zur Erstangeklagten) nicht nur weitere Urkunden unterdrückte (Fakten II./B./1./), sondern insbesondere auch drei LKWs im Gesamtwert von mehr als 50.000,- Euro betrügerisch herauslockte (Faktum II./A./1./), um ein halbes Jahr höher auszumitteln.
Gerade die wiederholte Delinquenz der Angeklagten über einen langen Tatzeitraum und die darin zum Ausdruck kommende Gleichgültigkeit gegenüber den rechtlich geschützten Werten stehen letztlich auch der Anwendung der – auf extreme Ausnahmefälle abzielenden (vgl RIS-Justiz RS0092050) – Bestimmung des § 43a Abs 4 StGB unüberwindlich entgegen. Weder der Hinweis auf eine (behauptete) Depression, an welcher die Erstangeklagte leide, noch der von den Angeklagten ins Treffen geführte Umstand, dass sie Eltern eines gemeinsamen Kindes seien (vgl ON 57.2, 2 [= M* C*, geb. **]), vermag an dieser Einschätzung eine Änderung herbeizuführen. Denn mit Blick auf das Tatgeschehen vom 1. Juni 2022 (Fakten II./A./2./ bzw III./A./ und B./) zeigt sich, dass nicht einmal die Geburt ihres Kindes nur kurze Zeit zuvor die beiden von ihrem kriminellen Handeln abzuhalten vermochte. Zudem befanden sich diese – entgegen ihrem Vorbringen – im gegenständlichen Verfahren schon gar nicht in Untersuchungshaft, sodass die darauf aufbauende Argumentation schon deshalb versagt.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.