JudikaturOLG Wien

16R203/24a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Elhenicky und Dr. Rieder in der Rechtssache der klagenden Partei A* B*, geb. am **, Pensionist, **, ** C*, vertreten durch Dr. Beate Schauer Mag. Thomas Stöger Rechtsanwälte GnbR in Bruck an der Leitha, gegen die beklagte Partei D* E* , geb. am **, Pensionistin, **, ** F*, vertreten durch Neumayer Walter Rechtsanwälte KG in Wien, wegen EUR 49.923,14 s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25.10.2024, **-31, gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.713,52 (darin enthalten EUR 618,92 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der einzige Sohn des am 25.7.2021 verstorbenen G* B* (in der Folge: Erblasser). Die Beklagte ist die Nichte und testamentarische Alleinerbin des Erblassers. In seinem Testament vom 20.2.2018 verfügte der Erblasser die Enterbung des Klägers und für den Fall, dass diese nicht wirksam sein sollte, die Minderung des Pflichtteils des Klägers.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von EUR 49.923,14 sA als seinen Pflichtteil nach dem Erblasser in Höhe der Hälfte des reinen Nachlasses von EUR 99.846,28. Er brachte – soweit im Berufungsverfahren von Relevanz - vor, die testamentarische Enterbung sei zu Unrecht erfolgt. Er habe kein Verhalten gesetzt, das eine Enterbung rechtfertigen würde. Er habe dem Erblasser, der seit dem 60. Geburtstag an einer demenziellen Erkrankung gelitten habe, einen eigenen Wohnbereich in seinem Haus in C* zur Verfügung gestellt, wo dieser seinen Lebensabend hätte verbringen sollen. Dort habe er sich rund neun Monate um den Erblasser gekümmert; dieser habe sich aber sowohl dem Kläger als auch dessen Lebensgefährtin gegenüber teilweise aggressiv und unangemessen verhalten. Er habe falsche Gerüchte über den Kläger verbreitet wie etwa, dass er schlecht gepflegt werde. Der Lebensgefährtin des Klägers habe er sogar sexuelle Avancen gemacht und sie sexuell belästigt. Er habe den Kläger völlig grundlos zuerst mit seiner Abneigung, dann mit einem immer stärker werdenden Hass zu verfolgen begonnen. Es sei bekannt, dass eine Demenz vor allem in Zusammenhang mit einer Alzheimererkrankung nicht nur die Gedächtnisleistung des Betroffenen deutlich vermindere, sondern - wie im Fall des Erblassers - dazu führen könne, dass sich die Persönlichkeit des Erkrankten (in aller Regel negativ) massiv verändere.

Der Kläger habe den Erblasser aus Anlass eines 14tägigen Urlaubs im Sommer 2010 schließlich in der ihnen gemeinsam gehörigen Wohnung in F* untergebracht und dafür gesorgt, dass er dort ordnungsgemäß versorgt werde. Seine Lebensgefährtin und er hätten ihm auch mitgeteilt, dass es sich lediglich um eine kurzfristige Übersiedlung handle. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub habe der Kläger jedoch feststellen müssen, dass der Erblasser jeden weiteren Kontakt ablehne und die Schlösser zur Wohnung ausgetauscht habe. Er habe nicht mehr am Handy abgehoben und schließlich sogar seine Telefonnummer geändert. Sämtliche weitere Kontaktversuche des Klägers und dessen Lebensgefährtin seien gescheitert. Der Abbruch des Kontakts sei allein vom Erblasser ausgegangen. Den Kläger treffe daran kein Verschulden. Er wäre bereit gewesen, seinen demenzkranken Vater weiterhin zu betreuen. Er habe ihm weder in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt noch ihn im Notstand hilflos gelassen und auch sonst keine familienrechtliche Pflicht ihm gegenüber gröblich vernachlässigt.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete zusammengefasst ein, der Erblasser habe den Kläger immer wieder finanziell unterstützt; so habe er ihm ATS 350.000,-- für den Kauf des Hauses in C* und im Jahr 2009 zu dessen Sanierung EUR 10.000,-- für Maurer-, Sanitär- und Elektroarbeiten sowie EUR 5.000,-- für Möbel gegeben. Er habe ihm auch ein Auto und die Pelzmäntel und -jacken sowie Schmuck seiner verstorbenen Gattin geschenkt. Der Erblasser habe in einem Teil des Hauses in C* einen eigenen Wohnbereich erhalten, den er alleine habe bewohnen können und wo er seinen Lebensabend hätte verbringen sollen. Tatsächlich habe der Erblasser dort nur vom Sommer 2009 bis Juli 2010 gewohnt. Der Kläger und seine Lebensgefährtin hätten sich dem Erblasser gegenüber während des Zusammenlebens feindselig verhalten. Der Kläger habe ein Sparbuch des Erblassers unberechtigt an sich genommen und dieses erst nach Drohung mit einer Anzeige wieder herausgegeben. Anfang Juli 2010 seien mit der Bankomatkarte des Erblassers, die er damals nicht in seinem Besitz gehabt habe, drei Mal an Bankomaten in ** und im ** insgesamt EUR 3.300,-- abgehoben worden. Anschließend habe der Kläger den Erblasser völlig unvorhergesehen und ohne Begründung zurück in dessen F* Wohnung verfrachtet und sei selbst auf Urlaub gefahren. Dass dies lediglich als Urlaubsunterbringung gedacht gewesen sei, sei eine Schutzbehauptung des Klägers. Für den Urlaub wäre auch eine Versorgung im Haus des Klägers mit Hilfe der Verwandtschaft sowie einer Heimhilfe möglich gewesen. Der Erblasser sei zwar geistig noch fit, aber stark gehbehindert und pflegebedürftig gewesen. Als er wieder allein in der Wohnung in F* habe leben müssen, habe sich seine Lebenssituation sehr verschlechtert. Er sei Diabetiker gewesen und habe tägliche Hilfe benötigt. Er sei auf eine Versorgung mit Medikamenten und Lebensmitteln angewiesen gewesen, die er vom Kläger nicht mehr bekommen habe. Der Kläger habe sich auch nicht darum gekümmert, ob der Erblasser in der Wohnung allein zurechtkomme. Er habe ihn im Notstand hilflos gelassen. Hätte sich die Beklagte damals nicht um den Erblasser gekümmert, hätte er in ein Pflegeheim übersiedeln müssen. Ab diesem Zeitpunkt hätten der Kläger und der Erblasser keinen weiteren telefonischen, postalischen oder persönlichen Kontakt mehr gehabt. Es habe auch keine Gratulationen zu bestimmten Anlässen gegeben; der Kläger habe ihm nicht einmal zum 90. Geburtstag gratuliert, was den Erblasser extrem gekränkt habe. Kontaktaufnahmeversuche der Beklagten seien am Willen des Klägers und dessen Lebensgefährtin gescheitert. Der Schlossaustausch sei auf Anraten der Polizei erfolgt, weil Wertsachen in der F* Wohnung gefehlt hätten; der Kläger sei darüber informiert gewesen. Er habe dem Erblasser durch sein Verhalten seelisches Leid zugefügt und familiäre Pflichten gröblich vernachlässigt und damit zwei Enterbungsgründe gesetzt.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es legte seiner Entscheidung neben dem oben wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt noch (leicht gekürzt) folgende, teilweise bekämpfte Feststellungen zugrunde, wobei die bekämpften Feststellungen durch Fettdruck hervorgehoben und nummeriert sind:

Im Sommer 2009 holten der Kläger und dessen Lebensgefährtin den damals 80-jährigen [Erblasser] zu sich nach C*. Zu diesem Zeitpunkt gingen beide aufgrund einer ärztlichen Einschätzung davon aus, dass er nur noch ein paar Monate bis zu einem Jahr leben werde. Es gab damals nur die Optionen, ihn zu sich zu holen oder ihn in einem Heim unterzubringen. Der Kläger und [seine Lebensgefährtin] richteten daher auf ihrer Liegenschaft auf Kosten [des Erblassers] eine eigene Wohneinheit für ihn her, in die [der Erblasser] einzog, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. [Der Erblasser] litt zu diesem Zeitpunkt schon an leichter Demenz, Morbus Parkinson, Schwindel und Diabetes. Er war geistig noch in einem ziemlich guten Zustand. Allerdings hatte sein Kurz- zeitgedächtnis schon Schwächen, die sich auch im Alltag zeigten. Außerdem war er aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung körperlich eingeschränkt, sodass er insgesamt Hilfe bei den meisten Angelegenheiten des täglichen Lebens bedurfte. Er konnte damals noch allein auf das WC gehen – wobei er auch schon inkontinent war und das Bett einnässte - und duschen, benötigte jedoch Hilfe bei Einkäufen, der Nahrungszubereitung, beim Haushalt, bei Arztbesuchen und bei der Medikamenteneinnahme. Er konnte auch nicht mehr selbst mit dem Auto fahren, nicht schwer tragen und insbesondere zu Beginn des Zusammenlebens nur sehr kurze Strecken zu Fuß gehen. Daher kaufte [die Lebensgefährtin des Klägers] Lebensmittel, Medikamente (gegen Alzheimer, Parkinson und Diabetes) und andere Sachen für ihn ein, bereitete ihm alle Mahlzeiten, duschte ihn teilweise, putzte seine Wohneinheit, wusch seine Wäsche, fuhr mit ihm zu seinen Arztterminen und richtete ihm seine Medikamente her. Sie und der Kläger erledigten auch finanzielle Angelegenheiten, wobei der Kläger die Abhebungen mittels Bankomatkarte des [Erblassers] tätigte und diesem lediglich ein Taschengeld aus seiner Pension und seinem Pflegegeld auszahlte.

Im Verlauf des Zusammenlebens verbesserte sich der körperliche Zustand des [Erblassers] soweit, dass er selbstständig im Ort spazieren oder zum Wirtshaus gehen konnte. Er war dann auch grundsätzlich in der Lage, mit seiner Bankomatkarte Geld zu beheben, allerdings nicht am Bankomaten, sondern nur am Schalter der Bank. Dennoch benötigte er im Alltag – insbesondere hinsichtlich seiner Arzttermine und Medikamente - weiterhin Hilfe, die [die Lebensgefährtin des Klägers] zu der Zeit auch stets leistete. Dafür bekamen der Kläger und sie monatlich EUR 300,-- als Gegenleistung.

Das Zusammenleben war von Konflikten geprägt und wurde zunehmend schwieriger. In dieser Zeit nahm der Kläger auch ein Sparbuch [des Erblassers] aus der ihm gemeinsam mit dem Erblasser gehörigen Wohnung in F*, zu welcher er Zugang hatte, mit nach C*. Erst nachdem [der Erblasser] dem Kläger mit einer Anzeige drohte, gab dieser das Sparbuch wieder heraus. Zu Abhebungen kam es noch nicht.

Für den Sommer 2010 planten der Kläger und [seine Lebensgefährtin], für 14 Tage nach Kroatien auf Urlaub zu fahren. Daher wollten sie [den Erblasser], bei dem weiterhin die oben erwähnten Diagnosen vorlagen und der sich mittlerweile in der Pflegestufe 4 befand, zur Kurzzeitpflege in einer Einrichtung in ** unterbringen. Dort hatten sie ihn bereits im Jahr 2009 während ihres Urlaubs untergebracht, wobei es ihm dort überhaupt nicht gefiel, was er sowohl 2009 als auch 2010 äußerte. Er wollte in seiner Wohneinheit in C* bleiben. Der Kläger und [seine Lebensgefährtin] akzeptierten das jedoch nicht, weil sie befürchteten, dass er in ihrer Abwesenheit ihre persönlichen Gegenstände an Fremde verschenken oder die Haustür nicht absperren würde. Sie fragten auch nicht bei anderen Verwandten oder mobilen Pflegediensten nach, ob diese sich in C* um [den Erblasser] kümmern könnten. Am 2.7., 3.7. und 4.7.2010 behob der Kläger mit der einzigen Bankomatkarte des [Erblassers] insgesamt EUR 3.300,-- für den eigenen Gebrauch. Anschließend übergab er ihm die Bankomatkarte. Der Kläger und [seine Lebensgefährtin] brachten [den Erblasser] dann gegen dessen Willen und im Streit mit drei Gepäckstücken und dem Großteil seiner Kleidung, sonstigen Habseligkeiten – etwa seiner Kaffeemaschine - und Medikamenten in die Wohnung nach F*. Beide wussten, dass [der Erblasser] Hilfe im Alltag – insbesondere bei der Nahrungszubereitung und Medikamenteneinnahme – benötigt. Insbesondere die Medikamente gegen Diabetes waren aus der Sicht des Klägers für [den Erblasser] lebensnotwendig. Sie kümmerten sich jedoch nicht darum, ob sich jemand in F* um [den Erblasser] kümmern würde. Sie informierten niemanden darüber, dass sich [der Erblasser] nun in der Wohnung in F* befindet und gingen auch nicht davon aus, dass andere Verwandte oder Nachbarn nach ihm schauen würden (F1). Auch die frühere Heimhilfe, die vor seinem Umzug nach C* täglich zum [Erblasser] kam, kontaktierten sie nicht. Stattdessen überließen sie auch das [dem Erblasser] selbst, obwohl sie nicht sicher wussten, ob er deren Nummer eingespeichert hatte und sie anrufen würde. Sie fuhren auf Urlaub, ohne eine weitere Vorsorge zu treffen. Es war für die beiden nicht klar, ob sie [den Erblasser] danach wieder abholen würden. Vielmehr ließen sie sich diese Option noch offen und machten sie vom Verhalten des [Erblassers] abhängig. Während ihres Urlaubes versuchten sie kein einziges Mal, [den Erblasser] zu erreichen, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Es gab somit während dieser 14 Tage keinerlei Kontakt.

[Der Erblasser] blieb zutiefst enttäuscht und verunsichert in F* zurück; auch er wusste nicht, ob er später wieder nach C* durfte oder ob er auf sich allein gestellt blieb. Er schaffte es, sich etwa zwei Wochen lang selbst zu versorgen und seine grundlegenden Bedürfnisse abzudecken. Nachdem er seinen Sohn verdächtigte, das oben genannte Sparbuch mitgenommen zu haben, wollte er ihm keinen unkontrollierten Zugang mehr gewähren, weshalb er das Schloss zu seiner Wohnung wechseln ließ.

Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub schauten der Kläger und [seine Lebensgefährtin] einmal unangekündigt bei der Wohnung in F* vorbei, trafen [den Erblasser] jedoch nicht an. Da das Schloss bereits ausgetauscht war, konnten sie die Wohnung nicht aufsperren. [Die Lebensgefährtin des Klägers] rief [den Erblasser] an, der ihnen mitteilte, dass er nicht Zuhause sei. Er gab ihnen zu verstehen, dass sie, bevor sie zu ihm kommen, anrufen sollten. Weitere Kontaktaufnahmeversuche durch den Kläger oder seine Lebensgefährtin gab es nicht. Der Kläger hatte nicht vor, [den Erblasser] wieder nach C* zu holen (F2). Noch im gleichen Sommer meldete er [den Erblasser] an der Adresse in C* ab.

Nach etwa zwei Wochen in F* hatte [der Erblasser] keine Medikamente mehr und war auch sonst mit der Situation überfordert. Er war nun plötzlich auf sich allein gestellt und kam damit nicht zurecht. Deshalb rief er aus Verzweiflung die Beklagte an, mit der auch schon früher guten Kontakt hatte, weinte, erzählte von den Geschehnissen und bat um Hilfe. Die Beklagte und ihr Gatte kamen daher sofort zu ihm und versuchten auch gleich, den Kläger und [dessen Lebensgefährtin] telefonisch zu erreichen. Während der Kläger überhaupt nicht abhob, sagte [seine Lebensgefährtin] im Telefonat, dass es nichts zu besprechen gebe und legte auf. In weiterer Folge kümmerte sich die Beklagte – teilweise unter Mithilfe ihrer Familie - um [den Erblasser]. Sie half ihm etwa bei der Medikamenteneinnahme, den Arztterminen, den Einkäufen und dem Haushalt. Sie besuchte ihn dafür mehrmals die Woche und telefonierte täglich mit ihm. [Der Erblasser] war ihr dafür sehr dankbar, gleichzeitig jedoch vom Verhalten des Klägers tief gekränkt, worüber er sich immer wieder bitter beklagte. Im Sommer 2010 wurde bei ihm eine Depression festgestellt. Im Verlauf der folgenden Jahre gab es weiterhin keinen telefonischen, postalischen oder per- sönlichen Kontakt zwischen ihm und dem Kläger. Im Jahr 2012 wechselte [der Erblasser] seinen Telefon-Anbieter und somit auch seine Telefonnummer. Der Kläger hatte die neue Nummer [des Erblassers] nicht, hätte diese in der Verwandtschaft jedoch jederzeit erfragen können. Es gab wechselseitig keine anlassbezogenen Gratulationen. Auch bei einem persönlichen Aufeinandertreffen aus Anlass eines Begräbnisses gingen sich der Kläger und [der Erblasser] aus dem Weg. Bis zu seinem Tode kümmerte sich hingegen die Beklagte - und auch ihr Gatte – um [den Erblasser], wobei der Pflegeaufwand jährlich zunahm. Die Beklagte half [dem Erblasser] schließlich auch finanziell aus und streckte Geld für notwendige Aufwendungen vor.

Aufgrund dieser Ereignisse und seiner anhaltenden tiefen Kränkung verfügte [der Erblasser] mit Testament vom 20.2.2018 die Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin sowie die gleichzeitige Enterbung des Klägers. Er verzieh dem Kläger nie, dass er ihn im Stich gelassen hatte und keinen Kontakt mehr suchte. Hingegen bekundete er immer wieder der Beklagten seine Dankbarkeit, dass sie sich im Gegensatz zu seinem Sohn um ihn kümmerte.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass die Enterbung des Klägers nach den §§ 770 Z 4 und 5 ABGB zu Recht erfolgt sei. Dazu führte es aus, dass der Kläger als einziger Nachkomme des Erblassers zwar grundsätzlich einen Anspruch auf den Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Nachlasses (hier: EUR 49.923,14) gegen die Beklagte als testamentarische Alleinerbin hätte. Allerdings habe der Erblasser in seinem Testament die Enterbung des Klägers verfügt. Sei ein Enterbungsgrund des § 770 ABGB erfüllt, stehe ihm daher kein Pflichtteil zu. Die Enterbungsgründe nach § 770 Z 2, 3 und 6 ABGB kämen nicht in Betracht. Der Enterbungsgrund der Z 1 liege vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte gegen den Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen habe, die nur vorsätzlich begangen werden könne und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sei. Die Mitnahme des Sparbuchs sei noch kein strafbares Verhalten und verwirkliche diesen Enterbungsgrund daher nicht. Die unzulässigen Bankomatbehebungen in Höhe von EUR 3.300,-- erfüllten zwar den Tatbestand des Diebstahls nach § 127 StGB, jedoch sei die Strafdrohung zu gering. Aufgrund der Schadenshöhe betrage sie schon grundsätzlich nur sechs Monaten und werde durch die Privilegierung der Begehung im Familienkreis nach § 166 Abs 1 StGB auf drei Monate reduziert. Der Erblasser habe die Enterbung in seinem Testament auch nicht mit diesem Enterbungsgrund begründet, weshalb die Kausalität dieser Vorfälle für die Enterbung wohl nicht gegeben wäre.

Die Beklagte habe sich explizit nur auf § 770 Z 4 und Z 5 ABGB bezogen. Der Enterbungsgrund des § 770 Z 4 ABGB sei verwirklicht, wenn dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt worden sei. Das erfordere eine objektive schwerwiegende Beeinträchtigung der Gefühlssphäre des Erblassers von einer gewissen Intensität, die sich etwa ergeben könne, wenn der Erblasser in einer Notsituation im Stich gelassen, verächtlich gemacht oder sonst in eine sehr missliche Lage gebracht werde. Verwerflich sei im Sinne von unmoralisch oder tadelnswert zu verstehen, weshalb eine Rechtswidrigkeit – insbesondere eine Strafbarkeit – nicht erforderlich sei. Ein verwerfliches Vergehen liege jedoch nur dann vor, wenn der Verstorbene eine Rücksichtnahme auf seine Belange und Wünsche billigerweise habe erwarten dürfen. Das verwerfliche Verhalten müsse zumindest (grob) fahrlässig begangen worden sein. Eine Notstandssituation sei nach der aktuellen Rechtslage nicht mehr erforderlich. Die Übersiedelung des teilweise pflegebedürftigen Erblassers zurück nach F* durch den Kläger, ohne sich weiter um dessen Versorgung zu kümmern, habe diesen in eine Notsituation gebracht. Er habe sich für eine gewisse Zeit zwar selbst versorgen können, habe aber Hilfe bei vielen Angelegenheiten des täglichen Lebens, insbesondere bei der lebensnotwendigen Medikamenteneinnahme oder bei Arztbesuchen gebraucht. Auch die Nahrungszubereitung, Einkäufe, Haushalt oder Hygiene habe er nicht gänzlich allein durchführen können; er sei es seit langem gewohnt gewesen, dass dies die Lebensgefährtin des Klägers erledige. Da sich der Kläger auch nicht darum gekümmert habe, dass jemand (regelmäßig) vorbeischaue oder anrufe und es auch selbst nicht getan habe, wäre nicht aufgefallen, wenn dem Erblasser etwas passiert wäre. Ohne die baldige Hilfe der Beklagten hätte sich der Erblasser nicht weiter versorgen können. Vor allem die Unsicherheit, ob und wie er zurecht komme und ob er wieder abgeholt werde oder aber endgültig alleine zurückgelassen worden sei, sei für ihn extrem belastend gewesen; er sei zutiefst gekränkt und bis zu seinem Tode von dieser Kränkung beherrscht gewesen. Dazu komme, dass sich der Kläger – abgesehen von einem erfolglosen Kontaktversuch direkt nach dem Urlaub – nie wieder gemeldet habe, obwohl der Erblasser bis dahin bei ihm gewohnt und sich darauf verlassen habe, dass er – wie vereinbart - dort seinen Lebensabend verbringen dürfe; zu diesem Zweck habe er auch den Umbau des Hauses in C* finanziert. Von dieser Kränkung durch den Kläger habe sich der Erblasser nie erholt. Er habe erwarten dürfen, dass der Kläger ihm auch weiterhin helfen werde. Diese berechtigten Erwartungen seien enttäuscht worden. Die Handlungen des Klägers, insbesondere das plötzliche Übersiedeln ohne weiteres Kümmern, seien somit verwerflich. Ein moralisch verbundener Mensch würde seinen kranken – insbesondere auch zunehmend dementen – Vater, der Hilfe bei den meisten alltäglichen Angelegenheiten benötige, nicht im Stich lassen. Vielmehr sei ein solches Verhalten gesellschaftlich verpönt. Die Handlungen des Klägers seien zudem vorwerfbar, weil er sie bewusst gesetzt habe. Dass sich der Erblasser nach diesem Erlebnis selbst nicht beim Kläger gemeldet habe, schade aufgrund dessen Beeinträchtigung nicht. Die Beklagte habe für den Erblasser versucht, mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen, was von diesem jedoch kategorisch abgelehnt worden sei. Er habe nicht nur physische oder finanzielle Hilfe verweigert, sondern auch keinen moralischen Beistand geleistet. Vielmehr habe er sich darauf verlassen, dass dem Erblasser von dritter Seite geholfen werde oder er allein zurechtkomme, ohne dies während des Urlaubs oder in den vielen Jahren danach je ernsthaft zu hinterfragen oder zu überprüfen. Der Enterbungsgrund des § 770 Z 4 ABGB liege somit vor.

§ 770 Z 5 ABGB normiere die Enterbung eines Pflichtteilsberechtigten, der seine familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorbenen gröblich vernachlässigt habe. Bei diesem Enterbungsgrund sei weder Notstand bzw Hilflosigkeit noch die Zufügung seelischen Leidens erforderlich. Vielmehr werde auf eine gravierende Pflichtverletzung abgestellt. Nach den Gesetzesmaterialien genüge mitunter sogar die grundlose Ablehnung jeglichen Kontaktes über einen sehr langen Zeitraum, vor allem wenn gewichtige Beistandspflichten nach § 137 Abs 1 ABGB verletzt werden. Dazu zähle etwa die Betreuung oder Hilfe der Eltern im Alter oder wegen Krankheit, wobei die Pflege nicht zwingend selbst geleistet werden müsse. Zu verlangen seien kleinere Leistungen, das Kümmern um sonstige Versorgung und der Beistand an sich. Die Handlungen des Klägers im Zusammenhang mit der Verbringung des teilweise pflegebedürftigen Erblassers nach F*, ohne sich um dessen weiteres Fortkommen bzw Wohl zu kümmern, seien als gravierende Beistandspflichtverletzungen zu qualifizieren. Zwar habe vom Kläger trotz seiner Zusicherung im Rahmen der familiären Beistandspflicht nicht erwartet werden können, dass er den Erblasser bei sich zu Hause selbst pflege, er hätte sich aber zumindest um eine gleichwertige Ersatzpflege kümmern müssen. Dies gelte zum einen für die Zeit während des Urlaubs. Hier hätte der Kläger andere Familienmitglieder oder Nachbarn einbinden oder selbst eine Heimhilfe organisieren müssen, wenn eine Unterbringung im Kurzzeitpflegeheim nicht in Betracht gekommen sei. Es sei nicht akzeptabel, dass der Kläger den Erblasser in Kenntnis von dessen Betreuungsbedürftigkeit allein und ohne weitere Unterstützung in der Wohnung belassen und sich nicht einmal telefonisch nach dessen Befinden erkundigt habe. Er habe seine Beistandspflicht aber auch dadurch verletzt, dass er sich nach seinem Urlaub um die künftige Versorgung des Erblassers nicht gekümmert und sich nicht mehr gemeldet habe. Dass der Erblasser den Kläger selbst auch nicht mehr kontaktiert habe, schade insbesondere aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit und Demenz nicht. Es wäre am Kläger gelegen gewesen, sich dennoch um seinen alten und kranken Vater zu kümmern. Er hätte auch diesbezüglich zumindest für eine Ersatzpflege – etwa durch die Beklagte – sorgen müssen. Dies habe er nicht getan und den Erblasser seinem Schicksal überlassen. Als die Beklagte den Kläger angerufen habe, habe er jeglichen Kontakt oder Beistand verweigert und dies für die restlichen Lebensjahre des Erblassers beibehalten. Auch der Enterbungsgrund des § 770 Z 5 ABGB sei somit gegeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Beweisrüge

1.1 Der Kläger bekämpft die Feststellungen F1 ( „Sie kümmerten sich jedoch nicht darum, ob sich jemand in F* um [den Erblasser] kümmern würde. Sie informierten niemanden darüber, dass sich [der Erblasser] nun in der Wohnung in F* befindet und gingen auch nicht davon aus, dass andere Verwandte oder Nachbarn nach ihm schauen würden“ ) und begehrt stattdessen folgende Ersatzfeststellung:

„Sie kümmerten sich insofern darum, dass sich jemand in F* um [den Erblasser] kümmern würde, als sie einen Nachbarn hatten, gelegentlich nach [dem Erblasser] zu schauen.“

1.1.1 Der Berufungswerber wirft dem Erstgericht zunächst verallgemeinernd vor, das angefochtene Urteil lasse nicht erkennen, auf Basis welcher Beweise und welcher Erwägungen die Feststellung F1 getroffen worden sei. Für die Feststellung fehle es an einem Beweisergebnis, während der Kläger unwiderlegt das Gegenteil ausgesagt habe.

1.1.2 Diese Kritik erweist sich schon deshalb als völlig unbegründet, weil sich das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung gerade auch in Ansehung der Feststellung F1 sehr ausführlich und sorgfältig mit den Aussagen der vernommenen Zeugen und Parteien auseinandergesetzt hat. Die Feststellung F1 stützte es dabei letztlich auf die überstimmenden Aussagen der Beklagten und ihres Ehemanns, des Zeugen E*. Entscheidend dafür war, dass beide aufgrund der Erzählungen des Erblassers auch über dessen Verbringung zurück nach F* Bescheid wussten und ab dem Zeitpunkt ihres Einschreitens nach seinem Anruf mit der Bitte um Hilfe einen unmittelbaren Eindruck gewonnen hatten. Als Indiz für die Richtigkeit der Feststellung F1 zog das Erstgericht aber auch die Beschreibung der Situation durch den Erblasser selbst in seinem Testament, Beilage /.1 (vgl dort heißt es etwa zu Punkt 5.e: „Im Juli 2010 hat mich mein Sohn völlig überraschend, unvorhergesehen und grundlos in meine Wohnung nach F* zurückverfrachtet und sich nicht um mein Fortkommen gekümmert“ ), sowie seinen Brief an die Beklagte, Beilage ./7, heran. Demgegenüber erachtete das Erstgericht die Aussagen des Klägers und seiner Lebensgefährtin, der Zeugin H*, zur Frage der für den Urlaub getroffenen Vorkehrungen, für nicht glaubhaft. Beide hätten zwar eingeräumt, keine Verwandten verständigt zu haben, doch habe der Kläger behauptet, sie hätten eine Hauspartei gebeten, bei Problemen anzurufen. Die Zeugin H* habe nichts dergleichen angegeben, sondern vielmehr gesagt, sie hätten sich nicht vergewissert, dass eine Hilfe für ihn vor Ort sei, sie hätten das dem Erblasser selbst überlassen. Dabei hätten weder sie noch der Kläger gewusst, ob der Erblasser deren Telefonnummer habe und in der Lage gewesen wäre, die Heimhilfe zu kontaktieren.

Das Erstgericht hat sich demnach eingehend mit jenen Gründen befasst, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit der Feststellung F1 geführt haben. Dabei ist es umfassend auf die dafür und dagegen sprechenden Beweisergebnisse, insbesondere auch auf Aussagen des Klägers und seiner Lebensgefährtin eingegangen. Die Beanstandung, eine Beweiswürdigung sei nicht ersichtlich, ist unberechtigt und entbehrt jeder Grundlage.

1.1.3 Allgemein gilt außerdem zu beachten, dass allein der Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, noch nicht ausreicht, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen. Der Berufungswerber müsste vielmehr die Überschreitung des dem Verhandlungsrichter durch § 272 ZPO eingeräumten Bewertungsspielraums etwa dadurch aufzeigen, dass bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen und das Erstgericht diesen und nicht anderen Beweismitteln hätte Glauben schenken müssen. Dies gelingt dem Kläger hier nicht, weil keine überzeugenden Gründe gegen die schlüssige und lebensnahe Beweiswürdigung des Erstgerichts sprechen (§ 500a ZPO).

1.1.4 Soweit sich der Kläger auf seine Parteiaussage berufen will, er habe einen Nachbarn gebeten, gelegentlich nach dem Erblasser zu schauen, übersieht er, dass sich ein solches Ersuchen aus seiner Aussage nicht ergibt. Er hat nämlich nicht behauptet, sich um eine Hilfe für den Erblasser durch einen Nachbarn gekümmert zu haben, sondern „die Hauspartei unter ihm gebeten [zu haben] , wenn es Probleme gibt, soll sie uns anrufen“ (Protokoll ON 23, Seite 6). Eine Bitte an den Nachbarn, er möge von sich aus regelmäßig nach dem Erblasser schauen, erwähnte der Kläger nicht. Selbst nach seiner eigenen Darstellung hätte er daher lediglich Vorsorge dafür getroffen, dass ein Nachbar den Kläger über Probleme des Erblassers informiert, die jener dem Nachbarn (oder anderen Hausparteien) bereitet oder die dem Nachbarn sonst zur Kenntnis gelangen. Damit fehlt es aber gerade für die gewünschte Ersatzfeststellung an jedem Beweisergebnis, zumal auch keiner der Vernommenen behauptete, ein Nachbar habe – einer Bitte des Klägers folgend - jemals tatsächlich nach dem Erblasser gesehen, geschweige denn ihm eine darüber hinausgehende Unterstützung zukommen lassen.

Die bekämpfte Feststellung F1 ist daher aus Sicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.

1.2 Der Kläger will des weiteren die Feststellung F2 ( „Der Kläger hatte nicht vor, [den Erblasser] wieder nach C* zu holen“ ) durch folgende Feststellung ersetzt haben:

„Der Kläger war grundsätzlich bereit, [den Erblasser] wieder in C* aufzunehmen, wollte dies jedoch von einem Gespräch mit [dem Erblasser] abhängig machen. Ein solches kam nicht zustande, [der Erblasser] wünschte auch keine Rückkehr nach C*.“

1.2.1 Wieder erhebt der Berufungswerber zunächst den Vorwurf, das Erstgericht habe die Feststellung F2 nicht begründet und setzt sich damit über die auch in diesem Punkt eingehende und gut nachvollziehbare Beweiswürdigung des Erstgerichts hinweg, die Feststellung gründe auf der Tatsache, dass der Kläger nach der Rückkehr aus dem Urlaub nur ein einziges Mal versucht habe, den Erblasser in der F* Wohnung aufzusuchen, und sich um keinen weiteren Kontakt bemüht habe, als er ihn dabei nicht angetroffen habe. Das Erstgericht schloss aufgrund dieses Verhaltens auf die fehlende Absicht des Klägers, den Erblasser wieder zu sich zu holen, und sah es als Indiz dafür an, dass er andernfalls noch einmal versucht hätte, den Erblasser zu erreichen, und er die Kontaktaufnahme nicht einem dementen und gekränkten alten Mann überlassen hätte. Der Kläger habe außerdem selbst gesagt, er habe eine Rückholung des Erblassers nur für den Fall geplant, dass dieser „vernünftig“ werde. Es müsse angenommen werden, dass er und seine Lebensgefährtin den Erblasser weiterhin nicht für vernünftig gehalten und ihn deswegen nicht zu sich hätten holen wollen. Darauf lasse auch die Tatsache schließen, dass sie ihn noch im selben Sommer in C* abgemeldet hätten.

1.2.2 Der Kläger führt dagegen seine eigene Aussage ins Treffen, er hätte den Erblasser auf dessen Wunsch hin wieder zu sich genommen, wenn dieser wieder „vernünftig“ geworden wäre.

Mit dem Umstand, dass das Erstgericht genau aus dieser Aussage auf die Richtigkeit der Feststellung F2 geschlossen hatte, setzt er sich nicht auseinander. Wie das Erstgericht aber völlig richtig aufzeigte, hat der Kläger in seiner Aussage gar nicht bestritten, die Rückholung des Erblassers nicht aktiv geplant und betrieben zu haben. Nichts anderes besagt die bekämpfte Feststellung F2. Zur Frage, ob der Kläger unter bestimmten Umständen bereit gewesen wäre, den Erblasser wieder bei sich aufzunehmen, nämlich wenn dieser einen solchen Wunsch ihm gegenüber ausdrücklich geäußert hätte und er aus Sicht des Klägers „vernünftig“ geworden wäre, enthält die bekämpfte Feststellung keine Aussage. Im Ergebnis ist die Beweisrüge somit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Der Berufung gelingt es damit nicht, Bedenken gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu wecken. Das Berufungsgericht übernimmt daher die erstgerichtlichen Feststellungen und legt sie der rechtlichen Beurteilung zu Grunde (§ 498 ZPO).

2. Rechtsrüge

2.1 Voranzustellen ist, dass das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung billigt, weshalb im Wesentlichen darauf verwiesen und mit einer kurzen Begründung das Auslangen gefunden werden kann (§ 500a ZPO).

2.2 Im Folgenden wird daher nur auf die konkreten Beanstandungen des Berufungswerbers in der Rechtsrüge eingegangen. Das ist allerdings nur soweit möglich, als der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung überhaupt gesetzmäßig ausgeführt ist, das heißt das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhalts angefochten wird (vgl RS0043312 auch [T14]). Soweit die Ausführungen in weiten Teilen der Rechtsrüge von den Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil abweichen, können sie einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden (RS0043312 [T12]).

Unbeachtlich bleibt demnach die Argumentation des Berufungswerbers, er habe dem Erblasser schon deshalb kein schweres seelisches Leid zugefügt, weil dieser nach dem Streit über seine Unterbringung im Sommer 2010 selbst keinen Kontakt mehr gewünscht und vom Kläger auch keine weiteren Pflegeleistungen mehr erwartet, sondern akzeptiert habe, dass es keinen weiteren Kontakt gebe und er beim Kläger nicht mehr wohnen werde. Auch mit den Argumenten, der Erblasser sei nur deshalb gekränkt gewesen, weil er das Verhalten des Klägers als Undankbarkeit angesehen habe, und es könne aufgrund des bereits zerrütteten Verhältnisses zwischen dem Kläger und dem Erblasser nicht davon ausgegangen werden, dass der Erblasser das Verhalten des Klägers als besonders verwerflich angesehen habe, entfernt er sich ebenfalls vom festgestellten Sachverhalt. Aus den Feststellungen ergibt sich das Gegenteil davon, nämlich dass der Erblasser zutiefst enttäuscht und verunsichert in F* zurückgeblieben sei und aufgrund des gesamten Verhaltens des Klägers, das zum Kontaktabbruch geführt habe, tief gekränkt gewesen sei und bis zu seinem Lebensende auch geblieben sei. Das vom Erblasser als kränkend empfundene Verhalten des Klägers bestand nach den Feststellungen im Wesentlichen darin, dass der Kläger den Erblasser im Streit und gegen dessen Willen nach F* zurückbrachte und ihn dort allein zurückließ, ohne sich weiter um eine Versorgung mit Nahrung und lebensnotwendigen Medikamenten zu kümmern, obwohl der Erblasser aufgrund seines Alters und seiner Erkrankungen (leichte Demenz, Morbus Parkinson, Schwindel und Diabetes) auf Hilfe und Unterstützung im Alltag angewiesen war (Anm.: schon die festgestellte Einstufung in Pflegestufe 4 bedeutet gem. § 4 Abs 2 BundespflegegeldG einen Pflegebedarf von mehr als 160 Stunden monatlich) und sich bis dahin darauf verlassen hatte, dass er – wie mit dem Kläger vereinbart – seinen Lebensabend im Haus des Klägers, dessen Umbau zu diesem Zweck er finanziert hatte, verbringen werde dürfen. Kränkend war für den Erblasser schließlich, dass der Kläger sich während des Urlaubs kein einziges Mal bei ihm meldete und ihn in der Ungewissheit ließ, ob er später wieder nach C* zurück dürfe oder auf sich allein gestellt bleiben würde, der Kläger auch nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub nur ein einziges Mal ohne vorherige Ankündigung Kontakt suchte und sich, als er den Erblasser in der Wohnung nicht antraf, in weiterer Folge gar nicht mehr um ihn kümmerte und jeden weiteren Kontakt etwa dadurch unterband, dass er bei Anrufen der Beklagten und ihres Ehemanns nicht mehr abhob und auch seine Lebensgefährtin mit der Aussage, es gebe nichts zu besprechen, jeden Kontakt ablehnte.

Entgegen der Argumentation des Klägers hatte ihm der Erblasser nach den Feststellungen niemals zu verstehen gegeben, einen weiteren Kontakt abzulehnen. Im Gegenteil der Erblasser gab dem Kläger nach dessen Rückkehr aus dem Urlaub im Sommer 2010, als dieser unangekündigt zur Wohnung kam und diese versperrt vorfand, zu verstehen, er solle Besuche vorher telefonisch ankündigen, erkennbar um dann in der Wohnung anwesend zu sein und den Besuch des Klägers empfangen zu können. Auch der Wechsel des Schlosses bei der Wohnungstür war den Feststellungen zufolge nicht Ausdruck des Wunsches des Erblassers, den Kontakt zum Kläger abzubrechen, sondern eine Reaktion auf die unberechtigte Wegnahme eines Sparbuchs, das der Kläger erst nach Anzeigendrohung wieder herausgegeben hatte, und sollte den unkontrollierten Zutritt des Klägers in die Wohnung verhindern.

Nach den Feststellungen haben die Handlungen des Klägers demnach beim Erblasser zweifellos eine tiefe, jahrelang bis zu seinem Tod anhaltende Kränkung ausgelöst, die in ihrer Intensität weit über einen gelegentlichen Streit oder eine gelegentliche verbale Kränkung hinausging, und ihm damit schweres seelisches Leid zugefügt (vgl 2 Ob 228/23b [tiefste chronische Kränkung, unter der die Erblasserin dauerhaft litt]).

Soweit der Kläger all diese Tatsachen in der Rechtsrüge in Abrede stellt, versucht er in Wahrheit wieder nur die Beweiswürdigung des Erstgerichts und die Richtigkeit seiner Feststellungen anzugreifen, ohne diesbezüglich aber eine Beweisrüge gesetzmäßig auszuführen.

2.3 Der Kläger macht schließlich geltend, der Erblasser habe eine Rücksichtnahme auf seine Belange und Wünsche billigerweise schon deshalb nicht erwarten dürfen, weil er die ihm angebotene kurzfristige Unterbringung in einem Pflegeheim grundlos und aus reinem Starrsinn abgelehnt und demnach keine Bereitschaft gezeigt habe, auch nur irgendeine Rücksicht auf die Bedürfnisse des Klägers und seiner Lebensgefährtin zu nehmen.

Auch wenn ein verwerfliches Vorgehen des Pflichtteilsberechtigten im Zusammenhang mit § 770 Z 4 ABGB voraussetzt, dass der Erblasser eine Rücksichtnahme auf seine Belange und Wünsche billigerweise erwarten durfte, gilt doch zu beachten, dass dies umso eher der Fall sein wird, je wichtiger dem Erblasser das Anliegen objektiv sein durfte und je weniger Einschränkungen seine Umsetzung dem Pflichtteilsberechtigten abverlangte (so 2 Ob 219/23d unter Hinweis auf Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.05 § 770 Rz 2). In Abwägung der Interessen des Erblassers und des Klägers führt demnach allein die Ablehnung einer vorübergehenden Unterbringung in einem Pflegeheim, in dem der Erblasser bereits einmal kurzfristig untergebracht war und in dem es ihm nicht gefallen hatte, noch nicht dazu, dass der Erblasser eine Rücksichtnahme auf seine Interessen billigerweise nicht mehr erwarten durfte. Besondere Einschränkungen im Zusammenhang mit der Frage nach der Unterbringung des Erblassers während des 14tägigen Urlaubs des Klägers wurden diesem vom Erstgericht schließlich nicht abverlangt. Weder hätte der Kläger auf den Urlaub zugunsten der Pflege des Erblassers verzichten noch ihm das Haus in C* allein überlassen müssen. Als Alternative für die Unterbringung im Pflegeheim bot sich schließlich auch eine vorübergehende Unterbringung des Erblassers in der Wohnung in F* mit fallweiser Unterstützung durch Verwandte oder professionelles Pflegepersonal an, zumindest aber regelmäßige telefonische Erkundigungen nach dem Befinden des Erblassers, um ihm im Notfall eine solche Unterstützung zukommen lassen zu können. Da der Kläger mit dem Erblasser darüber hinaus vereinbart hatte, dass er in seinem (ohnehin auf Kosten des Erblassers umgebauten) Wohnbereich im Haus in C* den Lebensabend verbringen kann, durfte der Erblasser trotz seiner - nach den Feststellungen auch nicht völlig grundlosen - Weigerung, sich in einem Pflegeheim unterbringen zu lassen, außerdem billigerweise erwarten, dass sich der Kläger während urlaubsbedingter Abwesenheiten zumindest um eine Unterstützung durch Dritte kümmert und nicht zum Anlass nimmt, den Erblasser nach F* zurückzubringen, ihn dort allein zu lassen und in weiterer Folge den Kontakt völlig abzubrechen.

2.4 Der Kläger meint des weiteren, von einer gröblichen Vernachlässigung familienrechtlicher Verpflichtungen gegenüber dem Erblasser könne schon deshalb keine Rede sein, weil dieser sich zumindest für zwei Wochen habe selbst versorgen können, und es ihm letztlich gelungen sei, Kontakt mit der Beklagten aufzunehmen und von dieser Hilfe zu erhalten.

Die sich aus § 137 Abs 2 ABGB ergebende und über die Volljährigkeit des Kindes hinaus bestehende Beistandspflicht zwischen Eltern und Kindern besteht unter anderem darin, dass sich Kinder im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren um ihre alt gewordenen Eltern kümmern müssen, zB für sie einkaufen gehen, die Wäsche erledigen oder kochen, wenn auch einem Elternteil der Aufenthalt in einem Pflegeheim nicht jedenfalls erspart werden muss (vgl 2 Ob 79/05i mwN). Allein der Umstand, dass die Eltern in der Lage sind, jene Leistungen, die die eigenen Kindern im Rahmen der Beistandspflicht erbringen müssten, auch von dritter Seite zu erhalten, lässt die Beistandspflicht noch nicht entfallen. Damit steht aber die Tatsache, dass sich der Erblasser im Sommer 2010 für etwa zwei Wochen noch selbst versorgen konnte und er sich danach erfolgreich mit der Bitte um Hilfe an die Beklagte wandte, der Beurteilung nicht entgegen, dass der Kläger die ihn treffende Beistandspflicht gröblich vernachlässigte, hat er den Erblasser doch nicht einmal dabei unterstützt, sich eine Hilfe durch dritte Personen zu organisieren.

Soweit der Kläger meint, der Erblasser hätte ihn jederzeit um Hilfe bitten können, lässt er nicht nur außer Acht, dass vom Erblasser aufgrund der empfundenen tiefen Kränkung, aber auch der fortschreitenden Demenz nicht erwartet werden konnte, dass er sich von sich aus wieder auf den Kläger zugeht, sondern der Kläger selbst auch keinerlei Bereitschaft zum Beistand mehr zeigte und sich sogar dem Versuch der Kontaktaufnahme durch die Beklagte widersetzte.

2.5 Als sekundäre Mangelhaftigkeit rügt der Kläger zuletzt das Fehlen von Feststellungen darüber, wie sich das von Konflikten geprägte Zusammenleben des Klägers und seiner Lebensgefährtin mit dem Erblasser konkret gestaltet habe, vor allem dass der Erblasser aggressiv und gegenüber der Lebensgefährtin des Klägers sexuell übergriffig gewesen sei, er das Bett aus Protest bzw. Bosheit eingenässt und Lügen über den Kläger und dessen Lebensgefährtin verbreitet habe. Diese Feststellungen hätten zur Beurteilung führen müssen, dass weder dem Kläger noch seiner Lebensgefährtin eine weitere Pflege des Erblassers zumutbar gewesen sei. Dem Kläger habe es dieses Verhalten jedenfalls unzumutbar gemacht, seiner ihn grundsätzlich treffenden Beistandspflicht nachzukommen.

Feststellungen zu konkreten Konfliktfällen, insbesondere zu den behaupteten sexuellen Belästigungen, zum Einnässen des Bettes oder zum Verbreiten von Lügen, wie sie der Kläger vermisst, waren allerdings schon deshalb nicht erforderlich, weil es auf die vom Kläger in diesem Zusammenhang als relevant erachtete Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung der Pflege des Erblassers durch die Lebensgefährtin des Klägers nicht ankommt. Bereits das Erstgericht hat den Schwierigkeiten im Zusammenleben dadurch Rechnung getragen, dass es dem Kläger nicht vorwarf, er habe nicht mehr für eine Pflege des Erblassers durch seine Lebensgefährtin sorgen oder selbst keine Pflegeleistungen erbringen wollen, sondern ihm anlastete, dass er jegliche menschliche Anteilnahme am Schicksal seines betagten, kranken und pflegebedürftigen Vaters vermissen und ihn in einer misslichen Lage im Stich gelassen habe, indem er sämtliche Versorgungsleistungen eingestellt und sich auch nicht um Hilfe durch Dritte gekümmert und den Kontakt völlig abgebrochen habe, obwohl er die Hilfsbedürftigkeit des Erblassers genau gekannt habe.

Nicht von Relevanz ist aus den genannten Gründen auch die Frage, ob die Weigerung des Klägers, den Erblasser für 14 Tage allein in C* wohnen zu lassen, verständliche Gründe hatte, wie etwa die objektiv berechtigte Befürchtung, er könne in Abwesenheit des Klägers dessen persönliche Gegenstände an Fremde verschenken oder die Haustür nicht absperren, weil den Kläger nicht der Vorwurf trifft, er habe den Erblasser während des Urlaubs nicht weiter im Haus in C* wohnen lassen, sondern, wie bereits ausgeführt wurde, das Verwerfliche an seinem Vorgehen darin besteht, dass er den auf Hilfe angewiesenen Erblasser nicht nur gegen dessen Willen nach F* zurückbrachte, sondern ihn dort letztlich auf Dauer allein und ohne Hilfe zurückließ und den Kontakt gänzlich abbrach.

Der unberechtigten Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung war nicht zu beantworten.

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