Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache der A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. September 2025, GZ ** 7, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die bedingte Entlassung der A* gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 17. November 2025 angeordnet .
Gemäß § 48 Abs 1 StGB wird die Probezeit mit drei Jahren bestimmt.
Gemäß § 50 Abs 1 StGB wird für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.
Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 51 Abs 3 StGB wird A* aufgetragen, die bereits begonnene psychotherapeutische Behandlung fortzusetzen und dies dem Landesgericht für Strafsachen Wien alle drei Monate, erstmals sohin längstens bis 17. Februar 2026, schriftlich nachzuweisen.
Begründung:
Die am ** geborene armenische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit im Erstvollzug in der Justizanstalt Wien Simmering die mit den Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. Dezember 2024, rechtskräftig seit 3. Dezember 2024, AZ **, wegen §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall StGB (ON 6) und des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 9. Juli 2024, rechtskräftig seit 11. Dezember 2024, AZ **, in der Fassung des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. Dezember 2025, AZ 134 Bl 44/24z, wegen §§ 15, 127 StGB (ON 4 und ON 5) teilweise unbedingt verhängten Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von sechs Monaten.
Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 17. Jänner 2026, die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG liegen am 17. Oktober 2025 vor, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 17. November 2025 erfüllt sein (ON 2.3, 2).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Erstgericht die bedingte Entlassung der A* nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 und Z 2 StVG aus spezialpräventiven Gründen ab. Aufgrund des getrübten Vorlebens der Strafgefangenen, insbesondere der „fünf“ einschlägigen Vorverurteilungen, vor allem aber der Wirkungslosigkeit der bisher bedingten und „unbedingten“ Freiheitsstrafen sowie der Tatbegehung während laufenden Gerichtsverfahrens sei zu schließen, dass die Genannte durch die bedingte Entlassung weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten werde. Auch Maßnahmen im Sinne der §§ 50 bis 52 StGB seien nicht geeignet, der neuerlichen Begehung strafbarer Handlungen entgegenzuwirken.
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde der Strafgefangenen (ON 8), die argumentiert, dass sie sich erstmals in Strafhaft befinde, wodurch ihr das Unrecht ihrer strafbaren Handlungen nochmal deutlicher bewusst geworden sei, sodass sie alles daran setzen wolle, keine weiteren Straftaten zu begehen. Sie habe sich zwischenzeitig entschlossen, eine psychotherapeutische Behandlung zu beginnen, um jene Muster aufzuarbeiten, die zu den von ihr verübten Ladendiebstählen geführt hätten. Sie sei bereit, diese Behandlung fortsetzen und sich durch einen Bewährungshelfer betreuen zu lassen. Sie ersucht daher, ihr zumindest ein Drittel der aktuellen Haftstrafe zu erlassen.
Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten, der die Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach § 46 Abs 4 StGB ist insbesondere zu beachten, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw. ob negative Faktoren durch begleitete Maßnahmen ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung im Bezug auf künftige Straffreiheit voraus. Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose sind insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, das Vorleben und die Aussichten des Strafgefangenen auf ein redliches Fortkommen in die Erwägungen einzubeziehen ( Jerabek/Ropper in WK² StGB § 46 Rz 15/1).
Hat ein Verurteilter noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach § 46 Abs 1 StGB solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 46 Abs 2 StGB).
Die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe soll somit der Regelfall sein und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallsrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben ( Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 17).
Den vollzugsgegenständlichen Verurteilungen lagen wiederholte, zum Teil gewerbsmäßige Ladendiebstähle von hochpreisigen Waren in einem insgesamt EUR 5.000,00 nicht übersteigenden Wert, somit keine Straftaten von solcher Schwere zugrunde, die ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedürfen, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, sodass das Erstgericht zu Recht nur spezialpräventive Erwägungen anstellte.
Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass die Strafgefangene neben den Anlassverurteilungen vier weitere einschlägige Vorstrafen aufweist (ON 3). Erstmals wurde sie vom Bezirksgericht Josefstadt mit Urteil vom 11. Juli 2013, rechtskräftig seit 15. Juli 2013, zu AZ ** wegen §§ 15, 127 StGB zu einer gänzlich bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen verurteilt, die am 24. Jänner 2019 endgültig nachgesehen wurde. Darauf folgte eine Verurteilung vom Bezirksgericht Innere Stadt mit Urteil vom 14. Jänner 2014, rechtskräftig seit 17. Jänner 2014, AZ **, wegen §§ 15, 127 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe in der Höhe von 120 Tagessätzen á EUR 4,
Entgegen der Annahme des Erstgerichts (ON 7, 3) hat die Beschwerdeführerin somit abgesehen von den nunmehr in Vollzug stehenden Verurteilungen noch keine unbedingten Freiheitsstrafen verbüßt und verspürt somit erstmals das Haftübel. Wenn daher einer bedingten Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt angesichts der Vorstrafenbelastung jedenfalls individuell-prohibitive Erwägungen entgegenstehen, ist anzunehmen, dass der bis zum Zwei-Drittel-Stichtag vier Monate währende Freiheitsentzug einen entsprechenden Eindruck bei der Strafgefangenen hinterlassen hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin eine tadellose Führung im elektronisch überwachten Hausarrest aufweist und die mit ihr getroffenen Vereinbarungen in jeglicher Hinsicht einhält, sodass auch die Anstaltsleitung einer bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs 1 iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG nicht entgegentrat (ON 2.1). Im Hinblick darauf, dass die Strafgefangene sowohl über eine Wohnung als auch einen Arbeitsplatz verfügt, ist im Falle einer bedingten Entlassung auch ein hinreichend sozialer Empfangsraum gegeben.
Zutreffend ist zwar, dass sie wiederholt in den Genuss der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht kam, allerdings stets ohne die flankierende Maßnahme der Bewährungshilfe (siehe ON 3). Besonders positiv ins Kalkül zu ziehen ist, dass sich die Beschwerdeführerin nunmehr selbständig in psychotherapeutische Behandlung begeben hat (siehe der ON 8 beigelegte Bestätigung), und damit ihre Bereitschaft zeigt, an den Ursachen der von ihr verübten Ladendiebstähle und damit an einer deliktsfreien Zukunft zu arbeiten.
Bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten Umstände ist daher zu erwarten, dass sich eine bedingte Entlassung der Beschwerdeführerin zum Zwei-Drittel-Stichtag angesichts des drohenden Widerrufs sowie jenem zur Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. Dezember 2024, AZ **, im Falle neuerlicher Delinquenz im Ergebnis als nicht weniger wirksam erweist als der restlose Vollzug von weiteren zwei Monaten Freiheitsstrafe. Die gegen eine bedingte Entlassung sprechenden negative Faktoren können hinreichend durch die aus dem Spruch ersichtlichen Maßnahmen ausgeglichen werden.
Der Beschwerde war sohin Folge zu geben und die bedingte Entlassung der Strafgefangenen nach § 46 Abs 1 iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG anzuordnen. Durch die Anordnung von Bewährungshilfe und die Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung, die aufgrund der einschlägigen Vorstrafen notwendig und zweckmäßig sind, sollte sichergestellt werden, dass die Strafgefangene nach ihrer bedingten Entlassung nicht in alte Verhaltensmuster zurückfällt und weiterhin Maßnahmen unterliegt, die eine positive Verhaltenssteuerung bewirken.
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