Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über dessen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 5. März 2025, GZ **-16.5, nach der am 2. Oktober 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder, in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener, des Angeklagten A* und seiner Verteidigerin Mag. Lena Noe-Nordberg durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld nicht Folge gegeben.
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Urteil aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10a StPO aufgehoben und dem Erstgericht ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO aufgetragen.
Mit seiner weiteren Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 147 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten sowie gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 16.000,00 Euro binnen 14 Tagen zur ungeteilten Hand mit B* an die Privatbeteiligte C* GmbH, die mit ihren weiteren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde, verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er im Zeitraum zwischen 28. August 2023 und 20. September 2023 in **, ** und anderen Orten Österreichs mit dem Vorsatz, die D* GmbH bzw. B* durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der C* GmbH durch die Vorspiegelung der Fähigkeit der D* GmbH zur Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrags in monatlichen Teilbeträgen von 2.000,00 Euro ab November 2023 sowie durch Vorspiegelung, die D* GmbH betreibe neben dem E*-Café in **, und dem Café in **, auch weitere Betriebsstandorte in **, in **, und in **, welche ebenfalls Kaffee von der C* GmbH beziehen würden, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Gewährung und Auszahlung eines Darlehens in Höhe von 20.000,00 Euro an die D* GmbH verleitet, die die C* GmbH im Betrag von 16.000,00 Euro am Vermögen schädigte, da von der D*-GmbH in der Folge lediglich zwei Raten à 2.000,00 Euro zurückgezahlt wurden, wobei er den Betrug mit einem 5.000,00 Euro übersteigenden Schaden beging.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht das mehrfache Überschreiten der Wertqualifikation als erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd.
Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Urteilsverkündung mit vollem Anfechtungsziel angemeldete (ON 16.4, 74), in der Folge wegen Schuld und Strafe ausgeführte Berufung des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Da der Angeklagte – der die angemeldete Berufung wegen Nichtigkeit nicht zurückgezogen hat - weder bei der Anmeldung noch innerhalb offener Rechtsmittelfrist (§ 467 Abs 1 StPO) ausdrücklich erklärte, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert findet und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will, ist auf die Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe gemäß § 467 Abs 2 iVm § 489 Abs 1 StPO keine Rücksicht zu nehmen.
Zur Berufung wegen Schuld ist vorweg festzuhalten, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (SSt 39/41; Mayerhofer , StPO 6 § 258 E 30f; Kirchbacher , StPO 15 § 258 Rz 8). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Selbst der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).
Ausgehend von diesen Erwägungen kommt der Schuldberufung keine Berechtigung zu. Die Einzelrichterin hat nach Einbeziehung des von dem in der Hauptverhandlung vernommenen Angeklagten gewonnenen persönlichen Eindrucks und unter Würdigung aller wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens, insbesondere der Angaben der Zeugen F* G* und H* G* sowie der vorliegenden Urkunden und schriftlichen Korrespondenz, nachvollziehbar dargelegt, wie sie zu ihren, für den Schuldspruch maßgeblichen Feststellungen, insbesondere betreffend die Vorspiegelung der Fähigkeit der D* GmbH zur Rückzahlung des gesamten Darlehensbetrags in monatlichen Teilbeträgen von 2.000,00 Euro ab November 2023 sowie betreffend die Vorspiegelung, die D* GmbH habe neben den beiden Betrieben in ** und ** zusätzlich drei weitere Betriebsstandorte in **, ** und **, welche ebenfalls Kaffee von der C* GmbH beziehen würden, in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht gelangte. Dabei verwarf sie die leugnende Verantwortung des Angeklagten und leitete die subjektive Tatseite mängelfrei aus der objektiven Vorgehensweise, insbesondere der Handlungsweise des Angeklagten und der schlechten finanziellen Lage der D* GmbH, ab. Sie legte auch ausführlich begründet dar, weshalb sie das vom Angeklagten vorgebrachte Argument der Unvorhersehbarkeit der mangelnden Rückzahlungsfähigkeit der D* GmbH als Schutzbehauptung verwarf (US 12).
Der Angeklagte, der die Feststellungen zur subjektiven Tatseite bekämpft, vermag mit seinem Vorbringen die ausführliche erstgerichtliche Beweiswürdigung nicht zu erschüttern.
Er bringt vor, dass es zwar richtig sei, dass er durch die Formulierung seines E-Mails vom 28. August 2023
an F* G* den Eindruck vermittelt haben könnte, die D* GmbH habe bereits eine gesicherte Rechtsposition auf den künftigen Betrieb der drei weiteren Gastronomielokale und dass dieser Umstand für die später Geschädigten auch ausschlaggebend für die Darlehensgewährung gewesen sei, gesicherte Rückschlüsse auf den (auch nur bedingten) Schädigungsvorsatz des Angeklagten seien daraus aber entgegen der Beweiswürdigung des Erstgerichts trotzdem nicht zu ziehen. Aus seiner Sicht würde diesfalls auch sein nachfolgendes Verhalten keinen Sinn ergeben, hätte er nämlich bereits zu den beiden Tatzeitpunkten Betrugsvorsatz gehabt, hätte er wohl kaum immerhin zwei Raten zu je 2.000,00 Euro zurückgezahlt. Das Erstgericht habe sich auch bei weitem nicht ausreichend mit der Rolle des Zeugen I*, auf dessen langjährige Expertise und finanzielle Unterstützung sich der Angeklagte verlassen habe, auseinandergesetzt.
Dem ist zu entgegnen, dass die Erstrichterin in einer umfassenden Beweiswürdigung (US 7 bis 15) detailliert die einzelnen Verfahrensergebnisse erörtert hat. Dabei legte sie auch nachvollziehbar dar, weshalb der Angeklagte damit gerechnet habe, dass die D* GmbH nicht rückzahlungsfähig gewesen sei und sohin auch diesbezüglich über Tatsachen täuschen habe wollen (US 14 f). Dass es in weiterer Folge zur Zahlung von zwei Raten á 2.000,-- Euro durch die D* GmbH gekommen ist, vermag an diesen Erwägungen nichts zu ändern. Zu berücksichtigen ist dabei nämlich insbesondere der Umstand, dass der Betrieb von fünf Lokalen überhaupt Voraussetzung für das Eingehen einer Geschäftsverbindung durch die C* GmbH war, weil diese primär am Abschluss der auf fünf Lokale ausgelegten Kaffeebezugsvereinbarung interessiert war (US 13).
Mit den Angaben des Zeugen I* hat sich die Erstrichterin im Rahmen der gebotenen gedrängten Darstellung ebenfalls auseinandergesetzt und ist in nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss gelangt, dass dessen Aussage nichts an der Tatsache ändere, dass der Angeklagte darüber getäuscht habe, dass die D* GmbH bereits fünf Lokale übernommen habe (US 13). Der Berufungswerber legt nicht dar, welche konkreten Angaben des Zeugen I* (ON 7.2; ON 16.4, 67 ff) seine eigene Darstellung bestätigt hätten. Der Zeuge gab bereits anlässlich seiner polizeilichen Einvernahme an, dass eine konkrete Planung nicht vorgelegen sei (ON 7.2, 4) und schilderte in der Hauptverhandlung dem Berufungsvorbringen zuwider ebenfalls keine konkreten Betriebsübernahmepläne, sondern lediglich Besichtigungen und Interessentengespräche, wobei der Betrieb im ersten Bezirk nicht fertig geworden sei, das Lokal in ** von einem anderen Interessenten übernommen worden sei und sich der Betrieb in ** sogleich nach dem Gespräch mit dem Hausherrn zerschlagen habe. Der konkret geplante Betrieb einer gemeinsamen Firma samt Finanzierungszusage lässt sich seiner Aussage ( „Ich hätte mir mit dem A* irgendwas ausgemacht, was auch immer.“, Vielleicht hätten wir eine neue Firma gegründet, wie auch immer“ [ON 16.4, 68]) nicht entnehmen. Er gab an, bereit gewesen zu sein, Kautionen (aber keine Ablösen) und allfällige kleine Renovierungsarbeiten, wie Ausmalen, zu finanzieren. Daraus kann aber kein Vertrauen des Angeklagten auf die erforderliche finanzielle Unterstützung für die Übernahme mehrerer Lokale abgeleitet werden.
Dass sich die drei Projekte erst nach dem 20. September 2023 zerschlagen hätten, lässt sich der Aussage des Zeugen I* ebenfalls nicht entnehmen. Dieser gab nämlich an, dass die Besichtigungen ungefähr im August/September 2023 stattgefunden haben (ON 16.4, 69), wobei die Lokale lediglich besichtigt wurden und teilweise sogleich die Unmöglichkeit der Übernahme feststand. Die vom Angeklagten behauptete Überzeugung von der Umsetzung der Projekte spätestens im Laufe des November 2023 (nach Vereinbarung und Zuzählung des Darlehens) kann daraus nicht abgeleitet werden.
Insgesamt hat der Angeklagte in seiner Berufungsausführung im Wesentlichen seine Verantwortung wie in erster Instanz aufrecht erhalten und nichts vorgebracht, was geeignet wäre, die erstrichterliche Beweiswürdigung sowie die darauf gegründeten Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht zu erschüttern.
Das Berufungsgericht hegt bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage, weil das Erstgericht, das sich einen unmittelbaren und gründlichen Eindruck sämtlicher in das Tatgeschehen involvierter Personen machte, nach einem umfangreichen Beweisverfahren und Würdigung aller relevanten Verfahrensergebnisse mit logisch nachvollziehbarer Begründung dargetan hat, warum es davon ausging, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen hat. Indem der Angeklagte den in den Urteilsannahmen hinreichend begründeten und lebensnahen Schlussfolgerungen des Erstgerichts bloß abstrakt mögliche, für ihn günstigere Schlussfolgerungen entgegenhält, die er im Wesentlichen lediglich auf seine Verantwortung unter Ausblendung der übrigen Beweisergebnisse stützt, zeigt er keine im Rahmen der Schuldberufung aufzugreifenden Mängel der erstgerichtlichen Beweiswürdigung auf. Das Erstgericht legte hingegen schlüssig dar, aus welchen Erwägungen es der leugnenden Verantwortung des Angeklagten keinen Glauben schenkte, sondern den Depositionen der Belastungszeugen folgte.
Das Rechtsmittelgericht überzeugte sich jedoch davon, dass dem Urteil Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10a StPO anhaftet (§ 489 Abs 1 StPO iVm §§ 471, 290 Abs 1 StPO).
Nach §§ 198 Abs 1, 199 StPO hat das Gericht das Verfahren bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen, wenn aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf 1. die Zahlung eines Geldbetrages (§ 200 StPO) oder 2. die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 201) oder 3. die Bestimmung einer Probezeit, in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten (§ 203), oder 4. einen Tatausgleich (§ 204) nicht geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Ein solches Vorgehen ist nach § 198 Abs 2 Z 2 StPO jedoch nur dann zulässig, wenn die Schuld des Angeklagten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre. Eine weitere Grundvoraussetzung für eine diversionelle Erledigung ist eine gewisse (wenn auch nicht unbedingt einem Geständnis zum Anklagevorwurf entsprechende) Unrechtseinsicht oder eine partielle (etwa auf die Mitveranlassung der Tat durch einen Kontrahenten verweisende) Übernahme der Verantwortung für das Bewirken der eine strafrechtliche Haftung begründenden Tatsachen ( Schroll/Kert , WK-StPO § 198 Rz 36/1 ff).
Diese Voraussetzungen liegen gegenständlich vor. Der Sachverhalt ist hinreichend geklärt und es liegt eine (noch) ausreichende Verantwortungsübernahme des Angeklagten, der in der Berufungsverhandlung angab, naiv gewesen zu sein und eine diversionelle Maßnahme befürwortete, vor. Im Hinblick auf den bisher ordentlichen Lebenswandel des im Jahr ** geborenen Angeklagten (vgl dazu RIS-Justiz RS0091502) und den eingetretenen Schaden in Höhe von 16.000,-- Euro liegt auch keine schwere Schuld (vgl Kirchbacher , StPO 15 § 198 Rz 5) vor, auch generalpräventive Erfordernisse stehen einem Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO nicht entgegen. Die Vertreterin der Oberstaatsanwaltschaft erhob keinen Einwand gegen ein diversionelles Vorgehen.
Aus Anlass der Berufung (§ 281 Abs 1 Z 10a StPO) ist daher das angefochtene Urteil zur Gänze (somit auch im Privatbeteiligtenzuspruch) aufzuheben und das Verfahren an das Erstgericht zu einem Vorgehen nach dem 11. Hauptstück zurückzuweisen, wobei eine auch die Interessen der Geschädigten wahrende spürbare Reaktion angebracht erscheint, um der Öffentlichkeit ein entsprechendes Signal der Rechtsbewährung zu vermitteln.
Mit seiner Berufung wegen Strafe ist der Angeklagte auf die Kassation zu verweisen.
Ein Kostenausspruch nach § 390a StPO hatte zufolge Aufhebung des Urteils zu unterbleiben ( Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).
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