31Bs79/25g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* und weitere Angeklagte wegen § 3g Abs 1 VerbotsG und weiterer strafbarer Handlungen über I. die Berufungen des Angeklagten B* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 27. September 2024, GZ **–168.2 sowie II. dessen Beschwerde gegen den gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss, nach der unter dem Vorsitz des Richters Mag. Weber LL.M., im Beisein des Richter Mag. Spreitzer LL.M. und der Richterin Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwaltes Mag. Patrick Hinterleitner, des Angeklagten B* sowie seines Verteidigers Mag. Jürgen Augstein durchgeführten Berufungsverhandlung am 22. September 2025
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
II. den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden – auch unbekämpfte Verfalls- und Konfiskationsaussprüche sowie einen unbekämpften Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden - Urteil wurde – soweit im Verfahren über die von B* erhobenen Rechtsmittel relevant - der am ** geborene österreichische Staatsbürger B* des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG (I/A/2/a/) und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (I/A/2/b/) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 3g Abs 1 VerbotsG unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.
Mit gleichzeitig gefasstem Beschluss wurde gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO die hinsichtlich B* mit Urteil des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 22. Dezember 2022 zu AZ ** gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruches I/A/2/ (soweit hier von Interesse) hat B*
a) sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, und zwar am 23. November 2019 an einem nicht mehr feststellbaren Ort innerhalb des Landesgerichtssprengels Ried im Innkreis, indem er via Handy-Chatprogramm „WhatsApp“ an A* eine Bild/Text-Kombination zeigend Adolf Hitler mit dem Text „KUCK KUCK“ versandte, womit die Person Adolf Hitlers glorifiziert wird,
b) am 1. September 2023 in ** auf der Treppe zur Toilette der Weinhalle im Messegelände, C* von hinten attackiert und diesem einen starken Schlag auf den Hinterkopf und danach mehrere Faustschläge gegen den Kopf und ins Gesicht versetzt, wodurch C* den linken oberen Schneidezahn verlor, einen Schaden am danebenliegenden Zahn und eine Rissquetschwunde an der Oberlippe, sohin eine an sich schwere Verletzung am Körper erlitt.
Bei der Strafbemessung wertete das Kollegialgericht als erschwerend „die zwei, teils einschlägigen Vorstrafen“, den raschen Rückfall innerhalb offener Probezeit und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen. Als mildernd wurden hingegen das teilweise Geständnis und die lange Verfahrensdauer, und zwar im Ausmaß von drei Monaten, berücksichtigt.
Nach Zurückweisung der vom Angeklagten B* erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. Februar 2025, GZ 11 Os 151/24a-4, ist nunmehr über dessen rechtzeitig (ON 170) angemeldete und zu ON 183 ausgeführte Berufung und Beschwerde zu entscheiden, mit der er eine Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe anstrebt sowie in Stattgebung der Beschwerde beantragt, die vom Bezirksgerichts Ried im Innkreis mit Urteil vom 22. Dezember 2022 zu AZ ** gewährte bedingte Strafnachsicht nicht zu widerrufen.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Zunächst sind die vom Erstgericht angenommenen Erschwerungsgründe dahingehend zu korrigieren, dass nur einschlägige Vorstrafen erschwerend gewertet werden können (vgl RIS-Justiz RS0091561, RS0091747 und RS0116878). Beim Angeklagten B* war demnach nur die vom Bezirksgericht Ried im Innkreis zu AZ ** wegen § 83 Abs 1 StGB ergangene Verurteilung als erschwerend zu berücksichtigen.
Weiters hat der Milderungsgrund des „teilweisen Geständnisses“ zu entfallen, weil ein Geständnis nur dann mildernd berücksichtigt werden kann, wenn dieses reumütig erfolgt, also die innere Umkehr des Täters erkennen lässt (vgl RIS-Justiz RS0091460 [insb T4 und T6] und Riffel in Höpfel/Ratz, WK 2 StGB § 34 Rz 38). Eine solche war bei der Befragung des Angeklagten B* (vgl ON 153, 20 ff) in der Hauptverhandlung nicht ersichtlich.
Zusätzlich als mildernd zu berücksichtigende Umstände aufzuzeigen war der Angeklagte B* nicht in der Lage.
Die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer wurde vom Erstgericht ohnehin ausdrücklich als mildernd im Ausmaß von drei Monaten berücksichtigt. Die Reduktion der Strafe in dieser Dauer ist angesichts der Komplexität und des Umfangs des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Verfahrensverzögerungen nach Anklageerhebung (vgl ON 135.1, 15 ff) jedenfalls ausreichend. Der Einwand der „erschwerten Bedingungen“ der Untersuchungshaft verfängt nicht, da sich der Haftort der Untersuchungshaft gemäß § 183 StPO nach dem Ort des zuständigen Landesgerichtes richtet und in Untersuchungshaft angehaltene (hier:) Angeklagte sich bereit erklären müssen zu arbeiten und eine Arbeitserlaubnis verweigert werden kann, wenn Nachteile für das Strafverfahren zu befürchten sind (§ 187 StPO). Da schon eine entsprechende Bereitschaftserklärung des Angeklagten nicht aktenkundig ist, ist in diesem Zusammenhang die Verweigerung der Arbeitserlaubnis unerheblich (vgl ON 10.22).
Trotz der zum Vor- und Nachteil des Angeklagten B* geänderten Strafzumessungslage und unter Berücksichtigung allgemeiner Strafzumessungserwägungen im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 StGB erweist sich bei dem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe die vom Erstgericht im Ausmaß von 18 Monaten verhängte Sanktion als schuld- und tatangemessen sowie dem sozialen Störwert, der Rechtsgutbeeinträchtigungen und generalpräventiven Aspekten entsprechend und damit nicht korrekturbedürftig.
Aufgrund der zur schweren Körperverletzung einschlägigen Vorstrafe und des raschen Rückfalls in einschlägige Delinquenz konnte - auch im Hinblick auf das bereits anlässlich der ersten Verurteilung verspürte Haftübel – schon aus spezialpräventiven Erwägungen nicht einmal ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen werden. Vielmehr bedarf es des Vollzugs der gesamten Strafe, um dem Angeklagten B* das Unrecht seiner Taten eindrücklich vor Augen zu führen und ihn künftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.
Zur Beschwerde :
Angesichts dieser Erwägungen war auch die mit Urteil des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 22. Dezember 2022, rechtskräftig seit 28. Dezember 2022, zu AZ **, gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen, um den Angeklagten B* künftig zu einem rechtstreuen Lebenswandel anzuhalten.
Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.