JudikaturOLG Wien

30Bs232/25z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des Genannten in einem forensisch therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 27. Jänner 2025, GZ ** 59.4, sowie dessen gemäß § 498 Abs 3 StPO ergriffene Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO gefassten Beschluss nach der am 22. September 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Hahn, im Beisein der Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Wohlmuth LL.M. sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Springer durchgeführten Berufungsverhandlung

Spruch

I./ zu Recht erkannt:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des weiteren Rechtsmittelverfahrens zur Last;

II./ den

Beschluss

gefasst:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen auch einen bereits in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene A* jeweils eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 (erster Halbsatz dritter Fall) StGB sowie der schweren Körperverletzung nach (zu ergänzen: § 83 Abs 1,) § 84 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Gemäß § 21 Abs 2 StGB ordnete das Erstgericht die Unterbringung des A* in einem forensisch therapeutischen Zentrum an.

Gleichzeitig fasste das Erstgericht gemäß (richtig) § 54 Abs 1 und Abs 2 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluss, vom Widerruf der A* mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. Jänner 2024, AZ **, gewährten bedingten Entlassung abzusehen und verlängerte gemäß § 54 Abs 2 StGB iVm § 494a Abs 6 StPO die Probezeit auf zehn Jahre.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in **

I./ am 4. September 2024 B* vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihm einen Schlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser eine Schwellung des linken Auges erlitt;

II./ am 6. September 2024

A./ den Polizeibeamten C* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Durchsetzung eines Annäherungs und Betretungsverbots, zu hindern versucht, indem er mit seinen Armen wild in dessen Richtung schlug, ihm seine Sonnenbrille aus dem Gesicht schlug und ihn mit einem Tritt in Richtung des Schrittbereichs attackierte, wodurch er mit seinem rechten Knie gegen den linken Unterarm des Genannten stieß (US 4 f), wobei er nach kurzer Flucht von C* eingeholt und mittels verbaler Ansprache angehalten werden konnte;

B./ im Zuge der zu (richtig) II./A./ geschilderten Tat einen Beamten während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten vorsätzlich am Körper verletzt (§ 83 Abs 1 StGB), wodurch dieser eine Prellung des linken Unterarms erlitt.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die einschlägige Vorstrafenbelastung, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und den raschen Rückfall (nach der bedingten Entlassung), mildernd das teilweise reumütige Geständnis und den Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb. Ausgehend von den solcherart gegeneinander abgewogenen Strafzumessungstatsachen erachtete es die geschöpfte Unrechtsfolge für schuld sowie tatangemessen und deren Vollzug aufgrund neuerlicher Tatbegehung nach mehrjähriger Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB und der einschlägigen Vorstrafenbelastung für erforderlich.

Wegen der unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung begangenen Taten und der mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegenden Befürchtung, dass er sonst in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss dieser Störung mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, insbesondere schwere Körperverletzungen, auch nach § 84 Abs 4 StGB, begehen werde, sah es die Unterbringung in einem forensisch therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 2 StGB für erforderlich an. Ein vorläufiges Absehen vom Vollzug der Maßnahme wäre aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen gewesen.

Vom Widerruf bedingter Entlassung hätte aufgrund der nunmehr anders zu beurteilenden psychischen Störungen abgesehen werden können; die Probezeit hätte jedoch verlängert werden müssen.

Nach der mit Beschluss vom 24. Juli 2025, GZ 14 Os 63/25h 5, erfolgten Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Obersten Gerichtshof liegt nunmehr die Berufung des A*, mit der er die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht als auch jene der Anordnung der Unterbringung (gemeint wohl: das vorläufige Absehen im Sinne des § 157a StVG) begehrt (ON 68), zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Zu Unrecht kritisiert der Berufungswerber die aggravierende Wertung des raschen Rückfalls, der sich auf die Verübung einer einschlägigen Straftat in einem Zeitraum von zirka einem halben Jahr nach Verbüßung einer Vorstrafe bezieht (vgl RIS Justiz RS0091386), und die im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen gleichzeitig erfolgte Berücksichtigung der Tatbegehung während offener hier: fünfjähriger Probezeit schon allein aufgrund des unterschiedlichen Beurteilungszeitraums. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass der rasche Rückfall auch neben einschlägigen Vorstrafen als erschwerend herangezogen werden kann (Riffel in WK 2 § 33 Rz 11).

Da es sich bei dem vom Angeklagten attackierten Insp C* um keinen Anstifter, Vorgesetzten oder Dienstgeber handelt (vgl RIS Justiz RS0091562; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 34 Rz 9), liegt der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 4 StGB nicht vor.

Für die Annahme eines abnormen Geisteszustands oder schwachen Verstands, die für eine Tatbegehung unter Umständen sprechen, die einem Schuldausschließungs oder Rechtfertigungsgrund nahekommen (§ 34 Abs 1 Z 11 [iVm Z 1] StGB), ergeben sich schon aus dem Gutachten von Dr. D* keine Anhaltspunkte (vgl ON 32.2, 72; ON 59.3, 28). Dies lässt sich auch mit der Aussage von Insp C* in Einklang bringen, der den Verwirrtheitszustand des Angeklagten auf eine Suchtgiftbeeinträchtigung zurückführte (vgl ON 59.3, 18), was aber fallbezogen weder nach obzitierter Gesetzesstelle noch mit Blick auf § 35 StGB mildernd zu berücksichtigen ist (vgl RIS Justiz RS0091056).

Bei Abwägung der zutreffend dargestellten Strafzumessungslage entspricht die über A* bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe verhängte Unrechtsfolge angesichts des auch einschlägig getrübten Vorlebens durchaus dem Schuld und Unrechtsgehalt sowie dem sozialen Störwert der Taten. Für eine Herabsetzung des Strafmaßes bietet weder das Berufungsvorbringen noch der Akteninhalt begründeten Anlass.

Angesichts der Wirkungslosigkeit auch zuletzt wieder ausgesprochener bedingter Strafnachsicht als auch angeordneter Bewährungshilfe bedarf es des Vollzugs der gesamten über den Angeklagten verhängten Unrechtsfolge, um künftig deliktsabhaltend zu wirken. Weshalb eine Wohnungszusage beim Verein WOBES, die Zusage einer stationären „Drogenentzugsbehandlung“ beim Verein Grüner Kreis und die Erklärung des Vereins Neustart zu einer deutlich kürzeren als auch bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe führen sollen, vermag der Berufungswerber nicht schlüssig darzustellen.

Gegenstand der Berufung ist in Ansehung der angeordneten Unterbringung in einem forensisch therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 2 StGB (ausschließlich) die Gefährlichkeitsprognose (Kirchbacher, StPO 15 Vor §§ 429 434g Rz 24).

Mit Blick auf das schlüssige Gutachten von Dr. D* (ON 32.2, aufrechterhalten in der Hauptverhandlung siehe ON 59.3, 24 ff), wonach mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass A* in absehbarer Zukunft, nämlich innerhalb von Monaten, unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, aufgrund impulsiven, aggressiven, unkontrollierbaren Verhaltens, leichter Reizbarkeit und mangelnder Selbstbeherrschung, Taten wie die begangenen, diesen äquivalente Taten, auch mit Strafe bedrohte Taten mit schweren Folgen wie schwere Körperverletzungen und gefährliche Drohungen mit deren Umsetzung begehen werde. Insbesondere werden wegen der aufgrund der Störung zu erwartenden explosiven Verhaltensweisen und Impulsdurchbrüchen (vgl ON 59.3, 31) auch schwere Körperverletzungen beispielsweise im Falle eines Angriffs gegen eine zierliche Frau befürchtet (ON 59.3, 35). Insoweit der Berufungswerber disloziert im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde (vgl ON 68.2, 18 f) eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme der Prognosetaten vermisst, ist er auf die unmissverständlichen Erwägungen des Erstgerichts (US 6, 9, 13 f) zu verweisen. Die Berufung vermag somit keine Umstände aufzuzeigen, die für einen Verzicht auf eine Einweisung in ein solches Zentrum sprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Der Verlängerung der Probezeit stehen zur weiteren Überwachung des Gesundheitszustands des Betroffenen über einen längeren Zeitraum keine Bedenken entgegen, sodass der implizit erhobenen Beschwerde nach § 498 Abs 3 StPO ebenso nicht Folge zu geben war.

Bleibt noch anzumerken, dass eine analoge Anwendung des § 265 StPO auf die bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung vebundenen vorbeugenden Maßnahme nicht in Betracht kommt (RIS Justiz RS0091867). Ein vorläufiges Absehen vom Vollzug der Maßnahme war aufgrund der unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe nicht möglich (§ 157a Abs 1 letzter Satz StVG) und kommt eine bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wiederum aufgrund der in § 24 Abs 1 erster Satz StGB bestimmten Reihenfolge des Vollzugs nicht in Betracht.

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