31Bs236/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 30. Juli 2025, GZ **-11, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehobenund gemäß § 133a StVG wegen Aufenthaltsverbotes ab 21. Oktober 2025 vom Strafvollzug vorläufig abgesehen .
Text
Begründung:
Der am ** geborene slowakische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Jusitzanstalt Sonnberg eine wegen §§ 241e Abs 1 erster Fall; 148a Abs 1 und Abs 3; 231; 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15; 229 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit urteilsmäßigem Strafende am 21. Oktober 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung (ebenso zu berechnen wie jene für eine Anwendung des § 133a StVG, siehe Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2StVG § 133a Rz 16) nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden am 21. Oktober 2025 vorliegen, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 21. Feber 2026 (ON 2).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Korneuburg als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag des Strafgefangenen, gemäß § 133a StVG vom weiteren Vollzug der über ihn verhängten Freiheitsstrafen wegen Vorliegens eines Aufenthaltsverbotes vorläufig abzusehen (ON 4), aus generalpräventiven Gründen ab. Der Beschluss wurde am 1. August 2025 zugestellt.
Rechtliche Beurteilung
Am 20. August 2025 langte eine als „Berüfung gegen Urteil **“ bezeichnete, mit „12.8.25“ datierte Eingabe des Strafgefangenen beim Erstgericht ein (ON 12), die als Beschwerde gegen den genannten Beschluss anzusehen ist. Die vierzehntägige Beschwerdefrist lief am 15. August 2025 ab. Es kann nicht festgestellt werden, wann der Strafgefangene die Beschwerde an einen Justizwachebeamten zur Weiterleitung übergab, da sie im Fristenbuch der Abteilung nicht aufscheint (siehe Aktenvermerk vom 27. August 2025). Im Zweifel ist das Rechtsmittel im konkreten Fall als rechtzeitig anzusehen (siehe dazu auch Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 284 Rz 2).
Nach § 133a Abs 1 StVG ist, wenn ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn gegen ihn ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen, zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2) und der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3).
Da gegen den Verurteilten ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren besteht (ON 8, 1), er sich bereit erklärt hat, Österreich umgehend zu verlassen (ON 4), keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde und einer Ausreise weder rechtliche noch tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, liegen die formalen Voraussetzungen des § 133a Abs 1 StVG vor.
Darüber hinaus ist aber gemäß § 133a Abs 2 StVG vor Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Die vom Erstgericht dazu angestellten Erwägungen sind im Rahmen dieser Prüfung generalpräventiver Bedenken größtenteils nicht zu berücksichtigen. Denn dazu wäre es erforderlich, dass diese Bedenken aus der Schwere der Tat abzuleiten sind (siehe Pieber aaO § 133a Rz 18). Die Tatsache, dass es sich um einen Rückfallstäter handelt (zu den ausschließlich slowakischen Vorstrafen siehe ON 5 und 10) und dass die Taten sechs Monate nach Haftentlassung gesetzt wurden, betrifft – hier nicht zu prüfende – spezialpräventive Belange.
Nur wenn die Umstände der dem Urteil zugrundeliegenden Taten besonders gravierend wären, stünden generalpräventive Erwägungen einem Vorgehen nach § 133a StVG entgegen. Im konkreten Fall liegen dem Strafgefangenen im Wesentlichen fünf Einkäufe mit widerrechtlich erlangten Debitkarten („Bankomatkarten“) mit einem Gesamtschaden von rund 100 Euro und gewerbsmäßiger Diebstahl in rund zehn Angriffen mit einem Gesamtschaden von rund 2.500 Euro zur Last (ON 6.1). Ein auffallend hoher Schweregrad, der den weiteren Vollzug unumgänglich erscheinen ließe, ist aus diesen Taten noch nicht abzuleiten.
Nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe findet eine Verweigerung der Maßnahme nach § 133a StVG aus rein spezialpräventiven Gründen (Vorstrafen, Lebenswandel, Einstellung gegenüber den Rechtsgütern, Charakterdefizit usw) im Gesetz aber keine Deckung. Die Verbüßung der Hälfte einer solchen Strafe, die seinerzeit bereits unter Berücksichtigung der Spezialprävention bemessen worden ist, und die Ausreiseprognose, verbunden mit der Androhung des sofortigen Strafvollzugs für den Fall der Missachtung der Ausreiseverpflichtung oder der neuerlichen Einreise, tragen nach der ratio legis bereits dem spezialpräventiven Vollzugszweck Rechnung (erneut Pieber aaO § 133a Rz 19).
Daher stehen einem Vorgehen nach § 133a StVG insgesamt keine Bedenken entgegen.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.