6R260/25m – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richter Dr. Pscheidl und MMag. Klaus im Konkurs über das Vermögen des A* , ZVR-Zahl **, **, Masseverwalter Dr. B*, Rechtsanwalt in Amstetten, über den Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 3.7.2025, **-2, in nichtöffentlicher Sitzung den
B eschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Verein A* ( Schuldner ) ist seit 5.9.2017 im Vereinsregister eingetragen. Jeweils allein vertretungsbefugt sind der Präsident C* und der Vizepräsident D*.
Am 20.3.2025 beantragte E* ( Antragsteller ) zu ** die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, der ihm auf Grund des vollstreckbaren Versäumungsurteils des Landesgerichts St. Pölten als Arbeit- und Sozialgericht zu ** vom 12.1.2021 EUR 14.933,90 samt Anhang sowie im Antrag näher aufgeschlüsselte, gerichtlich bestimmte Exekutionskosten schulde. Die Zahlungsunfähigkeit ergebe sich daraus, dass der Schuldner trotz der gegen ihn geführten Exekutionsverfahren seine Zahlungen eingestellt habe.
Abfragen des Erstgerichts vom 25.3.2025 nach offenen Exekutionsverfahren und im Grundbuch verliefen negativ.
Mit Beschluss vom 27.3.2025 forderte das Erstgericht den Schuldner zur Übermittlung eines ausgefüllten Vermögensverzeichnisses bis zum 19.5.2025 sowie von Belegen über Vollzahlung, Exekutionseinstellung oder Ratenvereinbarungen hinsichtlich des Antragstellers, des Finanzamtes und der Österreichischen Gesundheitskasse ( ÖGK ) auf. Die Entscheidung über die Konkurseröffnung werde ohne Verhandlung erfolgen. Dieser Beschluss wurde dem Schuldner am 8.4.2025 zugestellt.
Die ÖGK gab am 7.4.2025 bekannt, dass der Schuldner nicht im Dienstgeberkataster aufscheine und keine Beitragsrückstände bestünden.
Das Finanzamt Österreich teilte mit Schreiben vom 11.4.2025 mit, dass der Schuldner steuerlich nicht erfasst sei.
Am 16.5.2025 ersuchte der Präsident wegen eines Auslandsaufenthalts telefonisch um Fristerstreckung bis 2.6.2025 und sicherte Vollzahlung an den Antragsteller zu. Am 2.6.2025 ersuchte er abermals um Fristerstreckung bis zum 10.6.2025, um eine Regelung mit dem Antragsteller zu erwirken.
Am 24.6.2025 teilte der Antragsteller mit, dass trotz wiederholter Zusagen bislang nichts bezahlt worden sei. Dem gleichzeitig übermittelten Schreiben vom 3.6.2025 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller dem Schuldner telefonisch eine Ratenvereinbarung in Aussicht stellte, wonach der Schuldner EUR 7.000 umgehend sowie den Restbetrag von (damals) EUR 19.347,78 in drei gleichen monatlichen Raten bis Mitte Juli, August und September 2025 bezahlt. Nach Einlangen der Akontozahlung werde die Ratenzahlungsvereinbarung schriftlich bestätigt.
Mit dem angefochtenen Beschluss eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen des Schuldners und bestellte Dr. B* zum Masseverwalter. Die Anmeldefrist wurde bis zum 12.8.2025 bestimmt und die allgemeine Prüfungstagsatzung für den 26.8.2025 anberaumt. Der Schuldner sei der Aufforderung, seine Zahlungsfähigkeit zu bescheinigen, nicht nachgekommen. Angesichts der Höhe und Dauer des Rückstands sei von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen. Kostendeckendes Vermögen sei nach Angaben des Schuldners vorhanden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Schuldners mit dem erkennbaren Antrag, den Beschluss aufzuheben.
Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und der Schuldner zahlungsunfähig ist.
2. Der Antragsteller hat sich in seinem Insolvenzantrag auf ein vollstreckbares Versäumungsurteil berufen. Das Vorliegen dieses Titels wurde vom Schuldner nicht bestritten, sondern vielmehr die Zahlung der Forderung zugesichert. Damit bescheinigte der Antragsteller die titulierte Insolvenzforderung ausreichend.
3.1 Zur weiteren Insolvenzvoraussetzung der Zahlungsunfähigkeit wurde vom Antragsteller vorgebracht, dass gegen den Schuldner zahlreiche Exekutionen geführt worden seien. Aus der Aufschlüsselung der Insolvenzforderung ergab sich, dass Anträge auf neuerlichen Exekutionsvollzug gestellt wurden.
3.2 Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald beschaffen kann (RS0064528); maßgeblich ist ein aktuelles Unvermögen des Schuldners, die zum Prüfungszeitpunkt fälligen Verbindlichkeiten zu zahlen ( Dellinger in Konecny/Schubert , InsG § 66 KO Rz 23 mwN).
3.3 Die Nichtzahlung einer titulierten Forderung stellt noch keinen ausreichenden Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten dar ( Mohr , IO 11 § 70 E 78). Auch die bloße Tatsache einer oder mehrerer gegen den Schuldner erwirkter Exekutionsbewilligungen würde noch keinen Rückschluss auf dessen Zahlungsunfähigkeit zulassen, weil sie auch Folge einer bloßen Zahlungsunwilligkeit des Schuldners sein könnte ( Mohr , IO 11 § 70 E 83, 84; Schumacher in KLS 2 § 66 IO Rz 36). Der Überwindung des Zahlungsunwillens des Schuldners dient das Exekutionsverfahren, nicht aber das Insolvenzverfahren, wenn nicht auch Zahlungsunfähigkeit gegeben ist ( Mohr , IO 11 § 66 E 1 mwN).
3.4 Als Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit wird nach der Rechtsprechung etwa der wiederholte Vollzug von Fahrnispfändungen oder ein mangels Vorhandenseins pfändbarer Gegenstände vergeblich gebliebener Vollzugsversuch angesehen ( Mohr , IO 11 § 70 E 92 ff), weil in der Regel nicht angenommen werden kann, dass ein Schuldner gerichtliche Zwangsvollstreckungen ohne Not an sich herankommen lässt. Ein wesentliches Symptom für die Zahlungsunfähigkeit wäre auch die Nichtzahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (vgl Mohr , IO 11 § 70 E 70 ff).
3.5 Der bloße Hinweis des Antragstellers, dass der Schuldner trotz der zahlreichen Exekutionsverfahren seine Zahlungen einstellte, reicht für die Bescheinigung der Zahlungsunfähigkeit nicht aus.
3.6 Leitet jedoch das Erstgericht - wie hier - amtswegige Erhebungen unter Einbeziehung des Schuldners ein, gilt für das weitere Verfahren nicht mehr die Ausnahmebestimmung des § 70 Abs 2 Satz 3 IO. Vielmehr sind ab diesem Zeitpunkt die Insolvenzvoraussetzungen in einem zweiseitigen Verfahren nach § 254 Abs 5 IO von Amts wegen zu prüfen (OLG Wien 28 R 2/04a = ZIK 2004/171; 6 R 159/20a ua; vgl Schumacher in KLS² § 70 IO Rz 21 f).
3.7 Das Erstgericht erhob zwar, dass keine offenen Exekutionsverfahren anhängig waren. Erhebungen des Rekursgerichts (§ 254 Abs 5 IO; RS0064997, RS0065221) ergaben aber, dass in dem im Insolvenzantrag genannten Verfahren ** des Bezirksgerichts Amstetten dem Antragsteller die Fahrnisexekution gegen den Schuldner bewilligt wurde. Anlässlich des Vollzugsversuchs am 16.9.2021 wurden keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden. Laut Vollzugsbericht vom 29.1.2025 wurden mit dem Schuldner mehrere Vollzugstermine vereinbart, die nicht wahrgenommen wurden. Zwar behaupte der Verpflichtete, an seiner Adresse Räume zu besitzen, die gerade umgebaut werden. Da jedoch weitere Hausparteien angegeben hätten, dass der Verpflichtete nur über einen Briefkasten verfüge, seien weitere Vollzugsversuche nicht erfolgversprechend.
3.8 Auf Grund dieser Umstände war die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners indiziert.
4.1 Ist die Zahlungsunfähigkeit fürs Erste bescheinigt, liegt es am Schuldner, die Gegenbescheinigung zu erbringen, dass er zahlungsfähig ist. Um die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften, ist der Nachweis erforderlich, dass die Forderungen sämtlicher Gläubiger – einschließlich jener des Antragstellers – bezahlt werden konnten oder zumindest mit allen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen getroffen wurden, die der Schuldner auch einzuhalten im Stande ist (vgl Mohr , IO 11 § 70 E 214, E 239, E 243, E 244 mwN).
4.2 Bei der Beurteilung der Frage, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen, ist im Rechtsmittelverfahren wegen der Neuerungserlaubnis des § 260 Abs 2 IO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz - hier der 3.7.2025 – und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (RS0065013 [T1]).
4.3 Der Schuldner beruft sich im Rekurs darauf, dass er um Aufschub gebeten habe und von einer Kanzleimitarbeiterin („Frau F*“) bestätigt bekommen habe, dass er bis 10.7.2025 Zeit habe, die Angelegenheit zu regeln. Schon davor sei ihm jedoch der angefochtene Beschluss zugestellt worden.
4.4 Mit diesen Ausführungen gesteht der Schuldner zu, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz die Forderung des Antragstellers ungeregelt war. Abgesehen davon legt der Schuldner keine Bescheinigungsmittel zu seinen Behauptungen vor. Selbst wenn ihm vom Antragsteller ein weiterer Aufschub bis 10.7.2025 gewährt worden wäre, behauptet der Schuldner im Rekurs nicht, dass er diese Frist genutzt hätte und zumindest bis zu diesem Zeitpunkt die Forderung des Antragstellers geregelt hätte.
4.5 Schließlich wurde vom Masseverwalter bereits in einem ersten Bericht vom 6.8.2025 die Masseunzulänglichkeit angezeigt und die Unternehmensschließung beantragt. Am Massekonto sei keinerlei Guthaben vorhanden.
4.6 Zusammengefasst ist daher auch nach der im Rekursverfahren gegebenen Bescheinigungslage von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen.
5. Weitere Argumente enthält der Rekurs nicht, weshalb er ohne Erfolg bleibt.
6. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO iVm § 528
Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.