JudikaturOLG Wien

23Bs197/25a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 3. Juni 2025, GZ **-46.4, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner LL.M., des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Calin-Emanuel Morar durchgeführten Berufungsverhandlung am 7. August 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld und Strafe nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen – auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch vom Vorwurf nach §§ 15, 125 StGB enthaltenden - Urteil wurde der am ** geborene ungarische Staatsangehörige A* des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (A.I.), der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (A. II. und B.) und des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 129 Abs 1 Z 1, 15 StGB (C.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 39 Abs 1 StGB nach § 269 Abs 1 StGB – unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung - zu einer Freiheitsstrafe von vierundzwanzig Monaten verurteilt.

Darnach hat er

A. am 28. September 2022 in ** als Insasse der Justizanstalt * versucht

I. den Justizwachebeamten Insp. B* durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zur Gewährung eines Gesprächs mit dessen Vorgesetzten zu nötigen, indem er ihm gegenüber androhte, die Toilette in seinem Haftraum zu zerstören sowie das Waschbecken aus der Verankerung zu reißen, wenn er nicht dessen Vorgesetzten sprechen könne;

II. die Justizwachebeamten RI C* und RI D* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an der im Zuge der Verlegung in eine andere Zelle auf Grund des Vorfalls zu Punkt A.I. erfolgten Visitation mit körperlicher Entblößung zu hindern, indem er mit seiner rechten Hand gezielt in die Richtung von RI D* schlug und ihn am linken Ellbogen traf;

B. am 20. März 2025 in ** E* in der Polizeiinspektion E* versucht, die Polizeibeamten GI F*, GI G* und GI H* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Durchführung der Personendurchsuchung, zu hindern, indem er um sich schlug, mit den Füßen nach den Genannten trat und ihnen Kopfstöße zu versetzen versuchte;

C. Nachgenannten fremde beweglich Sachen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, teils durch Einbruch weggenommen bzw. wegzunehmen versucht, und zwar

I. am 10. März 2023 in ** I* Verfügungsberechtigten der Firma J*, indem er ein Parfum im Wert von 143 Euro in seine Jackentasche steckte und den Kassenbereich ohne zu bezahlen passierte, dabei jedoch vom Ladendetektiv beobachtet und angehalten wurde;

II. am 21. Dezember 2024 in ** K*, indem er in der „L*“ in einen Mitarbeiterbereich eindrang, dort den Fahrzeugschlüssel des K* gehörenden PKW aus dessen Jackentasche wegnahm und anschließend versuchte, mit dem widerrechtlich erlangten Schlüssel in dessen Fahrzeug einzusteigen, um sich dort nach Diebesgut umzusehen, wobei er sein Vorhaben abbrach und mit dem Fahrzeugschlüssel flüchtete;

III. am 10. Jänner 2025 in ** I* Dr. L*, indem er erst das Grundstück und dann das Einfamilienhaus des Genannten durch die unverschlossene Eingangstüre betrat, um sich dort nach Diebesgut umzusehen, wobei er im Vorzimmer vom Hauseigentümer überrascht wurde und nach Ansprache und Aufforderung zur Rechtfertigung das Vorhaben abbrach und flüchtete;

IV. am 20. März 2025 in ** M* Verfügungsberechtigten des Bekleidungsgeschäftes „N*“, indem er im Outlet-Center ein Gilet im Wert von 93 Euro wegnahm.

Bei der Strafzumessung wurden erschwerend elf einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt mit einem Vergehen der Nötigung und einem Vergehen des Diebstahls teils durch Einbruch, die Faktenmehrheit bei den Diebstählen und der rasche Rückfall hinsichtlich der Tathandlung zu Punkt A (Tat vom 28. September 2022) nach der Verurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zur AZ ** vom 27. Juli 2022, mildernd hingegen das teilweise Geständnis, die teilweise Sicherstellung der Beute und der teilweise Versuch gewertet.

Dagegen richtet sich die sogleich in den Punkten Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 46.3 S 25) und zu ON 47 in den Punkten Schuld und Strafe ausgeführte Berufung des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung wegen Nichtigkeit war zurückzuweisen, weil der Angeklagte weder in der Anmeldung der Berufung noch in einer schriftlichen Ausführung ausdrücklich erklärt hat, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert erachtet und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will (§§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO). Von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe haften dem Urteil nicht an.

Zur sich (allein) gegen die Schuldsprüche C.III. und C.IV. richtenden Berufung wegen Schuld ist vorweg festzuhalten, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungsgrundsätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer , StPO 6 § 258 E 30f; Kirchbacher , StPO 15 § 258 Rz 8). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Selbst der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).

Dem (allein rechtlichen) Einwand zum Schuldspruch C.III., wonach das bloße Betreten des unversperrten Hauses Dris. L* - ohne irgendetwas anzugreifen bzw. mitzunehmen - keinen versuchten Einbruchsdiebstahl darstellen könne, ist zu entgegnen, dass die dem Angeklagten hier zur Last gelegte Tat nicht als Einbruchsdiebstahl qualifiziert wurde (vgl. US 2, wonach nur der Schuldspruch C.II. auch als Diebstahl durch Einbruch mittels widerrechtlich erlangten Schlüssels qualifiziert wurde, US 7) und der Angeklagte unter Berücksichtigung seines Tatplanes („Vorhaben, im Gebäude nach Wertgegenständen zu suchen“ [US 7]) in aktionsmäßiger Beziehung bereits im unmittelbaren Vorfeld der Verwirklichung des Tatbildes des Diebstahls war und auch in subjektiver Hinsicht die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung schon längst überwunden hatte (vgl. RIS-Justiz RS0090393; L/St/Durl/Schütz , StGB 4 § 15 Rz 6, 8, 9, 10 und 11), sodass der (nicht qualifizierte) Diebstahl versucht worden ist. Die subjektive Tatseite hat das Erstgericht lebensnah und nachvollziehbar aus dem festgestellten Geschehensablauf und dem planmäßigen Vorgehen abgeleitet (US 11). Im Übrigen sind dem Angeklagten mit Blick auf sein Vorleben (Einbruchs-)Diebstähle nicht fremd.

In Ansehung des Schuldspruchs C.IV. ist dem Erstrichter darin beizupflichten, dass die – in der Berufung wiederholte – Verantwortung des (im Zeitpunkt seiner Anhaltung mit drei hoch- und neuwertigen Jacken, darunter die in Rede stehende Jacke der Marke Calvin Klein, bekleideten) Angeklagten, das gesamte Diebesgut in einem Sack vor einem Geschäft am Gelände des Outlet-Center M* gefunden zu haben bzw. der Magnet zum Entfernen der Diebstahlsicherungen sei in der Jackentasche der Weste von „N*“ gewesen, als reine Schutzbehauptung bzw. lebensfremd anmutet. Denn sie bietet keine Erklärung dafür, wie der Magnet (vgl. ON 33.2) in seine Herrentasche gelangte.

Der Erstrichter hat aus den vorliegenden Beweisergebnissen den Denkgesetzen nicht widersprechende Schlussfolgerungen gezogen und hegt auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der erstrichterlichen Lösung der gesamten Schuldfrage.

Der Berufung wegen Strafe kommt gleichfalls keine Berechtigung zu.

Vorweg ist festzuhalten, dass A* in Ungarn nicht neun, sondern bloß vier Vorstrafen aufweist, zumal die der ECRIS-Auskunft zu entnehmenden Verurteilungen Nr. 3 und Nr. 4 bzw. Nr. 5 und Nr. 6 bzw. Nr. 8 und Nr. 9 jeweils im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehen und mit den Verurteilungen Nr. 2 (zu Nr. 3 und Nr. 4) und Nr. 7 (zu Nr. 8 und Nr. 9) nur Gesamtfreiheitsstrafen gebildet wurden. Damit weist er insgesamt nicht „elf“, sondern sechs Vorstrafen auf.

Zusätzlich aggravierend sind die Tatbegehung zu den Schuldsprüchen A.I. und A.II. während des Strafvollzugs und zu C.I. nach dem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug gemäß § 133a StVG bzw. seiner diesbezüglichen Enthaftung am 17. November 2022 sowie der lange Tatzeitraum und zu den Schuldsprüchen A.II. und B. der Widerstand gegen mehrere Beamte zu werten.

Demgegenüber gelingt es dem Berufungswerber nicht, zusätzliche mildernde Aspekte aufzuzeigen.

Denn wenn auch ein Großteil der Taten beim Versuch geblieben ist, bewirkt der Umstand, dass der Angeklagte dabei keinen Schaden verursachte, in diesen Fällen keine Milderung, vielmehr würde durch einen Schaden der im Versuch gelegene Milderungsgrund entwertet ( Riffel in WK² StGB § 34 Rz 30; Mayerhofer, StGB 6 § 34 E 41a).

Das Betreten des Mitarbeiterbereichs „ohne die im § 129 Abs 1 Ziffer 1 StGB angeführten Voraussetzungen" erweist sich gleichfalls nicht als mildernd, wäre eine (zusätzliche) Variante der Tatbegehung nach § 129 Abs 1 StGB vielmehr erschwerend iS des § 33 Abs 1 Z 1 StGB zu werten.

Dem Umstand, dass sich „der überwiegende Teil der […] Vorstrafen“ „auf Urteile in Ungarn“ bezieht, kann mit Blick auf § 73 StGB keine Bedeutung zugemessen werden.

Ausgehend von der korrigierten Strafzumessungslage, weiters unter Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien nach § 32 StGB und des vom Erstgericht zutreffend herangezogenen Strafrahmens (bis zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe) erweist sich die verhängte Freiheitsstrafe durchaus als schuld- und tatangemessen und damit einer Reduktion nicht zugänglich.

Der Gewährung teilbedingter Strafnachsicht (§ 43a Abs 3 StGB) steht die einschlägige Delinquenz über einen Zeitraum von bereits 17 Jahren und die Wirkungslosigkeit schon zuvor gewährter Resozialisierungshilfen jedenfalls in Form bedingter Strafnachsicht unüberwindbar entgegen.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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