JudikaturOLG Wien

23Bs118/25h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. Februar 2025, GZ **-77, durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO nichtöffentlich zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Urteil in Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen .

Mit seiner Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene italienische Staatsangehörige A* des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Weiters wurde gemäß § 20 Abs 3 StGB ein Betrag von 10.715,89 Euro für verfallen erklärt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er „im Zeitraum September 2019 bis Dezember 2020 in **, die ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der B* Ltd Co KG eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht und dem genannten Unternehmen einen EUR 5.000,- übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, dass er in wiederholten Angriffen durch Behebungen und Bezahlungen Unternehmensgelder in Höhe von EUR 16.715,89 an sich brachte und für private Zwecke verwendete“.

Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter „den langen Tatzeitraum mit vielen einzelnen, wiederholten Tathandlungen“ sowie „das dreifache Übersteigen des Wertbetrages von EUR 5.000,-“ erschwerend, mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel.

Gegen dieses Urteil richtet sich die unmittelbar nach dessen Verkündung mit im Zweifel umfassendem Anfechtungsziel angemeldete (ON 69 S 10) und fristgerecht zu ON 78.1 ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der Berufung überzeugte sich das Oberlandesgericht davon, dass das Urteil mit dem von Amts wegen wahrzunehmenden (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 471, 489 Abs 1 StPO; siehe Kirchbacher , StPO 15 § 290 Rz 2) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO behaftet ist.

Denn ausgehend von den – mit dem Schuldspruch korrespondierenden - Konstatierungen „gab der Angeklagte aufgeteilt auf unzählige einzelne Angriffe im angeführten Zeitraum [September 2019 bis Dezember 2020] insgesamt EUR 16.715,89 der Gelder der B* Ltd Co KG für private Zwecke entgegen der ihm eingeräumten Befugnis aus, die er nicht mit eigenen, berechtigten Forderungen gegen die Co KG aufrechnen konnte“ (US 5). Beweiswürdigend hielt der Erstrichter fest, dass sich dieser Betrag aus 6.401,37 Euro „an privaten Entnahmen“ und einem Negativsaldo von 10.314,52 Euro auf einem Verrechnungskonto ergebe (US 10 f). Feststellungen zu einzelnen Tatzeitpunkten (oder verjährungshemmenden Umständen) lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Ebensowenig wurde festgestellt, dass der Angeklagte durch eine (einzige) Tat einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt hätte.

Strafbarkeitsvoraussetzungen wie das Nichtvorliegen der Verjährung sind (bei – wie hier vorliegender – Tatmehrheit) für jede Tat gesondert zu prüfen, woran die (allfällige) Anwendung des Zusammenrechnungsgrundsatzes nach § 29 StGB nichts ändert (RIS-Justiz RS0132829). Auch eine Zusammenfassung je für sich selbstständiger, zeitlich getrennter Taten zu (hier) schadensqualifizierter Untreue nach Maßgabe einer tatbestandlichen Handlungseinheit findet – unabhängig von allfälliger einheitlicher Tatsituation und des konstatierten Vorsatzes des Angeklagten auf die Herbeiführung eines insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Schadens (US 6) – nicht statt (11 Os 32/20w mwN). Es ist daher im Ergebnis jede einzelne Tat (historisches Geschehen) anhand der im Urteil getroffenen Feststellungen einer (oder mehreren) strafbaren Handlung(en) (normativen Kategorien) zu unterstellen und auf dieser Basis zu beurteilen, ob Verjährung eingetreten ist (RIS-Justiz RS0128998).

Diese Frage ist somit ausgehend von den Feststellungen – da ein durch eine (einzige) Tat herbeigeführter 5.000 Euro übersteigender Schaden nicht konstatiert wurde - in Ansehung einer ungewissen Zahl von nach § 153 Abs 1 StGB subsumierbaren Taten mit einem Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen (Verjährungsfrist nach § 57 Abs 3 StGB: ein Jahr) zu prüfen.

Das Fehlen von Feststellungen zu den konkreten Zeitpunkten der Untreuehandlungen sowie von – deshalb erforderlichen – Konstatierungen zu die Verjährung im Ablauf (§ 58 Abs 2 StGB) oder im Fortlauf (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB) hemmenden Umständen ( Marek, WK² StGB § 58 Rz 1 f) macht die (implizite rechtliche) Annahme der Beseitigung dieses Ausnahmesatzes unschlüssig (Z 9 lit b; vgl RIS-Justiz RS0122332 [T1, T6, T11]).

Die aufgezeigten Rechtsfehler (mangels Feststellungen) erfordern die Aufhebung des angefochtenen Urteils (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 471, 489 Abs 1 StPO) in Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO und Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.

Mit seiner Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Weil der gesamte Schuldspruch zu kassieren war, fallen dem Angeklagten keine Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Sinne des § 390a Abs 1 StPO zur Last ( Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

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