Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Schneider-Reich als Vorsitzende sowie den Richter Ing.Mag. Kaml und die Richterin Mag. Lehr als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2; 125, 126 Abs 1 Z 5; 269 Abs 1 erster Fall, 15 StGB) über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 17. Juli 2025, GZ **-33.2, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die über A* verhängte Untersuchungshaft wird aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO fortgesetzt.
Die Wirksamkeit dieses Beschlusses ist durch eine Haftfrist nicht begrenzt (§ 175 Abs 5 erster Halbsatz StPO).
Begründung:
Der am ** geborene tunesische Staatsangehörige, der sich zu AZ * des Landesgerichts für Strafsachen Wien bis 18. Juli 2025, 12.48 Uhr in Strafhaft befand (vgl ON 63.1 des Vorstrafaktes), wurde mit (infolge seiner Rechtsmittelanmeldung [ON 31] nicht rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 10. Juli 2025 im gegenständlichen Verfahren (erneut) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schulspruches, hat er sich am 16. Oktober 2024 in ** fahrlässig durch den Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels, nämlich 1,5 Liter Desinfektionsmittel in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt und im Rausch nachstehend angeführte Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB, das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsanwaltschaft nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB, das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB zugerechnet würden, indem er unter dem maßgeblichen Einfluss dieses berauschenden Mittels
I./ fremde Sachen der Justizanstalt Krems an der Donau beschädigte und zerstörte, wodurch ein Schaden in der Höhe von 1.400,88 Euro herbeigeführt wurde und zwar
A./ das Haftrauminventar des Haftraumes **, nämlich einen Menüteller, eine Schüssel, ein Trinkglas, einen Waschtisch, einen Insassenspind, eine Bücherbord, einen Fernseher samt Antennenkabel, einen Wasserkocher, einen Kochtopf und zwei Matratzen, indem er sämtliche Gegenstände mit voller Wucht auf den Boden warf und umwarf, wodurch diese zerbrachen und die Matratzen zerrissen sind;
B./ einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs 1 Z 11 StGB), nämlich ein abgesperrtes Haftraumfenster in einer besonders gesicherten Zelle, sohin eine der öffentlichen Sicherheit dienenden Einrichtung, indem er diese mit massiver Körperkraft aus dem Fensterrahmen riss;
II./ versucht (§ 15 StGB), Beamte mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung, nämlich an einer Verlegung in die besonders gesicherte Zelle zu hindern, indem er einen scharfkantigen Metallgegenstand in seiner rechten Hand, sowie einen angespitzten Kugelschreiber in seiner linken Hand drohend gegen die Justizwachebeamten Insp. C*, Insp. D*, Insp. E* und BezInsp. F* hielt, sowie mit dem Metallgegenstand mehrmals auf das Schutzschild von Insp. E* und am Schutzschild vorbei in die Richtung seines Kopfes und Körpers schlug;
III./ versucht (§ 15 StGB), Insp. E*, sohin einen Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben, durch die zu II./ beschriebene Handlung am Körper zu verletzen, wobei es beim Versuch blieb, weil die Schläge ihn nicht trafen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wurde über den Angeklagten – dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgend (ON 1.35) – nach Anhörung des Angeklagten (ON 33.1) die Untersuchungshaft mit Ablauf der zu AZ * des Landesgerichts für Strafsachen Wien verhängten Strafhaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO (mit unbegrenzter Wirksamkeit) verhängt (ON 33.2).
Dagegen richtet sich die zu ON 35 (entgegen dem Rechtskraftvermerk der Erstrichterin vom 22. Juli 2025 [vgl ON 33.2, 1] rechtzeitig iSd § 88 Abs 1 StPO [vgl hiezu Kirchbacher/Rami, WK StPO § 174 Rz 26/1]) ausgeführte Beschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Die Dringlichkeit des Tatverdachts ist nach Fällung des Urteils in erster Instanz nicht mehr zu überprüfen (RIS-Justiz RS0108486, RS0061107 [T3 und T4]). Dieser Tatverdacht begründet das Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2; 125, 126 Abs 1 Z 5; 269 Abs 1 erster Fall, 15 StGB). Den dringenden Tatverdacht entkräftende, nach dem Urteil erster Instanz hervorgekommene Beweismittel bestehen nicht.
Auch der vom Erstgericht angezogene Haftgrund der Tatbegehungsgefahr in Ausformung des § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO liegt – entgegen dem Beschwerdevorbringen – weiterhin vor. Denn der Angeklagte weist bereits zahlreiche einschlägige Vorstrafen auf (vgl RIS-Justiz RS0091492; Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 15 § 71 Rz 5), die sich (auch) gegen das geschützte Rechtsgut fremden Vermögens richteten (vgl die Punkte 1, 3, 4 und 5 der Strafregisterauskunft ON 28) bzw auf dessen Neigung zu Gewalt beruhten (vgl aaO Punkte 1, 2, 4 und 6) und – seinen eigenen Angaben zufolge (SV-GA ON 25.1, 12) – immer mit Alkohol zu tun gehabt hätten. Das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten zeigt sohin offenkundig, dass das hier in Rede stehende Verhalten nicht ausschließlich der vom Angeklagten in seiner Beschwerde aufgezeigten Ausnahmesituation zuzuschreiben ist, kam es doch auch in der Vergangenheit bereits - unabhängig von tragischen Schicksalsschlägen und trotz Einnahme seiner Medikamente (diese habe er seit sieben Jahren genommen [SV-GA ON 25.1, 6; PS 2]) – unter Alkoholeinfluss wiederholt zu entsprechender Delinquenz (vgl auch ON 25.1, 7 des SV-GA, wonach er angegeben habe, „zornig gewesen [zu sein], weil er schon drei Monate im Zugangs sei und dies üblicherweise kürzer dauere“).
Dass das delinquente Verhalten im Widerspruch zu seinem sonstigen Betragen in Haft steht, erklärt sich schon mit der Schwierigkeit im engen Setting des Strafvollzuges an Alkohol zu gelangen. Aber selbst unter diesen Bedingungen gelang es ihm –, so der qualifizierte Tatverdacht -, sich (im raschen Rückfall) durch den Genuss von 1,5 l Desinfektionsmittel in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden (Rausch-)Zustand zu versetzen.
Davon ausgehend besteht gerade die konkrete Gefahr, er werde auf freiem Fuß ungeachtet des aktuell wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gegen ihn geführten Strafverfahrens weitere gegen dieselben Rechtsgüter (fremdes Vermögen sowie Leib und Leben) gerichtete strafbare Handlungen mit einer Strafdrohung von mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe und mit nicht bloß leichten Folgen begehen, wie die ihm nunmehr angelasteten, gegen diese Rechtsgüter gerichteten Straftaten, derentwegen er bereits jeweils mehrfach verurteilt worden ist.
Eine maßgebliche Änderung der Verhältnisse, unter denen der Angeklagte die ihm vorgeworfene Tat begangen haben soll, ist weder durch die Arbeitsplatzzusage, die Betreuung seines Sohnes oder den festen Wohnsitz, auszumachen (vgl dessen Ausführungen in ON 14.1, 4 zu AZ * des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wonach er trotz der Betreuungspflicht für seinen Sohn, seines festen Wohnsitzes und der sozialen Integration vor der zur Aburteilung gelangten Straftat Alkohol trank).
Auch taugliche gelindere Mittel im Sinne des § 173 Abs 5 StPO, insbesondere die in der Beschwerde genannte Weisung sich einer Suchtmittel- oder Alkoholtherapie, allenfalls auch in stationärer Form zu unterziehen, sich einer medizinischen Behandlung oder einer Psychotherapie zu unterziehen und der Abgabe regelmäßiger Harnkontrollen zum Nachweis der Abstinenz als auch dem Gelöbnis kein Suchtmittel und keinen Alkohol zu konsumieren (ON 35.1, 6), sind mit Blick auf dessen langjährige Gewöhnung an Alkohol, dem bereits in der Vergangenheit gescheiterten Versuchen einer Entwöhnung von Alkohol (SV-GA ON 25.1, 14; ON 21.2, 2 f und ON 30.2.1, 2 f) als auch seiner dissozialen Persönlichkeitsakzentuierung, die durch eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten gekennzeichnet ist (SV-GA ON 25.1, 37 f; vgl auch etwa ON 7, 3 in AZ **, wonach er die damals zur Verurteilung gelangte Tat „nur aus Zorn“ gesetzt habe), nicht ersichtlich.
Angesichts eines (unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB) relevanten Strafrahmens von bis zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe nach dem Strafsatz des § 287 Abs 1 StGB steht die bislang erst seit 18. Juli 2025 andauernde Untersuchungshaft im Sinne der §§ 173 Abs 1; 177 Abs 2 StPO weder außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe noch zur Bedeutung der dem Angeklagten angelasteten strafbaren Handlung.
Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen und die Untersuchungshaft, die durch eine Frist seit Einbringung der Anklage nicht mehr begrenzt ist (§ 175 Abs 5 erster Halbsatz StPO), daher aus den im Spruch genannten Haftgründen fortzusetzen.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (§ 89 Abs 6 StPO).
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