23Bs123/25v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 24. März 2025, GZ **-18.4, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Philipp Winkler durchgeführten Berufungsverhandlung am 31. Juli 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht , hingegen jener wegen Strafe dahin Folge gegeben, dass die verhängte Freiheitsstrafe auf sechs Monate herabgesetzt wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Darnach hat er am 4. Februar 2025 in ** den Justizwachebeamten B* gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sinngemäß zu ihm sagte „Ich zahle diesen Teller nicht, ich habe ihn nicht kaputt gemacht, wennst a Problem hast komm eina, dann gib i dir jetzt gleich eine!“, wobei er mit den Fäusten gegen den Kasten im Haftraum schlug, auf B* zuging und sich vor ihm aufbaute.
Bei der Strafzumessung wurden erschwerend die Tatbegehung während der Strafhaft, die einschlägigen Vorstrafen und das Vorliegen „beider Fälle der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB“, mildernd hingegen kein Umstand gewertet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom damals noch unvertretenen Angeklagten im Sinne eines umfassenden Anfechtungswillens (RIS-Justiz RS0099951) fristgerecht angemeldete (ON 19: „Berufung und Nichtigkeit“) und von seinem nunmehrigen Verteidiger zu ON 23 ausgeführte Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe.
Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) verfehlt mit dem Hinweis, dass im Gefängnis ein rauer Umgangston vorherrschend sei und der Unmut über die Situation oftmals überschießend ausgedrückt werde, samt Behauptung, bei der inkriminierten Äußerung habe es sich um eine nicht tatbestandsmäßige „milieubedingte Unmutsäußerung“ im „Zorn“, „aus Imponiergehabe“, „zur Provokation“ und um „den Unmut über die bestehende Situation auszudrücken“ gehandelt, die gebotene Bezugnahme auf die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt und darauf bezogenen Vorsatz des Berufungswerbers (US 4 [iVm US 6]; vgl. RIS-Justiz RS0099810; RS0092588).
Mit der Berufung wegen Schuld gelingt es wiederum nicht, Zweifel an der erstrichterlichen Beweiswürdigung zu erwecken.
Denn die freie Beweiswürdigung ist ein kritisch-psy-
chologischer Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Ge-
samtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang
unter allgemeine Erfahrungsgrundsätze logische Schluss-folgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer , StPO 6 § 258 E 30 f; Kirchbacher , StPO 15 § 258 Rz 8). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Selbst der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).
Angesichts dieser Prämissen ist die erstrichterliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden:
Der Erstrichter hat – nachdem er sich in der Hauptverhandlung insbesondere vom Angeklagten und den Zeugen B* und C* einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte - nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, auf Grund welcher Erwägungen er zur Überzeugung von der Schuld des A* gelangt ist.
Dabei gründete er seine Sachverhaltsannahmen zum äußeren Geschehensablauf auf die im Wesentlichen als übereinstimmend, glaubwürdig und schlüssig erachteten Schilderungen der genannten Justizwachebeamten sowie das Zugeständnis des Angeklagten, wütend gewesen zu sein und auch gegen den Kasten geschlagen zu haben. Nicht unerörtert blieb der Umstand, dass die Zeugin C* nicht (mehr) sagen konnte, welche konkreten Worte der Angeklagte schrie und ob er auf ihren Kollegen zuging. Nach durchaus plausibler Einschätzung des Erstrichters war dies jedoch der hektischen Situation geschuldet, zumal die Zeugin glaubhaft ausgesagt habe, dass sie in diesem Moment durchaus Angst hatte, es könnte etwas passieren und der Angeklagte auf sie losgehen, und beide nur noch versuchten, die Haftraumtüre schnellstmöglich wieder zu schließen und die Einsatztruppe zu verständigen.
Ob eine Äußerung bloß als „milieubedingte Unmutsäußerung“ (vgl. RIS-Justiz RS0093096; RS0092448 [T5]) oder als gefährliche Drohung zu qualifizieren ist, hängt davon ab, ob sie ernst gemeint ist ( Leukauf/Steininger/Tipold StGB 4 § 107 Rz 3), was in jedem einzelnen Fall mit Rücksicht auf die konkreten Umstände (Milieu, frühere Vorfälle, begleitende Verhaltensweisen) durch Auslegung zu ermitteln ist ( Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 54). Dabei ist der grundlegende Erfahrungswert in Rechnung zu stellen, dass der Sinn eines Ausdrucks oder auch einer Geste je nach Situation, Vorverständnis, Schichtzugehörigkeit, Umgangsformen, Bildungsgrad der Beteiligten oder anderen Begleitumständen durchaus unterschiedlich sein kann. (RIS-Justiz RS0092437 [T3]; RS0092588). Abgesehen davon, dass Justizwachebeamte keineswegs dem Milieu des Berufungswerbers angehören (vgl. RIS-Justiz RS0093096 [T4]), zeigt sich die Ernstlichkeit der Drohung darin, dass A* als Strafgefangener einem Justizwachebeamten nicht nur das „Angebot“ unterbreitete „ihm jetzt gleich eine zu geben“, sondern dieses durch Einschlagen mit den Fäusten gegen den Kasten seines Haftraums, Zugehen auf sein Opfer und Aufbauen vor diesem noch bekräftigte. Unter weiterer Berücksichtigung seines Vorlebens, woraus erhellt, dass dem Angeklagten gefährliche Drohungen und Aggression nicht wesensfremd sind, bestehen keine Vorbehalte dagegen, dass der Erstrichter die inkriminierte Äußerung nicht als bloß milieubedingte Unmutsäußerung, sondern als ernst gemeinte – in rechtlicher Hinsicht zur Erweckung begründeter Besorgnis objektiv geeignete – Ankündigung eines Angriffs gegen die körperliche Integrität, somit als gefährliche Drohung gewertet und folgerichtig das Vorliegen der subjektiven Tatseite des § 107 Abs 1 StGB aus dem objektiven Täterverhalten abgeleitet hat. Selbst wenn der Angeklagte an einer Dissozialität leidet und schnell aggressiv wird (vgl. C * : ON 8.7 S 5), stünde dies obigem Kalkül nicht zwingend entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Da der Angeklagte sohin nichts vorgebracht hat, was geeignet wäre, die schlüssige und lebensnahe Beweiswürdigung des Erstrichters und die darauf gegründeten Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht zu erschüttern, war der Schuldberufung ein Erfolg zu versagen.
Der Berufung wegen Strafe kommt hingegen teils Berechtigung zu.
Folgt man den eigenen Angaben des Angeklagten, so war er nicht wütend darüber, nun doch die Kosten des Tellers tragen zu müssen (ON 8.5 S 4; ON 18.3 S 5), sondern allein über die vermeintliche Beschädigung von (zuvor verbotener Weise mit Zahnpasta an der Wand befestigten) Bildern seiner verstorbenen Mutter durch B* bei Abnahme derselben (vgl. US 3). Nach den Schilderungen der beiden Justizwachebeamten handelt es sich bei A* um eine sehr aufbrausende Persönlichkeit mit fehlender Impulskontrolle (B * : ON 18.3 S 10 [„Wenn er nicht das bekommt, was er gern haben möchte, dann verhaltet er sich auch dementsprechend. Das sieht man immer wieder in den ganzen Meldungen, die wieder gelegt worden sind.“]; C * : ON 8.7. S 5 [„Laut der AnstaltspsychologinD* leidet A* an einer Dissozialität. Er wird sehr schnell aggressiv.“], ON 18.3 S 17 [an den Angeklaten gerichtet: „Ja, aber Sie müssten einmal eine Therapie machen, dass Sie Ihre Impulskontrolle im Griff haben. … aber es kommt immer wieder in Ihrer Haftraumverlegungsgeschichte. Da ist es immer wieder, dass es Ihnen den Joker raushaut.“]). Lag der heftige Gemütszustand sohin im Charakter des Angeklagten und nicht lediglich in äußeren Umständen, kann ihm der begehrte Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 8 StGB jedoch nicht zugebilligt werden (RIS-Justiz RS0092138).
Dem „Vorliegen beider Fälle der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB“ kommt hingegen keine aggravierende Wirkung zu (vgl. 11 Os 24/25a Rz 11 f, 12 Os 132/24i Rz 42 ff).
Bei objektiver Abwägung der zu Gunsten des Angeklagten korrigierten, wenngleich nach ihrem Gewicht zu seinem Nachteil ausschlagenden Strafzumessungslage, der allgemeinen im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Erwägungen und des Umstands, dass das Ausmaß der verhängten Sanktionen in einer realistischen Relation zum Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Taten stehen muss (RIS-Justiz RS0090854), erweist sich die - ausgehend von dem nach § 39 Abs 1 und 1a StGB zwingend erhöhten Strafrahmen von bis zu 1½ Jahren Freiheitsstrafe – mit knapp 44 % der zur Verfügung stehenden Höchststrafe bemessene Sanktion auch unter Berücksichtigung, dass der Angeklagte nach der Tat zu weinen begonnen und sich in der Folge bei den Justizwachebeamten entschuldigt hat (B * : ON 8.6 S 4; ON 18.3 S 13, C * : ON 8.7 S 4; ON 18.3 S 16 f), doch als etwas überhöht und war daher auf ein der personalen Täterschuld und dem Unrechtsgehalt seiner Tat angemessenes Ausmaß zu reduzieren.
Eine bedingte Nachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) scheitert aus spezialpräventiven Erwägungen, vermochten doch schon zuvor weder (teil)bedingte Strafnachsichten, eine Begnadigung und eine bedingte Entlassung noch das wiederhole Verspüren des Haftübels sich deliktsverhindernde Wirkung entfalten.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.