JudikaturOLG Wien

30Bs196/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
28. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* und einen weiteren Beschuldigten wegen § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB über die Beschwerde des Rechtsschutzbeauftragten der Justiz gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 4. Juli 2025, GZ **-4, 3, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Strafsache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung verwiesen.

Text

Begründung

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg führt zu AZ ** ein Ermittlungsverfahren gegen A* und B* C* wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB.

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht – befristet bis 4. Juli 2025 – (wohl gemeint nur zu Punkt I./) gemäß §§ 109 Z 2a, 115f Abs 1 und Abs 2 StPO die von der Staatsanwaltschaft am selben Tag erlassene Anordnung der Beschlagnahme eines Datenträgers und der auf diesem gespeicherten Daten, und zwar des Tachografen des LKW mit dem Kennzeichen ** für den Tatzeitraum 3. Juli 2025, 00:00 Uhr bis 3. Juli 2025, 07:00 Uhr, wobei die Beschlagnahme die Datenkategorien „Geräteinformationen, Authentifizierungs- und Authentisierungsdaten sowie sämtliche weitere Daten“ umfasste.

Zur Begründung, die sich das Erstgericht durch Verweis auf diese zu Eigen machte, wurde ausgeführt, dass der Beschuldigte B* C* als Lenker eines PKW mutmaßlich aufgrund von Sekundenschlafs bei KM ** auf die Gegenfahrbahn der A5 gekommen und dort mit dem von A* gelenkten LKW mit dem behördlichen Kennzeichen * kollidiert sei, wodurch B* C* leicht und dessen Beifahrer D* C* schwer verletzt worden seien. Der beiden Beschuldigten als Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs (ergänze:) 1 und Abs 4 erster Fall StGB anzulastende Tatverdacht gründe sich auf die (nicht näher dargelegten) Erhebungen und Wahrnehmungen der Kriminalpolizei vor Ort sowie die Angaben der Beschuldigten. Die Anordnung der Beschlagnahme sei zur Aufklärung der Straftat erforderlich und diene der Objektivierung/Verifizierung des Tatverdachts und der Feststellung eines allfälligen Verschuldens des A* als Lenker des LKW. Sie stehe zur Bedeutung der Strafsache im Hinblick auf die Dringlichkeit des Tatverdachts, die Schwere der angelasteten Straftaten und den sonstigen verfügbaren Ermittlungsmaßnahmen nicht außer Verhältnis, zumal aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse anzunehmen sei, dass sich auf den sicherzustellenden bzw zu beschlagnahmenden Gegenständen und Datenträgern für die Aufklärung des vorliegenden Tatverdachts relevante Informationen befinden und mit weniger eingreifenden Maßnahmen keine begründete Aussicht auf den angestrebten Erfolg bestehe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Rechtsschutzbeauftragten der Justiz, in der in Bezug auf die Datenkategorie „sämtliche Daten“ auf eine Verletzung des § 115f Abs 1 iVm Abs 3 StPO hingewiesen wird (ON 5.3).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist berechtigt.

Nach § 115f Abs 1 StPO ist die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten zulässig, wenn sie aus Beweisgründen erforderlich erscheint und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Informationen ermittelt werden können, die für die Aufklärung einer Straftat wesentlich sind. Die Beschlagnahme darf daher weder „zur Sicherheit“ noch „bloß zur Vorsicht“ oder erst aus Anlass einer sehr vagen Sachverhaltskonstellation durchgeführt werden, um dadurch erst einen (Anfangs-) Verdacht zu begründen. Vielmehr muss ein begründeter Verdacht vorliegen, dass durch die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten im Sinne des § 115f StPO beweiserhebliche Tatsachen gewonnen werden können, die für die Aufklärung der Tat wesentlich sind. „Verdacht“ ist mehr als eine bloße Vermutung, sondern die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auch die Begehung eines Vergehens oder Verbrechens geschlossen werden kann (RIS Justiz RS0107304). Nach § 115f Abs 3 StPO haben die Anordnung und die gerichtliche Bewilligung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten die Bezeichnung des Verfahrens, den Namen des Beschuldigten, soweit dieser bekannt ist, die Tat, derer der Beschuldigte verdächtig ist und ihre gesetzliche Bezeichnung sowie die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Anordnung und Bewilligung zur Aufklärung der Tat voraussichtlich erforderlich und verhältnismäßig sind, anzuführen und über die Rechte des von der Anordnungsbewilligung Betroffenen zu informieren; darüber hinaus haben sie die Umschreibung der Datenkategorien und Dateninhalte, die zu beschlagnahmen sind, und in Bezug auf welchen Zeitraum dies zu erfolgen hat, zu enthalten.

Nicht nur, dass – wie vom Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigt – eine dem Gesetz entsprechende Konkretisierung der Datenkategorien unterblieben ist, erweist sich bereits der mit inhaltsleerer Begründung in den Raum gestellte, nicht einmal einen mutmaßlichen Sorgfaltsverstoß des A* behauptende (nach der vorgelegenen Aktenlage auch nicht begründbare) Tatverdacht, zu dessen Aufklärung die Beschlagnahme des Datenträgers erforderlich sein soll, als derart unzureichend (§ 86 Abs 1 vierter Satz StPO), dass eine Kassation des Beschlusses unvermeidbar ist (§ 89 Abs 2a Z 3 StPO).

Dem Erstgericht wird aufgetragen, nach fundierter Auseinandersetzung mit den vorliegenden Beweisergebnissen und Abklärung der (nach der Aktenlage fragwürdigen) Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahme in einem dem Begründungserfordernis gerichtlicher Beschlüsse gerecht werdenden Weise neuerlich zu entscheiden.