21Bs269/25z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Frigo in der Strafsache gegen A* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Juli 2025, GZ ** 8, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Das gegen A* von der Staatsanwaltschaft Wien zu ** geführte Ermittlungsverfahren wegen §§ 15, 146 StGB wurde mit Verfügung vom 11. April 2025 gemäß § 190 StPO eingestellt (ON 1.2).
Mit Schreiben vom 27. Mai 2025 (ON 7.2) beantragte A* die Zuerkennung eines Kostenbeitrags gemäß § 196a Abs 1 StPO unter Anschluss eines Kostenverzeichnisses über 1.889,04 Euro (inklusive Kosten für den Kostenbestimmungsantrag).
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 8) bestimmte die Erstrichterin den gemäß § 196a Abs 1 StPO vom Bund zu tragenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren mit insgesamt 200,- Euro und wies die Buchhaltungsagentur des Bundes an, diesen Betrag nach Rechtskraft des Beschlusses auf das Konto des Verteidigers Martin Fürthaler, LL.M. (WU), Msc. (WU) zu überweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des A*, der eine angemessene Erhöhung des Kostenbeitrags, zumindest 600,- Euro, begehrt (ON 9).
Rechtliche Beurteilung
Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird, dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von 6.000,- Euro nicht übersteigen.
Das Höchstmaß des Beitrags kann bei Verfahren, die durch außergewöhnlichen Umfang oder besondere Komplexität ausgezeichnet sind, sowie im Fall der Überschreitung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens um die Hälfte überschritten und im Fall extremen Umfangs des Verfahrens auf das Doppelte erhöht werden (§ 196a Abs 2 StPO).
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage soll der Pauschalkostenbeitrag in einem Höchstbetrag der Grundstufe (Stufe 1) in Höhe von 6.000,- Euro für all jene Verteidigungsfälle zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in diese Kategorie fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen wie zB gefährlichen Drohungen bis hin zu nicht ausufernd komplexen Wirtschaftsstrafsachen reicht, kann sich der Betrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind an Hand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen Hand in Hand mit dem Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers. Ausschlaggebend sind daher insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden, in seiner Komplexität variablen Sachverhalts, bei dem auch entsprechende, das Ermittlungsverfahren aufwändig gestaltende, erschwerende Umstände zu berücksichtigen sind. Zudem hat die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen zu erfolgen. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren im Regelfall eine Besprechung, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) von rund 3.000,- Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in den AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben (2557 BlgNR 27. GP 5). Bei Verfahren, die – wie gegenständlich – in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringerer Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin 1.500,- Euro, angemessen (vgl auch S 5 der Erläuterungen zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).
In Anwendung der genannten Kriterien ist dem Erstgericht beizupflichten, dass gegenständliches Verfahren den als Beispiel genannten „Standardfall“ merklich unterschreitet, insbesondere ein äußerst geringer Aktenumfang, eine geringe tatsächliche und rechtliche Komplexität sowie eine kurze Verfahrensdauer von rund fünf Wochen vorliegt und der Akt bis zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens lediglich sechs Ordnungsnummern umfasste. Eine Beweisaufnahme fand ebenfalls nicht statt, sondern erstreckte sich neben der Vollmachtsbekanntgabe die einzige aus dem Akt ergebene zweckmäßige Verteidigungshandlung des Verteidigers auf die Erstellung einer Stellungnahme im Umfang einer halben Seite samt Vorlage des Chatverlaufs zwischen der Anzeigerin und dem Beschuldigten (ON 6.4 und ON 6.5).
Ausgehend von den oben dargestellten Bemessungskriterien und Abzug der im Kostenverzeichnis enthaltenen und vom Bund nicht zu ersetzenden Kosten für den Kostenbestimmungsantrag, erweist sich der von der Erstrichterin festgesetzte Betrag zu den Kosten der Verteidigung von 200,- Euro nicht korrekturbedürftig.