32Bs187/25x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Vetter und Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 1. Juli 2025, GZ **-5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** geborene ungarische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 31. Oktober 2023, AZ *, rechtskräftig mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 18. April 2024, AZ *, wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren.
Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 21. Dezember 2026; die Hälfte der Strafzeit wird am 21. September 2025 vollzogen sein (ON 2.4).
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 5) lehnte das Landesgericht St. Pölten als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug gemäß § 133a StVG (ON 2.2) aus generalpräventiven Erwägungen ab.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 6 und 7), der keine Berechtigung zukommt.
Hat ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate, verbüßt, so ist gemäß § 133a Abs 1 StVG vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn (1.) gegen ihn ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot besteht, (2.) er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen, und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird, und (3.) der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen. Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe verbüßt, so ist nach § 133a Abs 2 StVG trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 leg cit so lange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Die Formulierung des § 133 Abs 2 StVG ist bewusst an jene des § 46 Abs 2 StGB angeglichen. Die Verweigerung des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug aus generalpräventiven Gründen gemäß § 133a Abs 2 StVG setzt gewichtige Umstände voraus, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein ( Pieber , WK-StVG § 133a Rz 18; zur Schwere der Tat: Jerabek/Ropper , WK 2 § 46 Rz 16).
Gegen den Strafgefangenen besteht zur IFA-Zahl ** ein rechtskräftiges (vgl Beschwerdeausführungen ON 6.1 S 4) auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (ON 2.3).
Mit seinem Antrag auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG erklärte sich der Strafgefangene bereit, seiner Ausreiseverpflichtung umgehend nachzukommen (ON 2.2).
Dessen ungeachtet sprechen gegenständlich bereits generalpräventive Gründe gegen ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug zum frühestmöglichen Zeitpunkt.
Bereits mit der Strafdrohung des § 205 Abs 1 StGB von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bringt der Gesetzgeber einen hohen sozialen Störwert der vom Verurteilten zu verantwortenden strafbaren Handlung zum Ausdruck.
Dem vollzugsgegenständlichen Urteil des Landesgerichts St. Pölten zu AZ * ist zusammengefasst zu entnehmen, dass sich der Verurteilte, der für den Zeitraum von weniger als einem Monat (29. September 2022 bis 22. Oktober 2022) als 24-Stunden-Pfleger für C*, der in seiner Bewegungsfreiheit so stark eingeschränkt war, dass er sich selbständig nur leicht zur Seite drehen, sich jedoch nicht vollständig umdrehen und aufgrund von starken Schmerzen in den Schultern auch die Arme nicht heben konnte, tätig war, wiederholt zum Genannten ins Bett legte und diesen küssen wollte, was dieser jedoch vehement ablehnte. Am 22. Oktober 2022 drang der Verurteilte schließlich - nach einer Diskussion über die von C* gewählte Lautstärke seines Fernsehers - mit einem Finger mehrere Zentimeter in den Anus des Genannten ein und bewegte den Finger nach dem Eindringen hin und her bis das Opfer ihn lautstark aufforderte, aufzuhören.
Dem Erstgericht ist davon ausgehend zuzustimmen, dass sich in dieser vom Angeklagten gegen eine seiner Pflege anvertrauten und vollständig von ihm abhängigen Person gesetzten Tathandlung, nicht zuletzt auch aufgrund der rücksichtslosen und herabwürdigenden Vorgehensweise fallkonkret jene Aspekte generalpräventiver Natur manifestieren, die im Hinblick auf die dadurch erreichte - im Wege einer überprüfenden Gesamtbewertung als auffallend zu beurteilenden („Schwere der Tat“, RIS-Justiz RS0091863) - Unwerthöhe einer Anwendung des § 133a StVG zum frühestmöglichen Zeitpunkt entgegenstehen. Schon mit Blick auf die besonders vulnerable Situation pflegebedürftiger Personen bedarf es des konsequenten und im vorliegenden Fall zumindest über die Hälfte hinausgehenden Vollzugs der Sanktion, um potentielle Nachahmungstäter von der Begehung derartiger - für die Opfer oft mit schwerwiegenden Folgen einhergehenden - Straftaten abzuhalten und gleichermaßen dem Vertrauen der Bevölkerung auf angemessene Sanktionsdauer Rechnung zu tragen.
Diesem Kalkül hat der Verurteilte mit seiner, insbesondere auf die geringe Anzahl männlicher ungarischer Pflegekräfte sowie die Kriminalstatistik verweisenden, Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Mit seinen weiteren, auf seine nunmehrige Alkoholabstinenz, die beigefügte (nicht übersetzte) Einstellungszusage (6.2) sowie die bereits erfolgte Auseinandersetzung mit der Tat Bezug nehmenden Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer, dass im Rahmen des § 133a Abs 2 StVG neben der Schwere der Tat ausschließlich generalpräventive Erwägungen Berücksichtigung finden.
Da der angefochtenen Beschluss somit der Sach- und Rechtslage entspricht, war der dagegen gerichteten Beschwerde ein Erfolg zu versagen.