32Bs128/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und die fachkundige Laienrichterin Hofrätin Mag. Killinger, BA MA als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 10. Jänner 2025, GZ *-11 sowie dessen Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1.) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
2.) Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Mit dem bekämpften Beschluss wies das Vollzugsgericht eine Beschwerde des A* vom 6. Mai 2024 (ON 2) als unzulässig zurück.
Begründend führte das Erstgericht aus, dass sich das Beschwerdevorbringen nicht gegen eine nach § 16 Abs 3 StVG bekämpfbare Entscheidung, Anordnung oder ein Verhalten der Anstaltsleitung richte.
Dagegen richtet sich die als Beschwerde, Antrag auf die umfassende Verfahrenshilfe und sofortige Wiederaufnahme des Verfahrens wegen unverschuldeter Fristversäumnis bezeichnete Eingabe des A* vom 14. April 2025, eingelangt beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 17. April 2025 (ON 15).
Zum Antrag auf Verfahrenshilfe führt der Genannte aus, dass die umfassende Verfahrenshilfe für alle Rechtsschritte/-mittel einschließlich aller obergerichtlichen Instanzen sowie die Beigabe eines „fachlichen Verfahrenshelfers“ gemäß Art 47 GRC, § 61 Abs 2, 4 StPO iVm Art 3, 5.1, 6 EMRK zur Erhebung einer fachlichen Beschwerde an obergerichtliche Instanzen begehrt werde.
Im Übrigen führt A* zum „Fristverlust“ aus, dass er bereits mit 20. Dezember 2024 bzw 7. Februar 2025 gemäß § 92 Abs 3 StVG sowie § 73 Abs 1 AVG schriftlich den Antrag an die Zentrumsleitung gestellt habe, ihm einen aus einem Schmerzengeldanteil stammenden Geldbetrag zur freien Verfügung auf sein GGV-Konto retour zu buchen, was jedoch bis dato nicht der Fall gewesen sei. Auch missachte die Zentrumsleitung im Vorsatz die EO sowie sämtliche weiteren verfassungsrechtlichen Gesetze. Daher habe er nicht fristgerecht Postwertzeichen erwerben können. Von Bekannten in seiner Privatpost zur Verfügung gestellte Postwertzeichen würden durch die Zentrumsleitung permanent im Vorsatz entwendet. Aus diesen Gründen sei eine sofortige Wiederaufnahme bzw Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geboten und rechtens, da der Fristverlust in diesem (und zahlreichen anderen Verfahren) nicht von ihm verschuldet worden sei.
Ad Beschwerde:
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist verspätet.
Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Wie aus der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses zutreffend hervorgeht (ON 11 S 3), kann gemäß § 121 Abs 5 StVG gegen eine Entscheidung des Vollzugsgerichts binnen sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien wegen Rechtswidrigkeit erhoben werden. Die Beschwerdefrist endete ausgehend von der Zustellung der Entscheidung an A* am 14. Jänner 2025 (Zustellschein ON 12.2 S 3) daher am 25. Februar 2025, um 24.00 Uhr (vgl § 32 Abs 1 AVG).
§ 33 Abs 3 AVG normiert ein „Postlaufprivileg“, wonach eine verfahrensrechtliche Frist gewahrt ist, wenn das fristgebundene Anbringen am letzten Tag der Frist einem zur Übernahme für ein Postamt befugten Postorgan übergeben wurde; zu solchen zählen nach dem VwGH bei Häftlingen auch die Anstaltsorgane eines Gefangenenhauses (VwGH 9. September 1993, 93/01/0151; Hengstschläger/Leeb , AVG § 33 Rz 3).
Im Hinblick darauf, dass die Beschwerde (sowohl auf dem Schreiben selbst als auch auf dem Kuvert, vgl ON 15 S 1 und 5) mit 14. April 2025 datiert ist, kann auch eine allfällige Übergabe an Anstaltsorgane der Justizanstalt zur Eintragung ins Fristenbuch nicht vor diesem Tag und daher – wie vom Beschwerdeführer auch selbst erkannt - nicht rechtzeitig erfolgt sein. Die Beschwerde war daher als verspätet zurückzuweisen.
Daran vermag auch der – mit der Beschwerde verbundene - Antrag des A* auf „Wiederaufnahme des Verfahrens wegen unverschuldeter Fristversäumnis“ nichts zu ändern.
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei diesem Antrag dem Vorbringen nach – trotz der teilweise missverständlichen Wortwahl (arg „Wiederaufnahme“, „Wiederaufnahme bzw Einsetzung in den ursprünglichen Verfahrensstand“) – im Hinblick auf den wiederholten Verweis auf das Versäumen der (offenkundig gemeint) Beschwerdefrist zweifellos um einen solchen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand handelt.
Die Beurteilung einer möglichen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand richtet sich nach § 71 AVG, der aufgrund der Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 1 StVG sinngemäß zur Anwendung kommt.
Die Entscheidung über einen solchen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist kommt dabei jener Behörde bzw konkret jenem Gericht zu, das die Entscheidung in erster Instanz erlassen hat, weil Beschwerden gemäß § 121a Abs 1 Z 2 StVG bei diesem einzubringen sind (vgl dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 133 mwN). Im gegenständlichen Fall ist daher das Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag des A* berufen, welches bislang noch keine Entscheidung getroffen, jedoch – ohne dem Antrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl § 71 Abs 6 AVG) - die Beschwerde bereits zur Entscheidung an das Oberlandesgericht vorgelegt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zu § 71 AVG ist – sofern dem Wiedereinsetzungsantrag keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde - die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels unabhängig von einem bloß anhängigen, aber noch nicht entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag sogleich aufgrund der Aktenlage zu entscheiden. Sofern die Wiedereinsetzung später bewilligt wird, tritt in einem solchen Fall die Zurückweisungsentscheidung von Gesetzes wegen außer Kraft (VwGH Ra 2014/03/0056; vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 153 mwN).
Ausgehend von diesen Prämissen ändert daher der Umstand, dass über den Antrag des A* auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bislang nicht entschieden wurde, nichts an der Beurteilung seiner Beschwerde als verspätet.
Ad Verfahrenshilfe:
Zum Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe ist darauf zu verweisen, dass Verfahrenshilfe im gegenständlichen Verfahren nicht vorgesehen ist, weil die Strafprozessordnung in den Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung entfaltet, sodass allein die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG zur Anwendung kommen, welche die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorsehen (RIS-Justiz RW0000767; Pieber in WK² StVG § 17 Rz 19; Drexler/Weger , StVG 5 § 17 Rz 7). Mangels subsidiärer Wirkung der StPO kommt die Bestimmung des § 61 StPO somit nicht zur Anwendung .
Im vorliegenden Fall handelt es sich auch um keine unter Art 6 Abs 1 EMRK fallende Rechtssache, weil weder ein Verfahren über eine strafrechtliche Anklage, noch über eine Streitigkeit wegen „civil rights“ iSd Art 6 EMRK vorliegt. Auch aus Art 3 und 5 EMRK kann kein Anspruch auf Verfahrenshilfe abgeleitet werden.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang weiters Art 47 GRC ins Treffen führt, ist vorauszuschicken, dass dieser Bestimmung zufolge Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, Prozesskostenhilfe bewilligt wird, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.
Die GRC gilt jedoch gemäß ihrem Art 51 Abs 1 erster Satz für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe fällt, wenn kein Zusammenhang mit der Umsetzung, Auslegung oder Vollziehung von Unionsrecht besteht, nicht in den Anwendungsbereich der GRC ( Holoubek/Oswald , GRC-Kommentar² Art 51 Rz 23).
Aus diesen Gründen war daher auch der neuerliche Antrag auf Verfahrenshilfe zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.