JudikaturOLG Wien

21Bs222/25p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
14. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 3. Juni 2025, GZ ** 22, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der am ** geborene afghanische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. April 2025, rechtskräftig seit diesem Tag, AZ **, wegen als Jugendlicher begangener Vergehen nach §§ 83 Abs 1 und Abs 3 Z 2, 107 Abs 1; 125 StGB verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten.

Das errechnete Strafende (unter Berücksichtigung des § 148 Abs 2 StVG) fällt auf den 18. September 2025 (ON 3, 1). Die Hälfte der Strafzeit verbüßte er am 18. Juni 2025, zwei Drittel der Strafzeit werden am 18. Juli 2025 vollzogen sein (ON 3, 2).

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des A* nach Verbüßung sowohl der Hälfte als auch von zwei Dritteln der Strafzeit gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 und 2 StVG – in Übereinstimmung mit den ablehnenden Äußerungen der Staatsanwaltschaft (ON 1.4) sowie des Leiters der Justizanstalt ** (ON 2) - zusammengefasst aus spezialpräventiven Bedenken ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Empfang des Beschlusses sofort erhobene und (entgegen der Ankündigung) in weiterer Folge nicht weiter ausgeführte Beschwerde des A* (ON 23), der keine Berechtigung zukommt.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 17 JGG ist einem wegen als Jugendlicher begangenen Straftat Verurteilten der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, wenn er die Hälfte der über ihn verhängten Freiheitsstrafe, mindestens jedoch einen Monat verbüßt hat, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.

Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, insbesondere der Art der Tat, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 46 Rz 15/1). Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird und somit zumindest gleiche Wirksamkeit zugebilligt werden kann, ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.

Angesichts der hier auch zu beurteilenden bedingten Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit ist weiters zu berücksichtigen, dass diese nach erkennbarer Intention des Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 der Regelfall sein und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos beschränkt bleiben soll ( Jerabek/Ropper aaO Rz 17).

Angesichts der Begehung der dem vollzugsgegenständlichen Urteil zugrundeliegenden Taten als Jugendlicher ist der auch mit generalpräventiven Bedenken argumentierenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau entgegenzuhalten, dass für die bedingte Entlassung gemäß § 17 JGG außer Betracht zu bleiben hat, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Vorliegend spricht gerade das bei A* gegebene – den Ausnahmefall zur bedingten Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe darstellende – evidente Rückfallrisiko gegen eine bedingte Entlassung. Denn dieses lässt sich beim Strafgefangenen in Übereinstimmung mit den erstgerichtlichen Ausführungen bereits aus seinem aus der Strafregisterauskunft hervorgehenden getrübten Vorleben ableiten.

Die Strafregisterauskunft des A* weist neben der in Vollzug stehenden vier weitere Verurteilungen, von denen zwei zueinander im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehen, und somit drei Vorstrafen auf. Weiters ist ihr zu entnehmen, dass A* bereits zweimal das Haftübel verspürt hat und bereits mehrfach Resozialisierungschancen und -hilfen in Form von bedingten Strafnachsichten, Verlängerungen von Probezeiten, Beistellung von Bewährungshilfe und einer bedingten Entlassung zuteil wurden. Dessen ungeachtet wurde er nach der bedingten Entlassung am 21. Juni 2023 aus dem Vollzug einer über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. April 2023, AZ **, wegen § 27 Abs 2a und Abs 5 SMG verhängten viermonatigen Freiheitsstrafe innerhalb von lediglich vier Monaten wiederum neuerlich straffällig. Nach der nächsten Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 18. Jänner 2024, rechtskräftig seit diesem Tag, AZ **, mit der über ihn wegen des Verbrechens des teils durch Einbruch begangenen Diebstahls, der Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung, des Vergehens der gefährlichen Drohung und des Vergehens der Sachbeschädigung eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten verhängt worden war, beging er nach dem Vollzug des unbedingt verhängten Teils der Freiheitsstrafe von vier Monaten am 23. Februar 2024 (ON 7, 2) - ungeachtet offener Probezeiten, der Beigebung von Bewährungshilfe und der Erteilung einer Weisung zur stationären Entwöhnungsbehandlung (vgl. ON 11, 5) die der Anlassverurteilung zugrundeliegenden Sachbeschädigungen und gefährlichen Drohungen sowie eine Körperverletzung.

Dies zeigt deutlich die Erfolglosigkeit der A* bisher gebotenen Resozialisierungshilfen auf, die ihn genausowenig wie das bereits mehrfache Verspüren des Haftübels vom raschen Rückfall in einschlägige Delinquenz anhalten konnte und spricht für eine aus diesem Vorleben ableitbare deutliche Negativeinstellung des Beschwerdeführers gegenüber den rechtlich geschützten Werten unserer Gesellschaft, insbesondere der körperlichen Integrität, des Vermögens und der Freiheit und somit für eine bei A* vorhandene beharrliche kriminelle Energie.

Ungeachtet des noch jugendlichen Alters des Beschwerdeführers lässt sich daraus das vom Gesetzgeber als Ausnahmefall vorgesehene evidente Rückfallrisiko ableiten, das vorliegend einer bedingten Entlassung auch nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit unüberwindbar entgegensteht.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Stellungnahme des psychologischen Dienstes wie jener der Kinder- und Jugendhilfe (vgl. ON 19) zu entnehmen ist, dass die Suchtgiftabhängigkeit des A* ein großer Risikofaktor für sein kriminelles Verhalten darstelle, er – wie auch das Erstgericht wiedergibt – für eine Suchtgifttherapie, wenn überhaupt nur oberflächlich, grundsätzlich aber kaum authentisch Compliance zeige und vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeit, juvenil-dissozialer und impulsiver Anteile und dem „Vorbeiagieren am System“ die Therapiefähigkeit eingeschränkt gegeben und eine nachhaltige Änderung derzeit wenig wahrscheinlich scheine (ON 18.3). Aufgrund dieser Umstände, die das negative Kalkül zusätzlich zu dem bereits aus der Strafregisterauskunft abzuleitenden getrübten Vorleben noch verstärken, ist auch nicht ersichtlich, mit welchen Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB diesen wirksam begegnet werden könnte, zumal bereits in der Vergangenheit weder die Beigebung von Bewährungshilfe noch die Weisung zu einer stationären Suchtgifttherapie ihn davon abhalten konnten, jeweils sofort wieder einschlägig rückfällig zu werden.

An der dargestellten individualpräventiv deutlich negativ geprägten Zukunftsprognose vermag auch die Äußerung der ** Kinder- und Jugendhilfe, wonach geplant sei, A* in ein betreutes Wohnen zu übernehmen und dort mindestens bis zu seiner Volljährigkeit zu betreuen (ON 19), wenig zu ändern.

Vielmehr ist dem Erstrichter zuzustimmen, dass es ungeachtet des jugendlichen Alters des Strafgefangenen des konsequenten weiteren Strafvollzugs bedarf, um durch ausreichende Abschreckung den Strafgefangenen doch noch zu einem Umdenken zu bewegen.

Der gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss gerichteten Beschwerde ist somit ein Erfolg zu versagen.

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