JudikaturOLG Wien

30Bs116/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richt-erinnen Dr. Steindl und Dr. Hornich LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* und weitere Angeklagte wegen §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über den Einspruch der B* gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 10. März 2025, AZ **, GZ **-39 des Landesgerichts für Strafsachen Wien nichtöffentlich entschieden:

Spruch

Der Einspruch wird abgewiesen .

Die Anklageschrift ist rechtswirksam.

Text

Begründung

Die vorliegende Anklageschrift legt (unter anderem) der am ** geborenen türkischen Staatsangehörigen B* das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB zur Last.

Danach haben in ** im Zeitraum von zumindest Sommer 2022 bis zumindest Dezember 2023 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, und zwar durch die Vorgabe mit der Firma „C* e.U“ Dienstleistungen zu erbringen, und zwar die Getäuschten bei Behördenwegen zu unterstützen und Anträge für diese zu erledigen, zu Handlungen, und zwar zum Abschluss eines „Dienstleistungsvertrages“ und Leistung von Zahlungen verleitet, wodurch diese in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden, und zwar,

I./ A* gewerbsmäßig (§ 70 StGB)

A./ D* und E* F* zur Zahlung von insgesamt 17.703 Euro durch die Vorgabe, drei Pensionsverträge zu beantragen und ein Gewerbeausübungsverbot aufheben zu lassen;

B./ G* und H* I* zur Zahlung von insgesamt 25.000 Euro durch die Vorgabe, Anträge zur Erlangung zweier Pensionsverträge und Anträge zur Erlangung von drei Behindertenpässen zu stellen, wobei lediglich die Anträge zur Erlangung von Behindertenausweisen gestellt wurden;

C./ J* zur Zahlung von insgesamt 6.186 Euro durch die Vorgabe, einen Antrag zur Erlangung eines Pensionsvertrages und einen Antrag zur Erlangung eines Behindertenpasses zu stellen;

D./ K* zur Zahlung von insgesamt 5.581 Euro durch die Vorgabe ihr Wohnticket „vorziehen“ zu können und ihr eine Vier-Zimmer-Wohnung über L* zu verschaffen, wobei ihr ein Betrag von 500 Euro rückerstattet wurde;

E./ M* und N* O* zur Zahlung von insgesamt 19.032,02 Euro durch die Vorgabe, einen Antrag zur Erlangung einer Berufsunfähigkeitspension und einen Antrag zur Erlangung eines Behindertenausweis zu stellen;

F./ P* und Q* R* zur Zahlung von insgesamt 14.070,06 Euro durch die Vorgabe, eine Aufenthalts- sowie Arbeitserlaubnis für dessen Bruder und Schwägerin zu erlangen;

G./ S* und T* U* zur Zahlung von insgesamt 15.681 Euro durch die Vorgabe, einen Antrag zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie einen Antrag zur Erlangung der Taxilenkberechtigung zu stellen;

H./ V*, W* und X* Y* zur Zahlung von insgesamt 18.944,01 Euro durch die Vorgabe, drei Anträge zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu stellen;

I./ Z* zur Zahlung von insgesamt 4.401 Euro durch die Vorgabe, für diese ein Wohn-Ticket mit begründetem Wohnbedarf zu erlangen, wobei in weiterer Folge 3.100 Euro rückerstattet wurden;

J./ BA* und BB* BC* zur Zahlung von insgesamt 10.213,06 Euro durch die Vorgabe, zwei Anträge zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu stellen;

K./ BD* zur Zahlung von insgesamt 12.216 Euro durch die Vorgabe, einen Antrag auf Feststellung des Behindertengrades sowie einen Antrag auf Erlangung eines Behindertenpasses zu stellen;

L./ BE* zur Zahlung von insgesamt 4.200 Euro durch die Vorgabe, diesem eine Genossenschaftswohnung zu besorgen;

M./ BF* und BG* BH* zur Zahlung von insgesamt 9.556 Euro durch die Vorgabe, Förderungen für seine zwei Firmen zu erlangen;

N/ BI* und BJ* BK* zur Zahlung von insgesamt 24.942,02 Euro durch die Vorgabe, eine Aufenthalts- sowie Arbeitserlaubnis für den Neffen von BI* BK* zu besorgen;

II./ B* (ergänze:) gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) zu den Handlungen des A* beigetragen, indem sie zu den Handlungen I./B./, I./E./, I./F./ und I./H./ Vermittlungstätigkeiten sowie insbesondere Übersetzungsleistungen tätigte;

III./ BL* (ergänze:) gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) zu den Handlungen des A* beigetragen, indem sie zu den Handlungen I./A./, I./C./, I./D./, I/G./, I./I./, I./J./ und I./M./ Vermittlungstätigkeiten sowie insbesondere Übersetzungleistungen tätigte.

Gegen diese Anklageschrift richtet sich der rechtzeitige Einspruch der B*, in dem – ohne nähere Darlegung – die Begehung einer strafbaren Handlung in Abrede gestellt wird (ON 41).

Rechtliche Beurteilung

Der Einspruch ist nicht berechtigt .

Gemäß § 212 StPO steht dem Angeklagten gegen die Anklageschrift ein Einspruch zu, wenn (Z 1) die ihm zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt (Z 2), Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist, (Z 3) der Sachverhalt nicht soweit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt (Z 4), die Anklage sonst an wesentlichen formellen Mängeln leidet (§ 211 StPO), (Z 5 und 6) die Anklageschrift ein sachlich oder örtlich nicht zuständiges Gericht anruft, (Z 7) der nach dem Gesetz erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten fehlt oder (Z 8) die Staatsanwaltschaft das Verfahren zu Unrecht nachträglich gemäß § 205 Abs 2 StPO oder nach § 38 Abs 1 oder 1a SMG fortgesetzt hat.

Demnach obliegt dem Einspruchsgericht lediglich die Prüfung, ob die Anklageschrift den Erfordernissen der §§ 210 Abs 1, 211 Abs 1 StPO entspricht, den im Verfahren entscheidungswesentlichen Sachverhalt in Übereinstimmung mit den Erhebungsergebnissen zur Darstellung bringt, die aus den objektiven Unterlagen gezogenen Schlüsse der Anklagebehörde und die daran geknüpften rechtlichen Darlegungen zur objektiven und subjektiven Tatseite denk-richtig und möglich sind bzw der Einspruchswerber Umstände aufzeigt, die zu einem logisch nicht lösbaren Widerspruch führen. Die Beweislage ist nach ständiger Judikatur als ausreichend anzusehen, wenn sie einen einfachen Tatverdacht begründet, somit bei der Gegenüberstellung aller be- und entlastender Indizien ein Schuldspruch zumindest als wahrscheinlich anzusehen ist ( Birklbauer in Fuchs / Ratz , WK § 210 Rz 5; § 212 Rz 15).

Wie die Oberstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend darlegt, liegen die Voraussetzungen für eine Anklageerhebung vor, zumal die von der Staatsanwaltschaft nachvollziehbar und aktenkonform dargestellten Ergebnisse des Beweisverfahrens auch unter Berücksichtigung der einen Betrugsvorsatz in Abrede stellenden Verantwortung der Einspruchswerberin (ON 23.3) ausreichen, um sie der vorgeworfenen Taten hinreichend für verdächtig zu halten.

Nach den Erhebungen der Landespolizeidirektion **, GZ **, (zuletzt ON 33.2), insbesondere den belastenden Angaben der mutmaßlich Geschädigten, den von diesen vorgelegten Urkunden (Dienstleistungsverträge ua ON 16.13; Rechnungen ua ON 16.17, Zahlungsbelege ua ON 16.16) und der die tatsächlich nicht erfolgte Antragstellung bestätigenden Angaben der zuständigen Behörden (ON 31.2), ist der bereits im engsten Sinn einschlägig vorbestrafte (ON 35) Erstangeklagte A* verdächtig, als leitender Angestellter des Einzelunternehmens „C* e.U“ gewerbsmäßig die im Spruch genannten Personen über seine Absicht, für diese Dienstleistungen (ua Erledigung von Behördenwegen, Intervention zur Erlangung von Mietwohnungen) zu erbringen, getäuscht und zur Zahlung von großteils 5.000 Euro weit übersteigenden Geldbeträgen für die in der Folge nicht erbrachten Leistungen verleitet zu haben. Die in diesem Unternehmen von März 2022 bis Februar 2023 beschäftigte (ON 33.6) Zweitangeklagte B* soll zu den zu I./B./, I./E./, I./F./ und I./H./ angeführten Tathandlungen beigetragen haben, indem sie die Kunden I*, O*, R* und Y* anwarb und am Abschluss der von ihr auch unterfertigten Dienstleistungsverträge mitwirkte (belastenden Zeugenaussagen ON 15.3, ON 16.2, ON 16.5, ON 16.6). Der Verantwortung der Einspruchswerberin, in Unkenntnis der inkriminierten Betrügereien lediglich Dolmetscherleistungen erbracht zu haben (ON 23.3), zuwider belastet sie der Erstangeklagte A* in seiner Stellungnahme dahingehend, dass sie sich um Kundenaufträge „gekümmert“ und auch mehrere Kunden angeworben habe (ON 17.46, 3).

Der hinreichende Tatverdacht zur subjektiven Tatseite der Beschuldigten, sie habe es zumindest ernsthaft für möglich gehalten und sich damit abgefunden, durch die Erbringung von Vermittlungs- und Betreuungstätigkeiten zu den nach der Verdachtslage vom Erstangeklagten als unmittelbarer Täter begangenen, wertqualifizierten (§ 147 Abs 2 StGB) Betrügereien I./ B./, I./E./, I./F./ und I./H./einen Beitrag zu leisten, lässt sich hinreichend aus dem objektiven Tatgeschehen (insbesondere der Bekräftigung der Legalität der angebotenen Leistungen gegenüber den Kunden; Ausüben von Druck ON 15.3,5) und der Tatsache, dass für den Abschluss von Verträgen zusätzlich zu dem vereinbarten Monatslohn Zahlungen geleistet wurden (ON 23.3), ableiten. Der Erhalt dieser Zusatzleistungen begründet derzeit auch einen hinreichenden Verdacht in Bezug auf die für die Annahme einer Gewerbsmäßigkeit nach § 70 StGB erforderliche Täterabsicht, sich (hier:) durch die Beteiligung an wertqualifizierten Betrügereien in vier Fällen selbst eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wobei dies unmittelbar aus der Tat oder mittelbar auf dem Umweg über einen Dritten, aber immer als eine unmittelbare wirtschaftliche Folge der Tat erfolgen kann (RIS-Justiz RS0092444).

Ausgehend von den derzeitigen Beweisergebnissen vermag die Einspruchswerberin den Tatverdacht, der im derzeitigen Verfahrensstadium keinesfalls dringlich zu sein braucht, mit dem bloßen Hinweis auf ihre Gutgläubigkeit nicht zu entkräften.

Ob sich dieser jedoch im Zuge der Hauptverhandlung zu einem Schuldnachweis verdichten lassen wird, muss dem erkennenden Gericht vorbehalten bleiben ( Birklbauer , aaO § 215 Rz 25).

Da keiner der Fälle des § 215 Abs 2 bis 4 StPO vorliegt, war der Einspruch abzuweisen und die Rechtswirksamkeit der den hypothetischen Sachverhalt rechtskonform unter das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB subsumierenden Anklageschrift festzustellen.

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