JudikaturOLG Wien

18Bs163/25i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Primer und Dr. Hornich, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 10. Juni 2025, GZ **-28, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene malische Staatsangehörige A* alias B*, geboren am **, verbüßt in der Justizanstalt * eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. November 2020, rechtskräftig seit 13. April 2021, AZ **, wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1a StGB, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren. Das errechnete Strafende fällt auf den 21. August 2030. Die zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden am 21. August 2025, jene nach 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 21. April 2027 erfüllt sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 28) lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Anstaltsleitung (ON 14) und jener der Staatsanwaltschaft (ON 1.3) sowie nach Anhörung des Strafgefangenen (ON 27) - dessen bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen ab.

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Beschlussverkündung erhobene Beschwerde des A*, der ausdrücklich auf eine Beschwerdeausführung verzichtete (siehe ON 27, 2), in weiterer Folge jedoch eine schriftliche Beschwerde einbrachte (ON 31).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Besonderes Augenmerk ist nach Abs 4 leg.cit. darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung im Bezug auf künftige Straffreiheit voraus ( Jerabek/Ropper , WK² StGB § 46 Rz 15/1). Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose ist insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Erwägungen einzubeziehen. Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Abs 2 leg.cit.).

Die Verweigerung einer bedingten Entlassung aus generalpräventiven Gründen setzt gewichtige Umstände, welche sich aus der Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen eines strafbaren Verhaltens auffallend abheben, voraus. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (iS positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue der Bevölkerung zu beachten. Die Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein; liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen ( Jerabek/Ropper , aaO Rz 16).

Wie das Erstgericht zutreffend ausführt, sprechen gegenständlich spezial- und generalpräventive Erwägungen gegen eine bedingte Entlassung des Strafgefangenen zum frühestmöglichen Zeitpunkt.

Dazu ist zu erwägen, dass die Strafregisterauskunft des Beschwerdeführers (ON 5) neben der in Vollzug stehenden Verurteilung fünf weitere bis in das Jahr 2013 zurückreichende Verurteilungen überwiegend wegen Gewalt- und Suchtgiftdelikten, davon eine Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB, aufweist. Seine ECRIS-Auskunft für Deutschland weist eine Verurteilung wegen Betrugs bei öffentlichen Leistungen sowie bei Sozial- oder Familienleistungen auf (ON 13). Ihm wurden bereits Rechtswohltaten in Form bedingter Strafnachsicht, bedingter Entlassung und Anordnung von Bewährungshilfe gewährt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs der vollzugsgegenständlichen Verurteilung hat A* am 21. August 2020 in **

A. / C*

I./ durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt, indem er ihr Gesäß betastete;

II./ im Anschluss an die in Punkt A./I./ genannte Handlung eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht (§ 15 StGB), indem er ihr

von hinten mit einem Baseballschläger auf den rechten Oberschenkel schlug, wodurch die Genannte eine Prellung und Aufschürfung des rechten Oberschenkels erlitt;

B./ im Anschluss an die in Punkt A./II./ genannte Handlung versucht, D* außer den Fällen des § 201 StGB durch gefährliche Drohung zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen, indem er sie zuerst verfolgte, ihr sodann mit einem Baseballschläger bewaffnet gegenüber trat und letztlich der Genannten über der Kleidung auf die Vagina griff.

Darin manifestiert sich eine erhebliche kriminelle Energie und eine deutliche Negativeinstellung des Beschwerdeführers gegenüber den rechtlich geschützten Werten unserer Gesellschaft, insbesondere gegenüber der körperlichen Integrität und sexuellen Selbstbestimmung anderer.

Zudem ist seine Führung in der Justizanstalt durch mehrere Ordnungswidrigkeiten getrübt (siehe ON 6 bis ON 9).

Nach der Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) nach § 152 Abs 2 StVG vom 16. April 2025 (ON 12) besteht ein überdurchschnittliches Risiko für neuerliche Sexual- und Gewaltdelinquenz. In den vorliegenden Unterlagen finden sich Hinweise auf psychopathologische Auffälligkeiten und eine impulsiv-aggressive Persönlichkeit. Mehrfache Ordnungsstrafverfahren zeigen, dass es ihm selbst in einem strukturierten und kontrollierten Umfeld schwerfällt, sich regelkonform zu verhalten.

Nicht zu kritisierend kam das Erstgericht sohin zur Ablehnung der bedingten Entlassung des Strafgefangenen wegen spezialpräventiver Umstände, gelegen im einschlägig getrübten Vorleben und der bisherigen Vollzugs- und Resozialisierungsresistenz. Daraus resultierend bestehen weiterhin geringe Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit, sodass sich eine bedingte Entlassung somit als weniger geeignet erweist, den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten als der weitere Vollzug der Freiheitsstrafe. Umstände, die für eine positive Verhaltensprognose streiten und das dargestellte negative Persönlichkeitsprofil entkräften könnten, vermochte der Strafgefangene nicht darzustellen. Denn seine Erklärung, wonach er einen Deutschkurs absolviert habe (vgl ON 3), bietet nicht hinreichend Gewähr dafür, dass er keine weiteren Gewalt- und Sexualdelikte begehen werde. Seine mit 1. Juli 2025 datierte Beschwerde (ON 31) ist inhaltlich nicht fassbar. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die bisher in Strafhaft zugebrachte Zeit schon ausgereicht hat, um dem Delinquenten das Unrecht seiner Tat ausreichend vor Augen zu führen und ihn zu einem hinkünftig deliktsfreien Lebenswandel zu veranlassen, woran auch die Möglichkeit allfälliger Begleitmaßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB nichts ändert.

Aber auch generalpräventive Erwägungen sprechen fallbezogen gegen eine bedingte Entlassung nach der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe. Die Wortfolge „Schwere der Tat“ (§ 46 Abs 2 StGB) stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Das Ausmaß der eingesetzten Gewalt bzw die Drohung mit dem Baseballschläger gegen das Opfer des Sexualelikts stellen Umstände dar, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von regelmäßig vorkommenden Gewalt- und Sexualdelikten auffallend abheben. Darüber hinaus bringt der Gesetzgeber bereits durch die Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren (§ 87 Abs 1 StGB) bzw von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (§ 202 Abs 1 StGB) Freiheitsstrafe vorweg einen hohen sozialen Störwert der vom Verurteilten zu verantwortenden strafbaren Handlungen zum Ausdruck. Eine Fortsetzung des Strafvollzugs ist in concreto ausnahmsweise aufgrund der sich in den Tathandlungen manifestierenden Tatschwere erforderlich, um potentiellen Delinquenten nachdrücklich vor Augen zu führen, dass bei der Anwendung bzw Androhung derartiger massiver Gewalt mit spürbaren staatlichen Sanktionen zu rechnen ist.

Da eine bedingte Entlassung zum Hälftestichtag somit an den dargestellten spezial- und generalpräventiven Erwägungen scheitert, ist der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

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