JudikaturOLG Wien

23Bs143/25k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. Februar 2025, GZ **-21.3, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Wohlmuth LL.M., des Privatbeteiligtenvertreters Mag. C* sowie in Anwesenheit des Angeklagten durchgeführten Berufungsverhandlung am 3. Juli 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung wegen Strafe dahin Folge gegeben, dass gemäß § 43a Abs 1 StGB ein Teil der verhängten Geldstrafe im Ausmaß von 75 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen – auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch vom weiteren Vorwurf nach § 107 Abs 1 StGB enthaltenden - Urteil wurde der am ** geborene türkische Staatsangehörige A* B* des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 4 Euro, im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Tagen verurteilt. Gemäß § 369 Abs 1 iVm § 366 Abs 2 StPO wurde er überdies dazu verhalten, D* B*-E* den Betrag von 100 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen. Mit ihrem Mehrbegehren wurde die Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Darnach hat er am 12. Juli 2024 in ** D* B*-E* durch Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand gegen das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch sie eine nicht nur kurzfristige zunächst rötliche, danach bläuliche Hautverfärbung unter dem rechten Auge erlitt.

Bei der Strafzumessung wurden erschwerend die Tatbegehung zum Nachteil einer Angehörigen, mildernd hingegen der bisherige untadelige Lebenswandel gewertet.

Dagegen richtet sich die vom unvertretenen Angeklagten im Sinne eines umfassenden Anfechtungswillens (RIS-Justiz RS0099951) sogleich angemeldete (ON 21.2 S 7: „volle Berufung“), in der Folge erst am Gerichtstag ausgeführte Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung wegen Nichtigkeit war zurückzuweisen, weil der Angeklagte weder in der Anmeldung der Berufung noch in einer schriftlichen Ausführung ausdrücklich erklärt hat, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert erachtet und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will (§§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO). Von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe haften dem Urteil nicht an.

Mit der Berufung wegen Schuld gelingt es ihm nicht, Zweifel an der erstrichterlichen Beweiswürdigung zu erwecken.

Denn die freie Beweiswürdigung ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungsgrundsätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer , StPO 6 § 258 E 30f; Kirchbacher , StPO 15 § 258 Rz 8). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Selbst der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).

Angesichts dieser Prämissen ist die erstrichterliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden:

Denn die Erstrichterin hat – nachdem sie sich in der Hauptverhandlung von beiden unmittelbar Beteiligten einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte - nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, auf Grund welcher Erwägungen sie zur Überzeugung von der Schuld des A* B* gelangt ist. Dabei gründete sie ihre Sachverhaltsannahmen zum äußeren Geschehensablauf auf die für glaubwürdig und übereinstimmend erachteten Angaben der Zeugin D* B*-E* vor der Polizei (ON 2.6) und vor Gericht (ON 16.2 S 10 ff) sowie die unmittelbaren (in der Dokumentation gemäß § 38a SPG festgehaltenen) Wahrnehmungen der Beamten und die mit Zustimmung des Opfers am 12. Juli 2024 erstellte Fotodokumentation der Rötungen unter ihrem rechten Auge (ON 2.10 S 3 f [vgl. ON 16.2 S 13 f, S 17]; ON 2.9). Gewisse Unschärfen in den Schilderungen des Opfers zur genauen Anzahl der Schläge blieben nicht unerwogen, vermochten dessen Glaubwürdigkeit jedoch nicht zu schmälern. Demgegenüber qualifizierte die Erstrichterin die leugnende Verantwortung des Angeklagten (ON 2.5, ON 16.2 S 3 ff, S 19 ff; ON 21.2 S 2 und S 5) als bloße Schutzbehauptung.

Der im Wesentlichen seine bisherige Verantwortung bloß wiederholende Berufungswerber brachte nichts vor, was geeignet wäre, die erstrichterliche Beweiswürdigung sowie die darauf gegründeten Feststellungen in objektiver Hinsicht zu erschüttern. Selbst der um 22.40 Uhr aufgenommene Amtsvermerk im Journaldienst (ON 1.1), wonach keine Verletzungen objektiviert worden sind, vermag den Angeklagten – mit Blick auf die erwähnten Wahrnehmungen der Beamten und die Fotodokumentation - nicht zu entlasten.

Auch bestehen keine Bedenken gegen die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem äußeren Geschehen. Denn eine solche ist - gerade bei leugnenden Tätern - ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar und methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 452).

Die Erstrichterin hat aus den vorliegenden Beweisergebnissen den Denkgesetzen nicht widersprechende Schlussfolgerungen gezogen und hegt auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage.

Konnte der Berufung wegen Schuld damit kein Erfolg beschieden werden, kommt jener wegen Strafe teils Berechtigung zu.

Die von der Erstrichterin berücksichtigten besonderen Strafzumessungsgründe, die vom Berufungswerber nicht kritisiert werden, treffen zu und sind vollständig. Ausgehend von diesen sowie unter weiterer Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien nach § 32 StGB und des vom Erstgericht zutreffend herangezogenen Strafrahmens erweist sich das verhängte Ausmaß der Tagessätze schuld- und tatangemessen. Die Höhe des Tagessatzes wurde ohnedies mit dem Mindestmaß ausgemessen.

Unter Berücksichtigung, dass der nunmehr 57-jährige Angeklagte bis zur gegenständlichen Tat einen ordentlichen Lebenswandel aufwies, es sich um einen einmaligen Vorfall handelte und der Erfolgsunwert gering ist, bedarf es – der nicht näher begründeten Ansicht der Erstrichterin entgegen – aber nicht des Vollzugs der gesamten Strafe, um ihm „das Unrecht seiner Tat entsprechend vor Augen zu führen und ihn von weiterer gleichgelagerter Delinquenz abzuhalten.“ Vielmehr stehen in Anwendung des § 43a Abs 1 StGB einer bedingten Nachsicht eines Teils der Geldstrafe weder spezialpräventive noch mit Blick auf die Art der Tatausführung generalpräventive Erwägungen entgegen. Demnach waren 75 Tagessätze unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen.

Nicht im Recht ist die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche.

Die Erstrichterin hat die für den Privatbeteiligtenzuspruch erforderlichen Feststellungen zum objektiven Tathergang und zur subjektiven Tatseite sowie zur Verletzungsfolge getroffen. Der Zuspruch findet dem Grunde nach in den zivilrechtlichen Schadenersatzbestimmungen (§ 1325 ABGB) Deckung, wobei das Schmerzengeld nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich mit einem Globalbetrag festzusetzen ist (RIS-Justiz RS0031415, RS0031191) und die Bemessung gemäß § 273 ZPO nach freier Überzeugung des Gerichts zu erfolgen hat. Darnach ist der zugesprochene Betrag von 100 Euro aber nicht zu beanstanden.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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