JudikaturOLG Wien

23Bs160/25k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
01. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Staribacher in der Strafsache gegen A* wegen das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 21. Mai 2025, GZ **-76.1, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss, der im Ausspruch über den Ersatz der Barauslagen unberührt bleibt, aufgehoben (§ 89 Abs 2 Z 3 [281 Abs 1 Z 5] StPO) und dem Erstgericht die erneute Entscheidung aufgetragen.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

Begründung:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 6. Mai 2025 (ON 67.3) wurde (der von 19. Dezember 2024 bis 7. Februar 2025 in Haft befindliche) A* von den wider ihn erhobenen Vorwürfen nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB und § 278 Abs 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2025 (ON 74) beantragte er – unter Aufschlüsselung der Leistungen seiner Verteidigung im Gesamtausmaß von 12.627,24 Euro – die Festsetzung eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung gemäß § 196a StPO (gemeint wohl § 393a StPO) im Höchstbetrag.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den Beitrag zu den Kosten der Verteidigung gemäß § 393a Abs 1 StPO – unter gleichzeitiger Abweisung des Mehrbegehrens - mit 3.000 Euro und die zu ersetzenden Barauslagen mit 36,42 Euro, dies mit nachfolgender Begründung:

„Im konkreten Fall entspricht der Betrag von Euro  dem Umfang und der Schwierigkeit der Verteidigung und dem Ausmaß des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers, zumal es sich um ein Schöffenverfahren handelte, jedoch nur eine Verhandlung und kein Rechtsmittelverfahren stattfanden

Zusätzlich zu dem Pauschalbetrag wurden noch die Barauslagen in der Höhe von Euro 36,42 bestimmt.“

Gegen den Zuspruch eines Beitrags zu den Verteidigerkosten in Höhe von lediglich 3.000 Euro richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 77) mit der Anmerkung, dass der festgesetzte Pauschalkostenersatz in der Begründung ziffernmäßig nicht einmal bestimmt bzw. vergessen worden sei, und dem Monitum, dass es sich um ein (ein erhebliches Maß an Vorbereitungszeit mit sich bringendes) Strafverfahren großen Umfanges gehandelt habe, im Zuge des ausgedehnten Ermittlungsverfahrens beispielsweise auch zwei Haftverhandlungen notwendig gewesen seien. All dies unbeschadet der Tatsache, dass der Angeklagte in ** wohnhaft sei, das Strafverfahren aber bekanntlich in einem anderen Bundesland stattgefunden habe, womit weiterer Mehraufwand einhergegangen sei. Denn der Angeklagte habe selbstverständlich ein Recht darauf, eine Rechtsvertretung in seinem Bundesland zu beauftragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung ist unter Bedachtnahme auf den Umfang des Verfahrens, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf im Verfahren vor dem Schöffengericht 30.000 Euro nicht übersteigen. Im Fall längerer Dauer der Hauptverhandlung (§ 221 Abs 4 StPO) kann das jeweilige Höchstmaß des Beitrags um die Hälfte überschritten und im Fall extremen Umfangs des Verfahrens (§ 285 Abs 2 StPO) auf das Doppelte erhöht werden (§ 393a Abs 2 StPO).

Der Pauschalkostenbeitrag in der – hier einen Verteidigungskostenbeitrag bis zu 30.000 Euro vorsehenden – Stufe 1 (Grundstufe) soll sohin grundsätzlich für all jene Verteidigungsfälle zur Verfügung stehen, die – wie der vorliegende – nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Nach den Materialien ist es angezeigt, für ein durchschnittliches Verfahren der Stufe 1 auch von den durchschnittlichen Verteidigungskosten für ein sog. Standardverfahren auszugehen und den sich dabei ergebenen Betrag als Ausgangspunkt für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags heranzuziehen. Da die Bandbreite der Verfahren, die in die Stufe 1 fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in dieser Stufen vorkommen können, reichen, kann sich der Betrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass sich der Verteidigungsaufwand in einem einfachen Standardverfahren vor dem Schöffengericht aus der Vertretung im Ermittlungsverfahren, Teilnahme an der Hauptverhandlung in der Dauer von acht Stunden und Einbringung eines prozessrelevanten Schriftsatzes wie einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Gegenausführung und Teilnahme an der Rechtsmittelverhandlung in der Dauer von zwei Stunden zusammensetzt und unter Heranziehung der Ansätze der AHK (wobei in dieser Berechnung ebenso zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in der AHK verankerten [Erfolgs- und Erschwernis]Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben) einen durchschnittlichen Aufwand an Verteidigerkosten iHv rund 15.000 Euro umfasst (siehe zu alldem EBRV 2557 BlgNR 27. GP 8).

Gemäß § 89 Abs 2a Z 3 StPO kann das Rechtsmittelgericht einen angefochtenen Beschluss aufheben und an das Erstgericht zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung unter sinngemäßer Anwendung des § 293 Abs 2 StPO verweisen, wenn (unter anderem) einer der in § 281 Abs 1 Z 5 StPO angeführten Gründe vorliegt.

Abgesehen davon, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses die Nennung des konkreten Pauschalkostenbeitrags missen lässt, stellt sie sich als Scheinbegründung dar. Denn es werden ohne jeden Aktenbezug pauschal die verba legalia wiedergegeben bzw. (unter Vernachlässigung des Ermittlungsverfahrens und ohne nähere Darstellung) darauf hingewiesen, dass „nur eine Verhandlung und kein Rechtsmittelverfahren stattgefunden hat.“

Dem Beschluss haftet im angefochtenen Umfang somit ein Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO (vgl Tipold in WK-StPO § 89 Rz 14/3; Kirchbacher , StPO 15 § 89 Rz 3/3) an, sodass dieser in Bezug auf die Festsetzung des Pauschalbeitrags nach § 89 Abs 2a Z 3 StPO zu kassieren und das Verfahren in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen war.

Der Ausschluss weiterer Rechtsmittel folgt aus § 89 Abs 6 StPO.

Rückverweise