19Bs83/25g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 84 Abs 4 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. Februar 2025, GZ **-12.1, durch den Senatspräsidenten Mag. Baumgartner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO nichtöffentlich zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Berufung wegen Schuld wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen .
Mit seiner Berufung wegen Nichtigkeit und Strafe sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene serbische Staatsangehörige A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von 15 Monaten für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde der Angeklagte verpflichtet, der Privatbeteiligten B* 3.600 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen; mit ihrem Mehrbegehren wurde die Genannte auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 28. Juli 2024 in ** B*
I./ dadurch, dass er ihr mit der Faust ins Gesicht schlug und ihr, als sie am Boden lag, mit dem Fuß in den Rücken trat, vorsätzlich eine an sich schwere Körperverletzung zugefügt, nämlich einen Bruch des Querfortsatzes des dritten Lendenwirbels rechts verbunden mit einer Einblutung in die regionale Lendenmuskulatur und einen Nasenbeinbruch;
II./ durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen zu einer Handlung zu nötigen versucht, nämlich zur Rückgabe von ihr geschenkten Sachen, auf welche er einen Anspruch zu haben glaubte, indem er sagte, sie bekomme ihr Mobiltelefon erst im Austausch gegen diese zurück.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 13), zu ON 18 ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche.
Rechtliche Beurteilung
Bereits die Berufung wegen Schuld ist berechtigt.
Zwar bestehen grundsätzlich – entgegen dem Rechtsmittelstandpunkt – überhaupt keine Bedenken an der schlüssigen und lebensnahen wie auch ausführlichen Beweiswürdigung des Erstrichters, der die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen entgegen der zum Faktum I./ leugnenden Einlassung des Angeklagten insbesondere auf die für glaubwürdig befundenen Angaben der Zeugin B* stützte, welche sich mit den Verletzungen zeigenden Lichtbildern (ON 2.12) sowie dem Krankenhausbefund vom 29. Juli 2024 (ON 5.2) gut in Einklang bringen habe lassen. Davon ausgehend gelingt es dem Berufungswerber – für sich alleine betrachtet – auch nicht, Zweifel an der vom Erstgericht aufgrund des in der mündlichen Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von der für nicht gegeben erachteten Glaubwürdigkeit des Rechtsmittelwerbers zu erwecken.
Allerdings bringt der Angeklagte im Rahmen der Schuldberufung vor, dass B* anlässlich einer – als Beilage übermittelten (ON 18.3) – polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 17. März 2025 zugestanden habe, die gegen den Angeklagten erhobene Anschuldigung, sie sei von ihm verletzt worden, erfunden zu haben.
Da es unzulässig ist, eine - in der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft angedachte - vorgreifende Beweiswürdigung vorzunehmen und solcherart einem Beweismittel, das nicht ausgeführt wurde, von vornherein den inneren Beweiswert abzusprechen (vgl zB RIS-Justiz RS0099523), ist das angefochtene Urteil in Stattgebung der Berufung wegen Schuld aufzuheben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung sowie Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Im fortzusetzenden Verfahren wird somit das Beweisverfahren zu wiederholen und durch die ergänzende Vernehmung der Zeugin B*, insbesondere zu der im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 17. März 2025 behaupteten Falschbelastung des Angeklagten zu verbreitern sein.
Obwohl sich der Angeklagte zum Schuldspruchfaktum II./ tatsachengeständig zeigte (vgl ON 12 S 3 ff), macht der enge Zusammenhang zwischen den beiden Anklagepunkten bei zweckmäßiger Betrachtung ( Ratz in Fuchs/Ratz , WK StPO § 470 Rz 3) die Kassation des Urteils auch in diesem Schuldspruchpunkt samt Zurückverweisung an das Erstgericht erforderlich.
Mit seiner - durch die Urteilsaufhebung gegenstandslos gewordenen - Berufung wegen Nichtigkeit und Strafe sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche ist der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die vom Erstgericht unterlassene Zustellung der Berufungsausführung an die Privatbeteiligte als Gegnerin der auch wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche erhobenen Berufung wurde vom Berufungsgericht nachgeholt.