Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Richter Mag. Weber LL.M. als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Spreitzer LL.M. und die Richterin Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache der A* nach § 21 Abs 1 StGB über die Beschwerden der B* gemeinnützige GmbH gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes St. Pölten vom 15. Mai 2025, GZ ** (ON 109, 110, 111 und 112), in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
A* wurde mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. September 2020, AZ ** (Ausdruck aus VJ-Register), und des Landesgerichtes St. Pölten vom 3. Mai 2021, AZ ** (ON 8.8), jeweils in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nunmehr: ein forensisch therapeutisches Zentrum) eingewiesen.
Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als (damals zuständiges) Vollzugsgericht vom 11. Jänner 2024 wurde A* gemäß § 47 StGB mit 9. Feber 2024 unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt entlassen. Gleichzeitig wurden gemäß § 51 Abs 3 StGB nachstehende Weisungen erteilt: Wohnsitznahme beim Verein B* **, Inanspruchnahme und Nachweis psychiatrischer Kontrolluntersuchungen inklusive einer antipsychotischen Depotmedikation, Fortsetzung der psychopharmakologischen Therapie inklusive regelmäßiger Spiegelkontrollen, absolute Alkohol und Drogenabstinenz mit entsprechenden laborchemischen Kontrollen und psychotherapeutische Behandlung. Weiters wurde ausgesprochen, dass im Rahmen des § 179a StVG die Kosten vom Bund getragen werden, wobei auch der erhöhte Betreuungsbedarf beim Verein B* ** finanziert werde (ON 11).
Bereits vom 28. Juni 2021 bis zum 8. Feber 2024 hatte sich A* im Rahmen von Unterbrechungen der Unterbringung gemäß § 166 Z 2 lit b (iVm § 165 Abs 2) StVG im Wohnhaus ** der Einrichtung B* befunden (ON 8.5, 1; ON 62). Auch seit der bedingten Entlassung befindet sich die Betroffene weiterhin in der genannten Einrichtung (siehe ON 93).
Zu ON 109:
Am 30. September 2024 legte die B* gemeinnützige GmbH eine Rechnung über insgesamt 15.308,70 Euro. Im Einzelnen wurde darin für den Leistungszeitraum 1. bis 30. September 2024 30 Tage zu je 463,90 Euro, insgesamt 13.917 Euro netto, + 10% USt, insgesamt somit 15.308,70 Euro verrechnet (ON 51.1, 1 f). Die Staatsanwaltschaft äußerte sich ablehnend zu dem Betrag unter Hinweis auf einen Höchsttagessatz von „220 Euro“ (ON 51.3, 1).
Ein zunächst vom Landesgericht St. Pölten daraufhin gefasster Beschluss auf Bestimmung der Gebühren der B* gemeinnützige GmbH für den Zeitraum 1. bis 30. September 2024 mit einem Tagessatz von 206,30 Euro mal 30 Tagen, insgesamt somit 6.189 Euro, und Abweisung des Mehrbegehrens (ON 61) wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 16. Dezember 2024 (ON 67.1) aufgehoben.
Nach Beischaffung der zwischen der B* gemeinnützige GmbH und der Republik Österreich abgeschlossenen Vereinbarung (ON 77.1) fasste das Erstgericht neuerlich einen gleichlautenden Beschluss (ON 80), der vom Beschwerdegericht neuerlich kassiert wurde (ON 104.1).
In der Folge schaffte das Erstgericht auch das Behandlungs- und Betreuungskonzept der Beschwerdeführerin bei (ON 108) und bestimmte mit dem angefochtenen Beschluss ON 109 neuerlich für den Zeitraum 1. bis 30. September 2024 die Gebühren der B* gemeinnützige GmbH mit einem Tagessatz von 206,30 Euro mal 30 Tage, insgesamt somit 6.189 Euro, und wies das Mehrbegehren ab.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der B* gemeinnützige GmbH, die „die gesamte Kostentragung für die Intensivbetreuung im Wohnhaus ** für Frau A* gegenüber der B* gemeinnützigen GmbH“ beantragt (ON 118).
Gemäß § 179a Abs 2 StVG hat der Bund die Kosten der Behandlung oder des Aufenthaltes ganz oder teilweise zu übernehmen, wenn einem bedingt Entlassenen die Weisung erteilt worden ist, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen oder in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen, er keinen Leistungsanspruch gegenüber einer Krankenversicherung hat und die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten sein Fortkommen erschweren würde. Der Höhe nach übernimmt der Bund die Kosten jedoch grundsätzlich nur bis zu dem Ausmaß, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau für die Kosten aufkommen könnte, wenn der Entlassene in dieser Krankenversicherung versichert wäre; einen Behandlungsbeitrag (§ 63 Abs 4 B-KUVG) hat der Rechtsbrecher nicht zu erbringen. Die Entscheidung über die Übernahme der Kosten steht dem für die Erteilung der Weisung zuständigen Gericht zu und soll nach Möglichkeit zumindest dem Grunde nach bereits bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung in geeigneter Form berücksichtigt werden.
Im Sinne des letzten Satzes der zitierten Gesetzesbestimmung sprach das ursprünglich zuständige Vollzugsgericht auch schon bei der bedingten Entlassung aus, dass die Kosten vom Bund getragen werden. Der darüberhinausgehende Ausspruch, wonach auch der „erhöhte Betreuungsbedarf beim Verein B* ** finanziert“ werde (ON 11, 2), wurde jedoch der Höhe nach nicht weiter konkretisiert.
Nur das kumulative Vorliegen beider Voraussetzungen (kein Leistungsanspruch gegenüber einer Krankenversicherung und Erschwerung des Fortkommens) begründet somit die Übernahmeverpflichtung des Bundes. Die Limitierung des § 179a Abs 2 StVG bezieht sich auf die ziffernmäßige Höhe der Gebührensätze der BVAEB für jene Leistungen der Krankenbehandlung oder Anstaltspflege aus dem Versicherungsfall der Krankheit (§ 52 Z 2 B-KUVG), die der für die bedingte Nachsicht als notwendig erkannten Behandlung entsprechen oder mit ihr vergleichbar sind. Die Bestimmung der tarifmäßigen Begrenzung der Kostenübernahme bedeutet aber keine inhaltliche Beschränkung der ersatzfähigen Leistungen. Fehlende Gebührensätze der BVAEB sind kein Ausschlussgrund für eine Kostentragung durch den Bund, vielmehr sind dann die Kostensätze für jene Leistungen heranzuziehen, die der als für die bedingte Nachsicht notwendig erkannten Behandlung entsprechen oder mit ihr zumindest vergleichbar sind ( Pieber in Höpfel/Ratz , WK² StVG § 179a Rz 3 ff).
Nach § 179a Abs 3 StVG kann das (nunmehr) Bundesministerium für Justiz mit gemeinnützigen therapeutischen Einrichtungen und Vereinigungen Verträge über die Höhe der vom Bund zu übernehmenden Kosten abschließen und dabei verbindliche Pauschalbeträge vereinbaren. Das Bundesministerium für Justiz hat bereits zahlreiche solche Verträge geschlossen und schließt laufend neue ab. Dadurch entfällt bei der Bestimmung des Kostenersatzanspruchs nach § 179a Abs 2 StVG der mitunter aufwendige Nachweis, ob eine von der gemeinnützigen Einrichtung für zweckmäßig erachtete und auf den Einzelfall abgestimmte therapeutische Maßnahme
Wie bereits in den Beschlüssen des Beschwerdegerichtes ON 67.1 und ON 104.1 ausgeführt, wurde im konkreten Fall vom Bundesministerium für Justiz mit der B* GmbH - wie auch mit zahlreichen anderen Einrichtungen - eine Vereinbarung mit Pauschalsätzen getroffen. Fallaktuell relevant war mit Erlass vom 23. Feber 2023, GZ 2023 0.021.887, eJABl 03/2023, für die B* GmbH für stationäre Intensivbetreuungen ein Betrag von 206,30 Euro vereinbart. Dabei ist zu beachten, dass insgesamt drei verschiedene Betreuungsstufen vorgesehen sind, nämlich Teilbetreuung, stationäre Betreuung und stationäre Intensivbetreuung. Die B* GmbH spricht somit den Betrag für die höchste Betreuungsintensität an. Bezüglich A* schildert die B* GmbH eine besonders intensive Betreuungssituation. Danach bedürfe es einer engmaschigen Betreuung sowie eines klar strukturierten Tagesablaufes, um Impuls und Affektdurchbrüche zu vermeiden. Beinahe täglich müssten deeskalierende Maßnahmen ergriffen werden, die Betroffene benötige einen klar strukturierten Tagesablauf. Bereits in der Früh müsse sie zum Aufstehen und zur Medikamenteneinnahme motiviert werden. Bereits diese Einnahme und die Morgenhygiene würden sporadisch zu ersten Spannungszuständen führen. Auch bevorstehende Arzttermine, Wochenendbesuche von Familienmitgliedern, Haus bzw Zimmerreinigungen und regelmäßige körperliche Aktivitäten müssten immer professionell begleitet werden. A* benötige auch Unterstützung bei der Ordnungs- und Haushaltsführung und bei einer regelmäßigen Körperhygiene. Gelegentlich komme es auch zur Enkopresis (Einkoten). Sie nehme in regelmäßigen Abständen Therapien wahr, nämlich Psychotherapie, Trauma und Gewaltprävention, Sexualberatung, heilpädagogisches Voltigieren und Bewährungshilfe im niederschwelligen Bereich. Sie werde auch weiterhin und auf unbestimmte Zeit eine engmaschige Betreuung, bestenfalls im Einzelsetting, benötigen (ON 58, 1 f). Auch in der Beschwerde wird ein sehr intensives Setting mit einem hohen Anteil an Einzelbetreuung vorgebracht, welches mit der Leistung laut Leistungsvereinbarung nicht vergleichbar sei. Für das Land Niederösterreich würden ebenso sehr intensive Betreuungsformen angeboten, die einen mit A* vergleichbaren Personenkreis betreffen, in denen Tagessätze von 474,15 Euro bezahlt würden.
Aufgrund der verbindlichen Pauschalvereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Justiz und der B* GmbH käme eine höhere Entlohnung nur dann in Betracht, wenn die Betreuungsleistung ausnahmsweise vom Inhalt der Vereinbarung deutlich abweicht (erneut Pieber aaO § 179a Rz 6).
Der Vereinbarung zwischen der B* gemeinnützige GmbH und der Republik Österreich vom 2. März 2015 (ON 77.1) ist in Punkt II Abs 1 zu entnehmen, dass die von Auftragnehmer zu erbringenden stationären Betreuungsleistungen Folgendes umfassen: a. Rund um die Uhr Betreuung, b. Unterstützung oder Anleitung bei der Körperpflege, c. Ausbau und Training der Alltagsfertigkeiten, d. Erweiterung der Fähigkeiten im Bereich der sozialen Kompetenz, e. Psychosoziale Angebote zur Stabilisierung, f. Begleitung in Krisen, g. Fähigkeitsorientierte Aktivität, h. Freizeitbegleitung und i. Angehörigenarbeit (ON 77.1, 5).
All diese Leistungen entsprechen im Großen und Ganzen dem von der Einrichtung geschilderten Betreuungsbedarf der Betroffenen. Auch aus dem gemäß Punkt I Abs 5 einen integrierten Bestandteil bildenden „Konzept“ (ON 108) ist nichts anderes zu entnehmen. Zwar betrifft dieses nunmehr im Akt befindliche Konzept nicht die Wohngruppe der B* in ** (sondern eine in **), doch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Konzepte jeweils wesentliche voneinander unterschieden. Im Übrigen hätten grundlegende, insbesondere tarifwirksame Änderungen der schriftlichen Zustimmung des Auftraggebers bedurft (ON 77.1, 5).
Die vorliegenden Leistungen der Einrichtung B* weichen daher insgesamt nicht in relevantem Ausmaß von den durch die Pauschalvereinbarung gedeckten Leistungen ab.
All dem kann die Beschwerde im Wesentlichen nur erhöhten Betreuungsbedarf, fehlende Marktüblichkeit und frühere anderslautende gerichtliche Entscheidungen entgegenhalten, damit aber die oben genannten Umstände, insbesondere die Verbindlichkeit der Pauschalvereinbarung, nicht widerlegen.
Zu ON 110 bis 112:
Für nachstehende weitere Zeiträume legte die B* gemeinnützige GmbH weitere Rechnungen:
Die Staatsanwaltschaft äußerte sich jeweils ablehnend und beantragte einen Zuspruch eines Kostenersatzes nur im Rahmen der Tarifansätze laut Vereinbarung zwischen der B* gemeinnützige GmbH und dem BMJ (ON 91 und 95.3).
In der Folge bestimmte das Erstgericht die Gebühren mit dem Beschluss ON 110 für den Zeitraum 1. bis 28. Feber 2025 mit 206,30 Euro mal 28 Tage, insgesamt somit 5.776,40 Euro, mit dem Beschluss ON 111 für den Zeitraum 1. bis 31. Jänner 2025 mit 206,30 Euro mal 31 Tage, insgesamt somit 6.395,30 Euro, und mit dem Beschluss ON 112 für den Zeitraum März und Dezember 2024 mit jeweils 206,30 Euro mal 31 Tage, insgesamt zweimal 6.395,30 Euro, in Summe 12.790,60 Euro, und wies jeweils das Mehrbegehren ab.
Dagegen richten sich die Beschwerden ON 115 bis 117 mit inhaltsgleichem Vorbringen wie in ON 118.
Die obigen Überlegungen gelten auch für die Beschlüsse ON 110 bis 112, weshalb auch die dagegen erhobenen Beschwerden nicht im Recht sind.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.
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