31Bs116/25y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über I. die Berufungen der Staatsanwaltschaft wegen Strafe und des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 14. Jänner 2025, GZ ** 22.5, und II. die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO implizite Beschwerde des Angeklagten gegen den gemäß § 50 Abs 1 StGB iVm § 494 Abs 1 StPO gefassten Beschluss nach der unter dem Vorsitz des Richters Mag. Weber LL.M., im Beisein des Richters Mag. Spreitzer LL.M. und der Richterin Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwältes Mag. Hinterleitner sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und dessen Verteidigers Mag. Arthur Machac durchgeführten Berufungsverhandlung am 26. Juni 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Berufung wegen Nichtigkeit werden das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Punkten I/1 und I/2 sowie im Straf , Einziehungs und Verfallsausspruch und der gemäß § 494 Abs 1 StPO gefasste Beschluss aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird der Berufung wegen Schuld nicht Folge gegeben.
Mit ihren Berufungen wegen Strafe werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte, und der Angeklagte darüber hinaus mit seiner impliziten Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 (ergänze: fünfter Fall), Abs 3 SMG (I/1), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (ergänze: erster und zweiter Fall), Abs 4 SMG (I/2) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 3 SMG zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Weiters wurden gemäß § 34 SMG iVm § 26 StGB die im Urteil einzeln angeführten Suchtmittel eingezogen und gemäß § 20 Abs 1 StGB ein Betrag von 1.500 Euro für verfallen erklärt. Mit gleichzeitig gefasstem (gesetzwidrig nicht gesondert, sondern gemeinsam mit dem Urteil ausgefertigten, siehe dazu RIS Justiz RS0126528; Jerabek/Ropper in Fuchs/Ratz , WK StPO § 494 Rz 1) Beschluss wurde gemäß „§ 50 StGB“ für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und dem Angeklagten die Weisung erteilt, seine Suchtmittelabstinenz durch die quartalsmäßige, unaufgeforderte Vorlage von unter Sicht abgegebenen Harntests auf Suchtgift nachzuweisen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat A* in **
I. vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge
1. in der Zeit zwischen 1. Juni 2019 bis 26. Juni 2024 anderen überlassen, indem er an B* und C* insgesamt 250 Gramm Cannabiskraut und 10 THC-hältige elektrische Zigaretten zu einem Preis von 385 Euro verkaufte;
2. am 26. Juni 2024 mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar 17 Stück THC-hältige elektrische Zigaretten, 25 Gramm Cannabiskrautstiele getrocknet, 570 Gramm Cannabiskraut, 10 Glasdosen mit frischem Cannabisharz, 2,3 Gramm „Spice“ und 51,4 Gramm Cannabisharz mit einer Reinsubstanz von 55,88 Gramm Delta-9-THC und 59,7 Gramm THCA, sowie 264 Stück LSD Blättchen, 1,3 Gramm MDMA, 3,2 Gramm Ketamin, 0,6 Gramm Kokain, 34,9 Gramm Ecstasy Tabletten und 21,2 Gramm Heroin,
wobei er die Straftaten vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, sowie
II. zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2022 entgegen einem behördlich auferlegten Waffenverbot nach § 12 WaffG 1 Springmesser doppelseitig geschliffen, 2 Butterflymesser, 1 Springmesser mit gerade ausfahrender Klinge, 1 Luftdruckgewehr ** Kaliber 4,5 mm, 1 Schreckschusspistole **, 1 Schreckschusspistole **, 226 Schuss 9 mm Knallpatronen und 129 ** Knallpatronen, wenn auch nur fahrlässig, besessen.
Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter als erschwerend das Zusammentreffen von drei Vergehen und den relativ langen Deliktszeitraum, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis und den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 24) und in der Folge - unter Rückziehung in den Punkten Nichtigkeit und Schuld (siehe ON 22.5, 6) - nur wegen Strafe ausgeführte (ON 25) Berufung der Staatsanwaltschaft , die eine Anhebung der Sanktion fordert, sowie die rechtzeitig wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 23) und nur in den Punkten Nichtigkeit und Strafe ausgeführte (ON 26) Berufung des Angeklagten , die eine Aufhebung des Urteiles und Neubemessung der Strafe, allenfalls einer Rückverweisung an das Erstgericht begehrt. Gegen den gemäß § 494 Abs 1 StPO gefassten Beschluss richtet sich die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO implizite Beschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Oberstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt, ist hinsichtlich der Punkte I/1 und I/2 bereits die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit im Recht.
Zu I/1:
Für eine Subsumierung unter § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG ist erforderlich, dass der Täter vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem anderen überlässt. Dabei sind Konstatierungen über den Reinheitsgehalt zur Beurteilung des Vorliegens einer solchen Menge unerlässlich (RIS Justiz RS0111350). Nach der Judikatur reicht etwa die Nennung der Bruttomengen mit dem Beifügen, es handle sich hiebei um eine die Grenzmenge jedenfalls übersteigende Quantität, zur Beurteilung einer tatverfangenen Suchtgiftmenge als im Sinne des § 28b SMG nicht aus (siehe etwa RIS Justiz RS0111350 [T10]). Im konkreten Fall ist den erstgerichtlichen Feststellungen bloß zu entnehmen, dass der Angeklagte insgesamt 250 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend Delta 9 THC und THCA sowie 10 THC hältige elektrische Zigaretten verkauft habe. Auch die weitere Konstatierung zu einem Additionsvorsatz auf eine die Grenzmenge übersteigende Menge (allerdings ohne jeglichen Sachverhaltsbezug, all dies US 3), ändert daran nichts. Daher leidet das Urteil hinsichtlich Punkt I/1 am Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO.
Zu I/2:
Die hier entscheidenden Feststellungen zu einer die Grenzmenge übersteigenden Menge traf das Erstgericht durch Verweis in den Entscheidungsgründen (US 3) auf das Referat der entscheidenden Tatsachen im Spruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) insoweit, als es offenbar davon ausging, dass die im Spruch genannten 17 Stück THC hältigen elektrischen Zigaretten, 25 Gramm Cannabiskrautstiele getrocknet, 570 Gramm Cannabiskraut, 10 Glasdosen mit frischem Cannabisharz, 2,3 Gramm „Spice“ und 51,4 Gramm Cannabisharz eine Reinsubstanz von 55,8 Gramm Delta 9 THC und 59,7 Gramm THCA aufwiesen. Wie das Erstgericht auf diese (indirekt) festgestellten Reinsubstanzmengen kam, bleibt jedoch völlig im Dunkeln. Diese Mengen stimmen auch mit den aktenkundigen, vom Bundeskriminalamt ermittelten Suchtgiftquanten (ON 14.17, 4 bis 6) nicht überein. Diese relevanten Feststellungen blieben somit völlig unbegründet, wodurch wie in der Berufung des Angeklagten unter Z 5 (im Ergebnis) zu Recht gerügt der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO vorliegt.
Eine Aufhebung des Urteils in den Punkten I/1 und I/2 und demzufolge auch im Strafausspruch und in den mit I/1 und I/2 im Zusammenhang stehenden Einziehungs und Verfallsaussprüchen sowie auch des Beschlusses war somit unausweichlich.
Im fortzusetzenden Verfahren werden mit nachvollziehbarer Begründung ausreichende Feststellungen zu den tatsächlich angenommenen Reinsubstanzmengen zu treffen sein. Bei Punkt I/2 wird weiters zu berücksichtigen sein, dass die Substanzen „Ketamin“ und „2F-DCK“ als Arylcyclohexylamin-Verbindungen (siehe ON 6.15, 9) nicht von den Bestimmungen des SMG, sondern von jenen des Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetzes (NPSG) erfasst sind (siehe Anlage II Z 8 zur NPSV, BGBl II 2011/468). Weiters wären im Fall eines neuerlichen Schuldspruches zu beiden Anklagepunkten klare Feststellungen auch zu einem Vorsatz zu treffen, der eine die Grenzmenge übersteigende Menge betrifft. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht zur Verfallsentscheidung feststellte, dass der Angeklagte „[a]us derartigen Suchtmittelverkäufen […] zumindest einen Betrag von EUR 1.500,-- […] erlöst“ habe. Zu den hier gegenständlichen Verkäufen konstatierte es aber nur einen Verkaufserlös von 385 Euro (US 3). Mit dem über diesen Betrag hinausgehenden Ausspruch überschritt das Erstgericht aber den Prozessgegenstand, da der Verfall nur Vermögenswerte betreffen kann, die durch die Begehung einer (gemeint natürlich: hier gegenständlichen ) strafbaren Handlung erlangt wurden. Weiters wäre zu beachten, dass eine Weisung, sich regelmäßig einem Harntest zu unterziehen und dem Gericht darüber unaufgefordert Bestätigungen vorzulegen, sich sachlich bloß im Verbot der Begehung einer neuen Straftat erschöpft und daher unzulässig ist (12 Os 97/12z). Schließlich wäre im Fall der neuerlichen Fassung eines Beschlusses nach § 494 StPO dieser gesondert vom Urteil auszufertigen.
Zu Punkt II:
Inhaltlich dieses Punktes wurde die Berufung wegen Nichtigkeit nicht ausgeführt. Zur - ebenso nicht ausgeführten, allerdings dennoch zu behandelnden - Schuldberufung ist auszuführen, dass die vom Erstgericht zu den hier gegenständlichen Waffen getroffenen Feststellungen (US 4 in Verbindung mit dem Urteilsspruch US 1) aufgrund des unstrittigen Akteninhaltes, insbesondere der Sicherstellungen (ON 6.8 und ON 6.11) sowie dem grundsätzlich vom Angeklagten abgegebenen Geständnis (ON 22.4, 3) in objektiver und subjektiver Hinsicht unbedenklich getroffen werden konnten. Auch einen (vom Angeklagten in den Raum gestellten, ON 22.4, 14) Verbotsirrtum konnte das Erstgericht im Ergebnis zutreffend sinngemäß nicht annehmen (US 4). Die Schuldberufung war daher insoweit nicht im Recht.