18Bs138/25p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen „des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB“ über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 28. November 2024, GZ ** 41.4, nach der am 26. Juni 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Heindl und Mag. Lehr als weitere Senatsmitglieder in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Sonja Riener, des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Simon Häussler durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am ** geborene italienische Staatsangehörige A* wurde mit dem angefochtenen – auch unbekämpft gebliebene Verfalls- und Einziehungserkenntnisse enthaltenden - Urteil „des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB“ (vgl aber RIS-Justiz RS0117464 [insbesondere T18]) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in ** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Cannabiskraut, beinhaltend Delta 9 THC und THCA, in einer sowohl in Ansehung der Ein und Ausfuhr (§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG [A bis C]) als auch des Überlassens (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG [D]) jeweils das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
A./ auf dem Luftweg von Spanien nach Österreich eingeführt, und zwar
I./ am 10./11. Juni 2024, am 22./23. Juli 2024 und am 9. August 2024 sowie
II./ am 13./14. August 2024
jeweils einen Koffer mit rund 18 kg Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 1,8 kg reines THC und 900 g reines Delta 9 THC,
III./ am 12. September 2024 einen Koffer mit „rund 17,97 kg“ Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 2.440 g reines THCA und 190 g reines Delta 9 THC,
B./ am 10./11. Juni 2024, am 22./23. Juli 2024 und am 9. August 2024 ausgeführt, und zwar das zu A./I./ genannte Suchtgift, indem er es nach der Einfuhr am Luftweg nach Griechenland weitertransportierte, sowie
C./ am 12. September 2024 ausgeführt, und zwar das zu A./III./ genannte Suchtgift,
D./ am 13./14. August 2024 überlassen und zwar das zu A./II./ genannte Suchtgift an einen nicht bekannten Abnehmer im Inland.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht das mehrfache Übersteigen der 25 fachen Grenzmenge sowie die mehrfache Tatwiederholung und sein getrübtes Vorleben erschwerend, mildernd demgegenüber das umfassende reumütige Geständnis und den Umstand, dass es sich bei Cannabis um ein sogenanntes minderschweres Suchtgift handelt.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 6. Mai 2025, GZ 11 Os 37/25p 5, ist nunmehr über die fristgemäß angemeldete (ON 42) und rechtzeitig ausgeführte Berufung des Angeklagten zu entscheiden, mit der er eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe anstrebt (ON 44).
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Besitz der sichergestellten Suchtgiftmenge (vgl RIS-Justiz RS0111410, RS0117789) nicht verfahrensgegenständlich war.
Im Recht ist der Berufungswerber mit dem Vorbringen, dass die Sicherstellung des tatverfangenen Suchtgifts hinsichtlich der letzten Schmuggelfahrt vom 12. September 2024 als „objektive Schadensgutmachung“ zwar nicht formell als Milderungsgrund, so doch im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze nach § 32 Abs 3 StGB - wenn auch in geringerem Umfang zu berücksichtigen ist ( Riffel , WK 2 StGB § 34 Rz 33; OGH 14 Os 80/07g).
Die weiteren vom Berufungswerber reklamierten Milderungsgründe liegen jedoch nicht vor.
Zunächst hat das Erstgericht den Milderungsgrund des Versuchs nach § 34 Abs 1 Z 13 StGB in Ansehung der Schmuggelfahrt am 12. September 2024 zurecht nicht angenommen, wiewohl im Urteil dieser Umstand fälschlich festgestellt wurde (US 4). Suchtgift führt ein, wer es aus dem Hoheitsgebiet eines Staates in das Hoheitsgebiet eines anderen Staates bringt, die Ausfuhr ist das Gegenstück zur Einfuhr; mit Überschreitung der Grenze ist die Einfuhr vollendet. Am 12. September 2024 hat der Angeklagte einen Koffer mit rund 17,97 kg Cannabiskraut beinhaltend zumindest 2.440g reines THCA und 190g reines Delta 9 THC aus Spanien ausgeführt und nach Österreich eingeführt. Bei Transporten mit dem Flugzeug ist die Einfuhr mit der Landung im Einfuhrland vollendet, auch wenn das Suchtgift noch im Transitraum entdeckt wird (OGH 15 Os 126/88, SSt 59/88; 12 Os 135/92, 11 Os 180/97; vgl L/M/Z, SMG 2 § 27 Rz 35: Vollendung der Einfuhr mit Überfliegen der Grenze; Schwaighofer in Höpfel/Ratz , WK 2 SMG § 27 Rz 30). Dass eine Weiterreise des Suchtgifts nach ** geplant war und hinsichtlich dieser geplanten Ausfuhr die Tat nicht vollendet werden konnte, ändert somit nichts daran, dass die urteilsgegenständliche Straftat (Ein- und Ausfuhr derselben Menge Suchgift über die gleiche Grenze wird als alternatives Mischdelikt angesehen, vgl Schwaighofer aaO § 27 Rz 8 mwN) zu A./III./ und C./ vollendet ist.
Ebenso wenig liegt der vom Berufungswerber reklamierte Milderungsumstand der drückenden Notlage iS des § 34 Abs 1 Z 10 StGB vor. Dieses Strafzumessungskriterium kommt nur dann zum Tragen, wenn die ins Treffen geführte drückende Notlage einen Mangel am notwendigen Lebensunterhalt bewirkt, daher dann nicht, wenn ein aufrechtes Arbeitsverhältnis oder Anspruch auf Sozialleistungen besteht, und überdies darf sie nicht auf Arbeitsscheu oder eine andere asoziale Grundeinstellung zurückzuführen sein, deren typische Folge sie ist ( Riffel , WK-StGB § 34 Rz 24). Nach den Konstatierungen des Schöffensenats befand sich der Angeklagte zwar in einer tristen Vermögenssituation, die aber nach eigenen Angaben auf seinen regelmäßigen Suchtmittelkonsum zurückzuführen ist. Diese im Tatzeitraum bestehende prekäre finanzielle Situation ist durch Einnahme von Suchtmitteln somit selbst verschuldet und stellt den geltend gemachten Milderungsgrund nicht her. Im Übrigen ist den Feststellungen zu entnehmen, dass er in Spanien und Italien Vorverurteilungen aufweist, die ihm offensichtlich eine ordnungsgemäße Integration in die Gesellschaft erschwerten. Auch aufgrund der darin manifestierten wertwidrigen Grundhaltung liegen die Voraussetzungen des § 34 Abs 1 Z 10 StGB beim Angeklagten daher nicht vor. Ergänzend sei angemerkt, dass dieser Milderungsgrund ohnehin nur auf Straftaten anzuwenden wäre, soweit sie der Notlage Abhilfe verschaffen sollen, also nur auf jene Taten, die der Befriedigung existenzieller Lebensbedürfnisse dienen, wovon fallaktuell in Anbetracht des diese Bedürfnisse jeweils weit übersteigenden, vom Angeklagten für die Schmuggelfahrten erzielten Gewinns nicht gesprochen werden kann (vgl OGH 13 Os 38/93).
Das umfassend reumütige Geständnis wurde vom Erstgericht ohnehin mildernd gewertet, wobei sich aus der Gesamtheit der Ausführungen im Urteil ergibt, dass der Schöffensenat bei der Strafbemessung wenngleich nicht formal im Rahmen der Aufzählung der Milderungsgründe ersichtlich auch berücksichtigt hat, dass der Angeklagte die vier anderen Schmuggelfahrten aus freien Stücken zugegeben und damit wesentlich zur Aufklärung beigetragen hat.
Die Gewöhnung bzw Abhängigkeit des Angeklagten von Suchtmitteln ist im vorliegenden Fall nicht mildernd zu werten, denn der Angeklagte hat dazu angegeben, er habe die Straftaten begangen, um seine (Miet-)Schulden mit dem Lohn der Schmuggelfahrten zu bezahlen (ON 41.3, 4), womit er in Abrede stellt, dass er sie vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.
Auch der Einwand, das Erstgericht hätte den Angeklagten als unbescholten ansehen und dies mildernd werten müssen, überzeugt nicht. Unbescholtenheit stellt für sich alleine keinen Milderungsgrund dar (RIS-Justiz RS0091436). Grundsätzlich stehen Vorstrafen der Annahme eines ordentlichen Lebenswandels entgegen, auch ausländische Vorstrafen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 73 StGB, selbst dann, wenn sie in Österreich nur als Verwaltungsübertretungen zu qualifizieren wären. Geringfügige Vorstrafen hindern die Annahme des ordentlichen Lebenswandels nicht. Auch einschlägige Verwaltungsstrafen können den Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB ausschließen ( Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 34 Rz 3). Es trifft zwar zu, dass die in Spanien und Italien festgestellten Verurteilungen überwiegend wegen Lenkens eines Fahrzeugs unter Suchtmitteleinfluss verhängt wurden, was in Österreich im Bereich des Verwaltungsstrafrechts zu ahnden wäre, und dass die vierte Vorstrafe (lediglich) wegen Sachbeschädigung bzw gefährlicher Drohung verhängt wurde und aufgrund der verhängten geringen Sanktion nicht allzu schwer wiegt. Von einem ordentlichen Lebenswandel ist in casu aber dennoch nicht auszugehen, manifestiert sich doch im offenbar jahrelangen und regelmäßigen Konsum von Suchtmitteln durch den Angeklagten (siehe ECRIS Auskünfte ON 3.6, 1 und ON 3.2.1) seine den rechtlichen Werten nicht verbundene Grundhaltung, wobei er in casu im durch Suchtmittel beeinträchtigten Zustand auch ein Fahrzeug lenkte und dadurch zusätzlich eine Gefahr für Leib und Leben anderer darstellte.
Im Übrigen ist das Strafzumessungskalkül des Erstgerichts insofern zu korrigieren als der mildernd gewertete Umstand, dass es sich gegenständlich um Cannabis und sohin ein „minderschweres Suchtgift“ bzw „weiche Drogen“ gehandelt hat, zu entfallen hat, weil die unterschiedliche Gefährlichkeit verschiedener Suchtgifte grundsätzlich bei der Festlegung der Grenzmengen zum Ausdruck gebracht wird (vgl RIS Justiz RS0102874; Riffel , aaO § 32 Rz 69).
In Präzisierung der vom Erstgericht genannten Strafzumessungsgründe ist überdies das Zusammentreffen von zwei Verbrechen als erschwerend zu werten.
Zu Lasten des Angeklagten sind die Erschwerungsgründe zudem um die Tatbegehung aus reinem Gewinnstreben zu ergänzen (RIS-Justiz RS0130193 [T4]). Auch wenn die Erwartung eines Gewinns bzw einer Belohnung für das in Kauf genommene Risiko geradezu typisches und ständiges Motiv der Tatbegehung im Suchtgiftbereich ist und eine automatisierte Heranziehung dieses Erschwerungsgrundes als kritisch angesehen wird (vgl dazu Ebner , WK² StGB § 32 Rz 61) ist in concreto zu beachten, dass der Angeklagte zuletzt in Spanien ohne Einkommen und Beschäftigung sowie vermögenslos war und sich dazu bereit erklärte, die Schmuggelfahren für jeweils EUR 3.000,-- zu übernehmen. Er hat somit durch die Schmuggelfahrten einen erheblichen finanziellen Vorteil lukriert, der seine sonstigen Einnahmen beträchtlich übersteigt, weshalb die erschwerende Annahme eines Handelns aus reiner Gewinnsucht hier gerechtfertigt ist.
Selbst unter Berücksichtigung der im Rechtsmittel zutreffend geltend gemachten Reinheitsgehalte hinsichtlich Delta 9 THC gemäß dem Untersuchungsbericht ON 33 in Ansehung der sichergestellten Cannabisblüten wäre die 25-fache Grenzmenge hinsichtlich THCA jedenfalls um das 45-fache und - wie das Rechtsmittel zutreffend ausführt - hinsichtlich Delta 9 THC um das 7,2 fache überschritten. Damit ist aber für den Angeklagten nichts gewonnen, weil das Erstgericht insgesamt das mehrfache Überschreiten der Grenzmenge auch nach dieser rechnerischen Korrektur in Bezug auf Dalta-9-THC zurecht als Erschwerungsgrund angenommen hat.
Wenn der Berufungswerber weiters vermeint, dass die lange Verfahrensdauer als mildernd zu werten gewesen wäre, ist diesem Einwand entgegenzuhalten, dass nach § 34 Abs 2 StGB der betreffende Milderungsgrund nur dann hergestellt ist, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat. Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind nach der Judikatur des EGMR zu Art 6 EMRK der Umfang und die Schwierigkeit des Falles, die Art der Verfahrensführung durch die Strafverfolgungsbehörden sowie das Verhalten des Beschuldigten. Der Beginn des Verfahrens wird mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des Beschuldigten darüber angenommen, dass gegen ihn wegen des Verdachts einer Straftat Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung geführt werden, wodurch seine Lage in erheblicher Weise beeinträchtigt wird ( Riffel , WK² § 34 Rz 43).
Mag auch die Urteilsausfertigung nach Verkündung des Urteils am 28. November 2024 erst am 19. Februar 2025 erfolgt sein, womit die gesetzlich vorgesehene Dauer von einem Monat um rund eineinhalb Monate überschritten wurde, ist insgesamt eine überlange Verfahrensdauer angesichts der bis dahin zügigen Verhandlungsführung durch das Erstgericht (es erfolgte eine Anklageschrift am 24. Oktober 2024 und eine Ausschreibung der Hauptverhandlung für den 28. November 2024) und der Gesamtdauer inklusive Rechtsmittelverfahren von rund einem dreiviertel Jahr (ab 12. September 2024 bis Ende Juni 2025) nicht auszumachen.
Bei objektiver Abwägung der überwiegend zu Lasten des Angeklagten korrigierten Strafzumessungslage und allgemeiner im Sinne des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellender Erwägungen sowie unter Berücksichtigung generalpräventiver Belange (RIS Justiz RS0090600) erweist sich im Hinblick auf die konstant hohe Suchtgiftkriminalität angesichts des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe die vorliegend mit vier Jahren ausgemittelte Sanktion als schuld und tatangemessen und somit nicht korrekturbedürftig, sodass der vorliegenden Berufung kein Erfolg beschieden ist.