21Bs206/25k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 20. Mai 2025, GZ ** 14, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die bedingte Entlassung des A* gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm 152 Abs 1 Z 2 StVG am 15. Juli 2025 angeordnet.
Gemäß § 48 Abs 1 StGB wird die Probezeit mit drei Jahren bestimmt.
Text
Begründung:
Der am ** geborene A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. Jänner 2025, rechtskräftig seit 31. Jänner 2025, AZ **, wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 und Abs 2a zweiter Fall SMG verhängte Freiheitsstrafe von neun Monaten.
Das errechnete Strafende fällt unter Bedachtnahme auf § 148 Abs 2 StVG auf den 15. Oktober 2025 (ON 4, 1), die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafe lagen am 30. Mai 2025 vor, jene nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe werden am 15. Juli 2025 erfüllt sein (ON 4, 2).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des A* nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit in Übereinstimmung mit der ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) sowie jener des Leiters der Justizanstalt ** (ON 2, 2) aus spezialpräventiven Erwägungen unter gleichzeitiger Abweisung des Antrags auf Durchführung einer Anhörung ab.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Empfang des Beschlusses erhobene (ON 17, 2) und in weiterer Folge zu ON 19 ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen, der Berechtigung zukommt.
Nach § 46 StGB ist einem Verurteilten, der die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Dabei ist gemäß Abs 4 leg cit auch auf Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Die zu erstellende Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, wobei auch besonderes Augenmerk darauf zu legen ist, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 46 Rz 15/1). Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird und ihr somit gleiche Wirksamkeit zugebilligt werden kann, ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen. Die bedingte Entlassung nach der hier in Rede stehenden Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe soll nach erkennbarer Intention des Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 zudem der Regelfall sein und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos beschränkt bleiben ( Jerabek/Ropper in WK 2 § 46 Rz 17). Genau dieses evidente Rückfallrisiko ist aus der Aktenlage jedoch derzeit nicht abzuleiten.
Richtig ist, dass die Strafregisterauskunft des A* außer der in Vollzug stehenden eine weitere Verurteilung wegen eines spezifisch einschlägigen Delikts zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, von der ein Teil im Ausmaß von sechs Monaten gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehen worden war, aufweist. Richtig ist auch, dass der Strafgefangene ungeachtet des aus dieser Verurteilung resultierenden Verspürens des Haftübels von einem Monat und der offenen Probezeit von drei Jahren nach seiner Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs 1 Z 3 FPG neuerlich nach Österreich einreiste und am 14. Jänner 2025 neuerlich spezifisch einschlägig rückfällig wurde.
Dies ist aber nicht ausreichend, bereits ein evidentes Rückfallrisiko zu begründen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die nunmehr erstmalige längere Verbüßung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten am 15. Juli 2025 bei A* zumindest ein derartiges Maß an Abschreckung erzeugt haben wird, dass zu diesem Zeitpunkt von zumindest gleicher Wirksamkeit der bedingten Entlassung gegenüber der weiteren Verbüßung der Freiheitsstrafe, nicht aber von einem evidenten Rückfallrisiko auszugehen ist. Der Umstand, dass der Strafgefangene am 4. Jänner 2025 von Österreich erstmalig nach Italien abgeschoben wurde, jedoch infolge neuerlicher Einreise nach Österreich noch zweimal wieder zurück abgeschoben werden musste (siehe ON 13, 6 f), ändert daran nichts, zumal der Strafgefangene aktenkundig erst nach der letzten neuerlichen Einreise Anfang Jänner 2025 (ON 13, 7) strafbare Handlungen begangen hat.
Angesichts seiner bevorstehenden Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs 2 FPG aufgrund des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13. März 2025 (ON 13, 2) sind Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB zielführend nicht durchzuführen, weshalb davon Abstand zu nehmen war.
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass das Vollzugsgericht zutreffend von einer Anhörung Abstand nehmen konnte, weil eine solche nach § 152a StVG zwingend lediglich für den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit 18 Monate übersteigt, durchzuführen ist (RIS Justiz RS0131225) und eine solche aufgrund der eindeutigen Aktenlage auch sonst nicht erforderlich war.