JudikaturOLG Wien

19Bs121/25w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 84 Abs 4 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. März 2025, GZ **-21.1, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Baumgartner, im Beisein der Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher, MAS LL.M., ferner in Anwesenheit des Angeklagten A* und dessen Verteidigerin Mag. Clara Abpurg durchgeführten Berufungsverhandlung am 25. Juni 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird in Stattgebung der Berufung wegen Strafe die verhängte Freiheitsstrafe auf zwei Jahre herabgesetzt .

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zudem wurde er gemäß § 366 Abs 2 iVm § 369 Abs 1 StPO verpflichtet, dem Privatbeteiligten B* 1.000 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Angeklagte am 9. Juni 2024 in ** B* am Körper verletzt und an der Gesundheit geschädigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung und Gesundheitsschädigung, nämlich eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit des B* herbeigeführt, indem er ihm mit seiner rechten Faust auf das linke Ohr schlug, wodurch B* eine Schädelprellung und einen Hörsturz im Hochtonbereich erlitt, welcher zumindest bis 18. Juli 2024 anhielt.

Bei der Strafbemessung wertete die Erstrichterin die einschlägigen Vorstrafen, die dreifache Qualifikation der Verletzung als schwer, die Tatbegehung aus nichtigem Anlass sowie die besonders verwerflichen Beweggründe iSd § 33 Abs 1 Z 5 StGB erschwerend, mildernd hingegen die vom Angeklagten selbst erlittenen Verletzungen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche angemeldete (ON 22), zu ON 24.2 fristgerecht in den Anfechtungspunkten Nichtigkeit, Schuld und Strafe ausgeführte Berufung des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die zunächst zu behandelnde ( Ratz in Fuchs/Ratz , WK StPO § 476 Rz 9) Berufung wegen Schuld vermag nicht zu überzeugen, unterzog doch die Erstrichterin die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer denkrichtigen sowie lebensnahen Würdigung und legte mit ausführlicher Begründung überzeugend dar, wie sie zu den Feststellungen über die entscheidenden Tatsachen gelangte und weshalb sie der die Tathandlung herabspielenden Verantwortung des Berufungswerbers die Glaubwürdigkeit versagte (US 4 ff).

Die Konstatierungen zum objektiven Tathergang gründete das Erstgericht in einer lebensnahen Beweiswürdigung unbedenklich auf die für überzeugend befundenen Angaben der Zeugen B*, C*, D*, E* und F* (US 4 ff). Entgegen der Berufung erläuterte die Erstrichterin ebenso lebensnah wie auch nachvollziehbar, weshalb sie den Aussagen von B* (ON 2.6 S 4) und C* (ON 2.7 S 4) im Ermittlungsverfahren, wonach es sich bei der Tathandlung um einen Faustschlag gehandelt habe, besonderes Gewicht beimaß, weil diese auf einer frischen Erinnerung beruhten. Auf dieser Grundlage gelangte das Erstgericht zu Recht zu der Überzeugung, dass der Berufungswerber B* einen Faustschlag versetzt hatte. So war es nicht weiter verwunderlich, dass sich der Zeuge B* in der Hauptverhandlung am 13. März 2025 – rund neun Monate nach dem Vorfall – nicht mehr an jedes Detail erinnern konnte, insbesondere nicht daran, ob ihn der Angeklagte mit der Faust oder mit der flachen Hand geschlagen hatte (ON 21 S 10). Als ebenso überzeugend erweist sich die Begründung des Erstgerichts, weshalb es der die Tathandlung verharmlosenden Verantwortung des Rechtsmittelwerbers keinen Glauben schenkte, der zunächst behauptete, selbst zuerst geschlagen worden zu sein, und erst auf Nachfrage einräumte, möglicherweise den ersten Schlag gesetzt zu haben (ON 21 S 6 unten f; US 5).

Die Feststellungen zu den Verletzungen gründete das Erstgericht insbesondere auf das polizeiamtsärztliche Gutachten vom 10. Dezember 2024 (ON 7.3), welches basierend auf dem Ton-Audiogramm (ON 2.11; vgl ON 6) abweichend vom ersten Gutachten vom 15. Oktober 2024 (ON 4.5) zu dem Schluss gelangte, dass es sich bei der vorliegenden Verletzung um eine an sich schwere Körperverletzung mit Gesundheitsschädigung und Berufungsunfähigkeit von mehr als vierundzwanzig tägiger Dauer handelte (US 5).

Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite deduzierte die Erstrichterin mängelfrei aus dem objektiven Tatgeschehen (US 6; RIS-Justiz RS0116882; RS0098671; Ratz in Fuchs/Rat z, WK StPO § 281 StPO Rz 452).

Da der Angeklagte sohin nichts vorbrachte, was geeignet wäre, die ausführliche, lebensnahe und kritische erstrichterliche Beweiswürdigung sowie die darauf gegründeten Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht zu erschüttern und auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hat, ist die Schuldberufung zu verwerfen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vernachlässigt mit der Behauptung, eine Gehirnerschütterung ohne Bewusstlosigkeit stelle keine schwere Körperverletzung dar, prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) die – insbesondere auf dem zweiten polizeiamtsärztlichen Gutachten vom 10. Dezember 2024 (ON 7.3) gegründeten - Konstatierungen auf US 4, wonach B* eine Schädelprellung mit einer Beule und einen Hörsturz im Hochtonbereich erlitt, welcher zumindest bis 18. Juli 2024 anhielt.

Im Rahmen der Berufung wegen Strafe gelingt es dem Angeklagten nicht, weitere Milderungsumstände oder sonstige für ihn sprechende Argumente aufzuzeigen.

Ganz im Gegenteil sind die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe zunächst dahin zu berichtigen, dass die vom Angeklagten behaupteten Verletzungen (ON 4.4 S 4: aufgeplatzte Lippe, Schmerzen im Bereich des Kiefers und wackeliger Zahn) einerseits nicht objektiviert sind und andererseits nicht ein derart beträchtliches Ausmaß erreichen, welches eine Anwendung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 19 StGB rechtfertigen würde (vgl Riffel in Höpfel/Ratz , WK² StGB § 34 Rz 41).

Zudem wirkt sich die Erfüllung nicht nur der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB, sondern auch jener des § 39 Abs 1a StGB zum Nachteil des Berufungswerbers aus. Zu Recht wertete die Erstrichterin dennoch sämtliche einschlägige Vorstrafen als erschwerend (RIS-Justiz RS0091527).

Die als Erschwerungsgrund angenommene Tatbegehung aus nichtigem Anlass geht hingegen in den als aggravierend gewichteten besonders verwerflichen Beweggründen iSd § 33 Abs 1 Z 5 StGB auf, welche beide auf dasselbe Tatmotiv abzielen, nämlich die (vermutete) sexuelle Ausrichtung des Opfers (vgl Riffel in Höpfel/Ratz , WK² StGB § 33 Rz 18/6).

Die im Rechtsmittel reklamierte Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) setzt voraus, dass der Tat keine kriminelle Neigung oder grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde liegt (RIS-Justiz RS0091026). Davon kann aber vor dem Hintergrund der spezifisch einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten keine Rede sein (vgl auch RIS-Justiz RS0090997).

Auch der Berauschung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt kommt der Berufung zuwider keine mildernde Wirkung zu, könnte dies doch nur ausnahmsweise dann der Fall sein, wenn der Vorwurf, dass sich der Täter in einen solchen Zustand versetzt hat, die durch den Rauschzustand bewirkte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nicht aufwöge, wofür fallbezogen keine Anhaltspunkte vorliegen (RIS-Justiz RS0091056).

Trotz der solcherart zum Nachteil des Angeklagten korrigierten Strafzumessungslage erweist sich die verhängte Unrechtsfolge selbst unter Berücksichtigung von dessen einschlägiger Vorstrafenbelastung als zu streng bemessen, weshalb sie im spruchgemäßen Ausmaß zu reduzieren war.

Demgegenüber scheitert die begehrte Anwendung des § 43a Abs 3 StGB am einschlägig massiv getrübten Vorleben des Angeklagten.

Schließlich ist der gegen den Privatbeteiligtenzuspruch gerichteten Berufung schon deshalb kein Erfolg beschieden, weil dieser auf dem Anerkenntnis des Berufungswerbers beruht (ON 21 S 11; vgl dazu RIS-Justiz RS0101255; Spenling in Fuchs/Ratz , WK StPO § 369 Rz 14). Überdies traf das Erstgericht aber ohnehin alle für den Privatbeteiligtenzuspruch erforderlichen Konstatierungen zum objektiven Sachverhalt sowie zur subjektiven Tatseite und begründete diese nachvollziehbar. Ausgehend von den festgestellten (US 4), auf dem polizeiamtsärztlichen Gutachten vom 10. Dezember 2024 (ON 7.3) gegründeten Urteilsannahmen lässt sich gemäß § 1325 ABGB ein Schmerzengeldanspruch in Höhe von 1.000 Euro zur Abgeltung der durch diese Verletzungen erlittenen Unbill leicht ableiten und stellt sich nicht als überhöht dar.

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