17Bs130/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Schneider-Reich in der Strafsache gegen A* ua wegen §§ 28a SMG uaD über die Beschwerde des A*, des B* und deren Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Mathias Burger gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21. Mai 2025, GZ **-25, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen .
Text
Begründung:
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht drei Anträge der Dolmetscherin Mag. C* (ON 15, 16 und 24; Anm.: über den Antrag ON 19 wurde bislang offenbar nicht entschieden) jeweils auf Bestimmung von Gebühren für im direkten Auftrag des Wahlverteidigers Mag. Burger erbrachte mündliche Dolmetscherleistungen (Gespräche der Angeklagten A* und B* mit dem Verteidiger Mag. Burger) ab. Begründend führte der Erstrichter unter Hinweis auf die Entscheidung des OGH vom 25. Februar 2025, 11 Os 137/24t, im Wesentlichen aus, es fehle an dem nach § 56 Abs 2 StPO erforderlichen Verlangen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Angeklagten A*, des mittlerweile rechtskräftig Verurteilten B* sowie des Verteidigers Mag. Burger. Sie seien beschwerdelegitimiert, weil sich der Gebührenanspruch nun gegen den Mag. Burger als Auftraggeber und in der Folge gegen dessen Vollmachtgeber A* und B* richten würde. In der Vollmachtsbekanntgabe (Anm.: an die Staatsanwaltschaft Wien) vom 15. November 2024 (ON 2.11.1) sei bereits der Antrag nach § 56 Abs 2 StPO gestellt und dieser von der Staatsanwaltschaft mit Note vom selben Tag (ON 1.15) bewilligt worden. Selbst aus der OGH-Entscheidung ergebe sich nicht, dass das Verlangen nicht pauschal gestellt werden könne, sofern sich der geforderte Zusammenhang (mit einer Beweisaufnahme, einer Verhandlung, der Erhebung eines Rechtsmittels oder einem sonstigen Antrag eruieren lasse), ein gesondertes Verlangen für jeden einzelnen Kontakt lasse sich dem nicht entnehmen. Weiters sei in der Note der Staatsanwaltschaft ein Verzicht iSd § 126 Abs 2a, 2b und 2c StPO zu erblicken. Zuletzt konkretisiert die Beschwerde den Gegenstand der jeweiligen Besprechungen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist – in Übereinstimmung mit der Judikatur des Höchstgerichts und der Oberstaatsanwaltschaft Wien - zurückzuweisen.
Der OGH stellt klar, dass gemäß § 56 Abs 1 StPO ein Beschuldigter, der die Verfahrenssprache nicht spricht oder versteht, das Recht auf Dolmetschleistungen iSd Abs 2 leg cit (vgl auch § 49 Abs 1 Z 12 StPO) hat. Nach dem ersten Satz des § 56 Abs 2 StPO sind Dolmetschleistungen mündlich zu erbringen und insbesondere für Beweisaufnahmen, an denen der Beschuldigte teilnimmt, für Verhandlungen und auf Verlangen auch für den Kontakt des Beschuldigten mit seinem Verteidiger, sofern dieser Kontakt im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Beweisaufnahme, einer Verhandlung, der Erhebung eines Rechtsmittels oder einem sonstigen Antrag steht, zu gewährleisten.
Übersetzungshilfe iSd § 56 Abs 2 StPO ist durch unentgeltliche Beistellung eines Dolmetschers zu leisten, wobei – mangels besonderer Bestimmungen für Verteidigergespräche – nach den allgemeinen Regeln in § 126 Abs 2a, 2b und 2c StPO vorzugehen ist. Nach § 126 Abs 2a StPO ist von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht eine vom Bundesministerium für Justiz oder in dessen Auftrag von der Justizbetreuungsagentur zur Verfügung gestellte geeignete Person als Dolmetscher zu bestellen, in den Fällen des Abs 2b des § 126 StPO auch eine andere geeignete Person. Bei der Wahl von Dolmetschern und der Bestimmung des Umfangs ihres Auftrags ist zufolge § 126 Abs 2c StPO nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit vorzugehen.
Nach den Gesetzesmaterialien ist dem Beschuldigten (im Ermittlungsverfahren) „ auf Verlangen auch für den Kontakt[...] mit seinem Verteidiger“ ein Dolmetscher „zu bestellen “, wobei ihm zur Durchsetzung seines Rechts der Rechtsbehelf des Einspruchs wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs 1 StPO zukommt (vgl EBRV 2402 BlgNR 24. GP 8).
Für eine vorherige Befassung des justiziellen Entscheidungsträgers spricht zudem eine Zusammenschau von § 56 Abs 2 StPO mit den für einen direkten Anspruch des Dolmetschers gegen den Bund (§ 1 Abs 1 GebAG) maßgeblichen Bestimmungen des GebAG, wonach sich der Anspruch auf die Gebühr nach dem dem Dolmetscher erteilten gerichtlichen (staatsanwaltschaftlichen) Auftrag richtet (§§ 52, 53 iVm § 25 Abs 1 GebAG; zu direkter Vergebührung einer Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit einer gerichtlichen Verhandlung [„Erläuterung des Urteils“] durch das Gericht vgl im Übrigen 11 Os 61/10w).
Die Wortfolge "auf Verlangen" in § 56 Abs 2 erster Satz StPO stellt auf das Erfordernis eines vorherigen Herantretens des Beschuldigten an das Gericht (die Staatsanwaltschaft) als Voraussetzung für die Gewährung von kostenloser Übersetzungshilfe für den Kontakt mit dem Verteidiger ab. Solcherart wird eine Überprüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Übersetzungshilfe und die Bestellung eines Dolmetschers durch das Gericht (die Staatsanwaltschaft) im Sinn der zuvor zitierten Bestimmungen überhaupt erst sichergestellt (RIS-Justiz RS0135335).
Neben einer sohin erforderlichen, vorherigen Befassung des justiziellen Entscheidungsträgers richtet sich ein Anspruch auf Auszahlung von Gebühren (§ 1 Abs 1 GebAG) aus Amtsgeldern nach dem dem Dolmetscher erteilten gerichtlichen (staatsanwaltschaftlichen [§ 53 Abs 1 iVm § 52 GebAG]) Auftrag, der Grundlage und Grenze des Gebührenanspruchs des Dolmetschers ist.
Soweit ein Dolmetscher ohne justizielle Beauftragung, somit aufgrund eines rein privatrechtlichen Rechtsgeschäfts mit dem Wahlverteidiger tätig wurde, liegt eine maßgebliche Voraussetzung für die Bestimmung der Gebühren nach dem GebAG nicht vor. Eine dennoch erfolgte Gebührenbestimmung würde § 53 Abs 1 iVm § 25 Abs 1 GebAG verletzen.
Zusammengefasst ist das Recht auf Übersetzungshilfe nach § 56 Abs 1 und Abs 2 StPO demnach zunächst gegenüber dem (und zwar dem jeweils zuständigen) justiziellen Entscheidungsträger geltend zu machen. Soweit die Staatsanwaltschaft bzw das Gericht die Voraussetzungen der Übersetzungshilfe für gegeben erachtet, ist sodann einem Dolmetscher ein Auftrag zu erteilen. Dieser Auftrag bildet in weiterer Folge Grundlage und Grenze des Gebührenanspruchs dieses Dolmetschers.
Abgesehen davon, dass fraglich ist, ob die an den Verteidiger gerichtete Note der Staatsanwaltschaft vom 15. November 2025 (ON 1.15) eine taugliche Grundlage für einen Gebührenanspruch der vom Verteidiger beauftragten Dolmetscherin für ihr Tätigwerden im Ermittlungsverfahren bildete, beginnt durch das Einbringen der Anklage das Hauptverfahren, dessen Leitung dem Gericht obliegt. Die Staatsanwaltschaft wird zur Beteiligten des Verfahrens (§ 210 Abs 2 StPO). Mit dem Eintritt in das Stadium des Hauptverfahrens geht auch eine Änderung der Zuständigkeit für die Entscheidung über die Gewährung von Übersetzungshilfe und für die (zu diesem Zweck erforderliche) Erteilung eines entsprechenden (nun gerichtlichen) Auftrags an einen Dolmetscher einher.
In casu wurde am 30. Jänner 2025 Anklage erhoben, die hier gegenständlichen Gebührennoten beziehen sich auf Dolmetschleistungen, die am 26. März 2025 (möglicherweise in Vorbereitung der Hauptverhandlung) und am 30. April 2025 (ev im Zusammenhang mit der Frage der Ausführung angemeldeter Rechtsmittel) erbracht wurden.
Während dem Beschuldigten zur Durchsetzung seines Rechts auf Übersetzungshilfe im Ermittlungsverfahren der Rechtsbehelf des Einspruchs wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs 1 StPO zukommt (vgl EBRV 2402 BlgNR 24. GP 8), erfolgt die Gewährung (oder Ablehnung) der Übersetzungshilfe im Hauptverfahren durch gerichtlichen Beschluss, welcher durch die Staatsanwaltschaft und – im Falle der (auch nur teilweisen) Nichtgewährung – durch den Beschuldigten mit Beschwerde bekämpft werden kann.
Hingegen kann ein Anspruch eines (hier:) vom Verteidiger privatrechtlich beauftragten Dolmetschers auf Bestimmung und (in weiterer Folge) Auszahlung seiner Gebühren aus Amtsgeldern nicht begründet werden. Einen derartigen Anspruch hat Mag. C* mit den Gebührennoten ON 15, 16 und 24 jedoch geltend gemacht und über diesen Anspruch allein hat das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgesprochen, indem es ihn (mangels gerichtlicher Gewährung von Übersetzungshilfe im Hauptverfahren im Wege eines entsprechenden gerichtlichen Auftrags an Mag. C*) im Ergebnis zutreffend abgewiesen hat.
Beschwerde an das Rechtsmittelgericht gegen gerichtliche Beschlüsse steht dem Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, und jeder anderen Person zu, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen (§ 87 Abs 1 StPO). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung entstehen dem Verteidiger durch den angefochtenen Beschluss unmittelbar keine (Zahlungs-)Pflichten (gegenüber Mag. C*). Solche Zahlungspflichten finden ihre Grundlage vielmehr bereits in der vor der Beschlussfassung erfolgten Beauftragung von Mag. C* durch ihn.
Mangels unmittelbarer Auswirkungen der Abweisung der Anträge von Mag. C* auf Bestimmung ihrer Gebühren auf die Interessen der Angeklagten und die Rechte und Pflichten ihres Verteidigers ist die (wie oben ausführlich dargestellt auch in der Sache nicht berechtigte) Beschwerde zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.