JudikaturOLG Wien

30Bs121/25a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht am 23. Juni 2025 durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen § 107 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. Dezember 2024, GZ ** 8.3, in der in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Stadlmayr sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen; der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben; hingegen wird der Berufung wegen Strafe Folge gegeben, der Strafausspruch aufgehoben und von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen .

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene afghanische Staatsangehörige A* des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach §§ 15, 135 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt und unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. September 2024, rechtskräftig seit 17. September 2024, AZ B*, unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 107 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 21. Juli 2024 in ** C*

I./ dadurch zu schädigen versucht, dass er eine fremde bewegliche Sache, nämlich das Mobiltelefon der Genannten, aus dem Gewahrsam zu entziehen trachtete, ohne die Sache sich anzueignen, indem er das Gerät an sich nahm und vorläufig bei der Schwester der Genannten, D*, verwahrte, um eine Sicherstellung durch die Polizei zu verhindern, wobei D* das Mobiltelefon nicht wie vereinbart bis zur Abholung durch ihn bereithielt, sondern an C* zurückstellte;

II./ mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sinngemäß zu ihr sagte, dass sie schon sehen werde, was er mit ihr mache, und er ihr Leichentuch bringen werde.

Bei der Strafzumessung wertete der Erstrichter das Zusammentreffen von zwei Vergehen und die Tatbegehung gegenüber der Mutter der gemeinsamen Tochter als erschwerend, als mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig im Zweifel mit umfassendem Anfechtungswillen - angemeldete und unter einem ausgeführte Berufung des Angeklagten (ON 6).

Rechtliche Beurteilung

Auf die vom Angeklagten wegen Nichtigkeit erhobene Berufung war gemäß §§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO keine Rücksicht zu nehmen, weil der Angeklagte weder bei der Anmeldung seiner Berufung noch in einer Berufungsschrift ausdrücklich erklärte, durch welche Punkte des Erkenntnis er sich beschwert erachtet und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will. Von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor. Die auf Basis der getroffenen Feststellung rechtsirrige, von der Anklagebehörde unbekämpft gebliebene Annahme eines Verbleibens des Faktums I./ im Versuchsstadium (s zur Vollendung mit der durch die Sachentziehung bewirkten Schädigung des Berechtigten RIS-Justiz RS0106096; RS0093768), wirkt zugunsten des Angeklagten. Betreffend der nicht explizit erfolgten Feststellung eines Schädigungsvorsatzes des Angeklagten zu I./ erschließt sich der diesbezügliche Feststellungswille des Erstrichters hinreichend klar bei Gesamtbetrachtung des Tenors und der entscheidungsrelevanten Konstatierungen auf US 3 und (disloziert) US 4 ( Ratz in Fuchs/Ratz , WK StPO § 281 Rz 19, 419). Auch die zu I./ angestellten, den Feststellungen widerstreitenden Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung vermögen die diesbezüglich klaren Feststellungen des Tatrichters betreffend eines auf dauernde (nach der Vorstellung des Angeklagten und der Sachlage auch durchaus realisierbaren) Sachentziehung gerichteten Vorsatzes (US 3) nicht ernsthaft in Frage zu stellen.

Der Berufung wegen Schuld kommt keine Berechtigung zu.

Die Frage der Glaubwürdigkeit von Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darstellung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS Justiz RS0104976). Der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregel dar und verpflichtet das erkennende Gericht nicht, sich bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS Justiz RS0098336).

Der Erstrichter unterzog die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung und legte mit hinreichender Begründung dar, wie er zu den Feststellungen über die entscheidenden Tatsachen gelangte. Indem der Berufungswerber erneut seine Sicht der Dinge darstellt, vermag er keine Bedenken an der Beweiswürdigung des Tatrichters zu erwecken, der seine Konstatierungen neben den (großteils) tatsachengeständigen Angaben des Angeklagten auf die belastenden Angaben der Zeugen D* und E* F* (ON 2.6 und 2.7) stützte, die durch Verlesung Eingang ins Verfahren fanden. Dass der Angeklagte vorhatte, sich das vorübergehend D* überlassene Mobiltelefon der C* wieder abzuholen, zeigt auch die zur (auftragswidrigen) Rückgabe gewählte planvolle Vorgehensweise der Beauftragten (Retournierung durch den nicht involvierten Sohn ON 2.6,4). Zu II./ bestätigte ebenfalls der Zeuge F*, dass der äußerst aufgebrachte Angeklagte D* verbal bedrohte (ON 2.7). Nicht zuletzt aufgrund des nur kurze Zeit zurückgelegenen Vorfalls, im Zuge dessen der Angeklagte (unter anderem) C* gefährlich bedrohte und eine Verwandte am Körper verletzte (Vor-Urteil ON 9), kann die Ernstlichkeit der Drohung nicht in Abrede gestellt werden. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite erschloss das Erstgericht in nicht zu beanstandender Weise aus dem äußeren Tatgeschehen, insbesondere der aufgrund von Eifersucht äußerst aufgebrachten Gemütslage des Angeklagten.

Da auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hat, war die Schuldberufung zu verwerfen.

Hingegen ist die Strafberufung berechtigt.

Die vom Erstgericht herangezogene Strafzumessungslage ist dahingehend zu korrigieren, dass – zufolge Bindung des Rechtsmittelgerichts an den Schuldspruch – zu I./ der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB hinzuzutreten hat. Unter Berücksichtigung der Strafzumessungsparameter des Vor Urteils des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. September 2024, AZ B*, (ON 9), mit dem der Angeklagte wegen vergleichbarer strafbarer Handlungen zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war, fällt das Zusammentreffen von insgesamt fünf Vergehen aggravierend ins Gewicht.

Bei objektiver Abwägung der besonderen Strafzumessungslage und der allgemeinen Kriterien im Sinn des § 32 Abs 2 und 3 StGB ist ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen unter Bedachtnahme auf obiges Vor-Urteil, mit dem bereits eine dreimonatige Freiheitsstrafe verhängt wurde, gerade mit Blick auf den gering zu bewertenden Erfolgsunrecht der Taten die Verhängung einer Zusatzstrafe nicht geboten, zumal bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die im früheren Urteil verhängte auszusprechen gewesen wäre.

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