19Bs139/25t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Baumgartner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. April 2025, GZ **-1131, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. März 2021 (ON 921) wurde A* der Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (A./), der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 (teils iVm § 161 Abs 1) StGB (B./) und des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB (C./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der dagegen vom Verurteilten erhobenen Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 16. November 2022 zu AZ 19 Bs 231/22t nicht, hingegen jener der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf sieben Jahre und sechs Monate erhöht. Gleichzeitig wurde die A* mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. November 2019 zu AZ ** gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen (ON 1021).
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Verurteilte in B* und anderen Orten
A./ als Geschäftsführer der C* GmbH (im Folgenden: C*) Güter im Wert von mehr als 300.000 Euro, nämlich Giralgeld von insgesamt jedenfalls rund zwölf Millionen Euro, die ihm (als Inkassoberechtigtem) von nachstehenden Gesellschaften (Schuldnern) zur Weiterleitung an die nachgenannten Gesellschaften (Gläubiger) aufgrund der Ermächtigungen, für diese Zahlungen entgegenzunehmen (Inkasso), anvertraut worden waren, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Gelder zur Begleichung von Rechnungen der C* verwendete, „durch die zu B./I./ genannten Handlungen“ oder indem er trotz Aufforderung zur Überweisung der inkassierten Gelder entweder bestritt, diese inkassiert zu haben, oder die Überweisung unter Behauptung von Problemen in der Buchhaltung, Informationsverlusten und Finanzierungslücken bzw Liquiditätsengpässen verweigerte, und zwar
1./ im Zeitraum Ende 2008 bis 29. Februar 2012 zumindest 11.533.460,30 Euro, die er von Schuldnern der D* GmbH (im Folgenden: D*, nunmehr E* GmbH) einnahm;
2./ im Zeitraum November 2010 bis Februar 2011, wobei er auch als faktischer Geschäftsführer der F* AG agierte, 267.307,71 Euro, die er von Schuldnern der G* GmbH (im Folgenden: G*) einnahm;
B./ Bestandteile seines [privaten] Vermögens (II./) und [des Vermögens] der C* (I./), nämlich Gelder in insgesamt 300.000 Euro übersteigender Höhe beiseite geschafft [oder verheimlicht – s US 12] und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger und der Gläubiger der C* oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, und zwar
I./ als Geschäftsführer der C*, somit als leitender Angestellter einer juristischen Person (§ 161 Abs 1 StGB), im Zeitraum Anfang 2009 bis Ende Februar 2012 deren Gelder beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger, nämlich der D*, G*, H*, I* GmbH und vieler weiterer, in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag vereitelt oder geschmälert, indem er für unternehmensfremde Zwecke Gelder von den Geschäftskonten der C* oder deren 100%igen Tochtergesellschaft C* J* LTD (im Folgenden: K*) überwies oder durch im Urteil näher beschriebene (vgl US 12 bis 15) Barbehebungen, Scheckbehebungen sowie Kreditkartenzahlungen entnahm;
II./ im Zeitraum von zumindest Anfang 2012 bis Sommer 2014 Gelder im Betrag von insgesamt zumindest 231.688 Euro verheimlicht und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger, nämlich der L*, M* AG und vieler weiterer Gläubiger in einem 300.000 Euro nicht übersteigenden Betrag vereitelt oder geschmälert, indem er sein monatliches Einkommen von der C* Inc (USA) (im Folgenden: N*) in Höhe von umgerechnet zumindest rund 11.352 Euro Strohmännern wie der O* GmbH und seiner damaligen Lebensgefährtin P* zukommen ließ, die seine Rechnungen beglichen oder ihm das Geld bar übergaben, wodurch er diese Vermögenswerte der Kenntnis seiner Gläubiger entzog;
C./ mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien (§ 147 Abs 2 StGB) längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB), nachstehende Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet bzw zu verleiten versucht, die diese oder einen anderen in einem 5.000 Euro insgesamt mehrfach, nicht aber 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten oder schädigen sollten, und zwar
1./ im Juli 2014 Q* als Geschäftsführerin der O* GmbH durch die Vorspiegelung, ein zahlungsfähiger und -williger Mieter zu sein, zur Überlassung eines Büros mit 150 m2 sowie einer Wohnung mit 325 m2 an der Adresse R*, wodurch die O* GmbH in einem Betrag von 22.800 Euro am Vermögen geschädigt wurde;
2./ am 30. September 2014 Mag. S* als Richter im Verfahren AZ ** des Bezirksgerichts Mödling durch die wahrheitswidrige Behauptung in seiner Besitzstörungsklage, er sei Hauptmieter des Büros an der Adresse R*, indem er zur Täuschung ein falsches Beweismittel benützte, nämlich einen rückdatierten Mietvertrag vom 15. Mai 2011 zwischen der „T* AG Co KG als Vermieterin und A* als Mieter über die genannte Räumlichkeit, zur Erlassung einer einstweiligen Vorkehrung, mit der Q* aufgetragen wurde, A* den Besitz am genannten Objekt zu übergeben, wodurch die O* GmbH in einem Betrag von 7.500 Euro am Vermögen geschädigt wurde;
3./ am 22. April 2015 Mag. S* als Richter im Verfahren AZ ** des Bezirksgerichts Mödling durch die wahrheitswidrige Behauptung in seiner Besitzstörungsklage, er sei Hauptmieter des gesamtenzweiten und dritten Stocks an der Adresse R*, indem er zur Täuschung falsche Beweismittel benützte, nämlich zwei rückdatierte Mietverträge jeweils vom 15. Mai 2011 zwischen der „T* AG Co KG als Vermieterin und A* als Mieter über die genannten Räumlichkeiten, zur Erlassung einer einstweiligen Vorkehrung, die die U* GmbH verpflichten sollte, den Besitz an den genannten Objekten A* zu übergeben, zu verleiten versucht, wodurch diese in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt werden sollte, was jedoch unterblieb, weil der Antrag am 11. Mai 2015 abgewiesen wurde;
4./ im Frühjahr 2020 in mehreren Tathandlungen MMag. Dr. V* durch die wahrheitswidrige Vorgabe, dass er dessen Honorarnoten zahlen wolle und könne sowie dass er die Bezahlung bereits mehrmals angeordnet habe, zur Erbringung von (weiteren) Beratungs- und Vertretungsleistungen als Verteidiger.
Bei der Strafbemessung wurden drei einschlägige Vorstrafen, der rasche Rückfall, die Delinquenz während andauernden Strafvollzugs, das Zusammentreffen dreier Verbrechen, die Vielzahl der Angriffe, der lange Tatzeitraum, das vielfache Überschreiten der zweiten Wertgrenze des § 133 Abs 2 StGB sowie die Tatbegehung während anhängigen Verfahrens und innerhalb offener Probezeit erschwerend gewertet, mildernd demgegenüber das teilweise Verbleiben der Taten im Versuchsstadium und der Umstand, dass ein betragsmäßig erheblicher Teil der abgeurteilten Taten vor dem Urteil zu AZ W* des Landesgerichts für Strafsachen Wien gesetzt worden ist und dort hätte berücksichtigt werden können. Zudem wurde dem Verurteilten der Milderungsgrund nach § 34 Abs 2 StGB zuerkannt, dem mit einer Reduktion der Freiheitsstrafe von sechs Monaten Rechnung getragen wurde.
Bei seiner Straffindung zog das Berufungsgericht auch ins Kalkül, dass beim Schuldspruch A./1./ ein Betrag von 814.906,78 Euro schon Anfang 2009 als Debitsaldo zugunsten der E* GmbH bestanden hatte und demzufolge nicht auf die Tathandlungen des Verurteilten zurückzuführen war (US 13).
Zum Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 13 StGB (Versuch) wurde ausgeführt, dass diesem nur marginale Wirkung zukomme, weil mehreren Taten mit einem vollendeten Schaden von über zwölf Millionen Euro ein einziges im Versuchsstadium verbliebenes Faktum mit einem Schaden von über 5.000 Euro (C./3./) gegenüber stehe (US 8).
In der Berufungsschrift vom 11. September 2024 zum Verfallsurteil (ON 1087) beantragte A* unter dem Titel „Exkurs zu Urteilsfaktum C.4.“ abermals eine nachträgliche Strafmilderung gemäß § 31a Abs 1 StGB, weil bei der Straffindung nicht berücksichtigt worden sei, dass auch das Urteilsfaktum C./4./ tatsächlich im Versuchsstadium verblieben sei (ON 1100 S 41 f; vgl auch die „Nachfrage“ vom 11. März 2025, ON 1127).
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 1131) wies das Erstgericht diesen Antrag mit der Begründung ab, dass das Vorbringen einerseits keine neue Tatsachengrundlage für die Strafbemessung darstelle, da sich bereits aus den erstgerichtlichen Annahmen (insbesondere S 43 und S 46 des Ersturteils ON 921) ergebe, dass bei diesem Faktum kein Schaden eingetreten sei. Andererseits betreffe der dem Schuldspruchpunkt C./4./ zugrunde liegende Schaden lediglich einen minimalen Bruchteil des Gesamtschadens, sodass eine nachträgliche Strafmilderung schon aus diesem Grund nicht in Betracht komme.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde des A* (ON 1133) ist nicht berechtigt.
Gemäß § 31a Abs 1 StGB hat das Gericht die Strafe angemessen zu mildern, wenn nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die zu einer milderen Bemessung der Strafe geführt hätten. Ob die für eine Herabsetzung einer Strafe maßgebenden Umstände erst nach dem Urteil hervorgekommen sind oder ob sie erst nachträglich entstanden sind, macht keinen Unterschied ( Fabrizy/Michel Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 31a Rz 1). Damit wird die Berücksichtigung von Umständen ermöglicht, die nach Rechtskraft der Verurteilung eintreten oder bekannt werden (RIS-Justiz RS0101419; Ratz in Höpfel/Ratz , WK² StGB § 31a Rz 4; Hinterhofer/Oshidari , System des österreichischen Strafverfahrens Rz 11.68; Tischler , SbK § 31a Rz 11).
Auch wenn entgegen dem Berufungsurteil nicht nur das Urteilsfaktum C./3./, sondern auch die dem Schuldspruchpunkt C./4./ unterstellten Taten mit einem intendierten Schaden von über 5.000 Euro (vgl US 43: „Unzweifelhaft wollte der Angeklagte auch, dass MMag. Dr. V* weitere Leistungen erbringt, wodurch er unrechtmäßig bereichert worden wäre, wobei der Angeklagte – schon im Hinblick auf den Stundensatz – einen 5.000 Euro übersteigenden Betrag an Schädigung jedenfalls billigend in Kauf nahm“; in der Sachverhaltsdarstellung vom 14. Oktober 2020 [ON 850] wurde der Schaden mit 51.552 Euro beziffert) im Versuchsstadium verblieben sind, so fällt dies in Relation zur enormen Schadenshöhe von mehr als zwölf Millionen Euro nicht ins Gewicht. Da dieser Umstand keinesfalls zu einer milderen Bemessung der Sanktion geführt hätte, vermag er eine nachträgliche Strafmilderung nicht zu rechtfertigen.
Dass ein betragsmäßig beträchtlicher Teil der abgeurteilten Taten vor dem Urteil zu AZ W* des Landesgerichts für Strafsachen Wien gesetzt worden ist, wurde entgegen der Beschwerde bereits bei der Strafzumessung in Anschlag gebracht.
Soweit der Beschwerdeführer vermeint, dass er ohne die „Fehldarstellung“ in der Anzeige ON 850 niemals wegen der dem Spruchpunkt C./4./ unterstellten Taten verurteilt worden wäre, so spricht er keinen im Rahmen der nachträglichen Strafmilderung nach § 31a Abs 1 StGB zu berücksichtigenden Aspekt an. Überdies ist nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs seit der Entscheidung zu AZ 12 Os 119/06a (verstärkter Senat) die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung nicht schuld- oder subsumtionsrelevant (RIS-Justiz RS0122138).
Sohin ist der unbegründeten Beschwerde ein Erfolg zu versagen.