19Bs148/25s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Baumgartner sowie die Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 29. April 2025, GZ **-13, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit seit 23. April 2013 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 30. März 2012, GZ **-260, wurde der am ** geborene A* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, hiefür zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen (ON 10.1).
Der Schuldspruch erfolgte, weil er im Zeitraum 7. und 8. Jänner 2011 in ** B* vorsätzlich tötete, indem er dem dreijährigen Kind an zwei aufeinanderfolgenden Tagen durch unzählige, äußerst wuchtige Schläge mit einem Aluminiumstiel und den Händen gegen dessen vollkommen schutzlosen Körper versetzte.
A* befindet sich seit 23. April 2013 im Maßnahmenvollzug, seit 29. Oktober 2020 wird er in der Justizanstalt **, davor war er in der Justizanstalt **, angehalten (ON 5).
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 13) stellte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht anlässlich der jährlichen Überprüfung der Maßnahme gemäß § 25 Abs 3 StGB - in Übereinstimmung mit der Justizanstalt **, Department Maßnahmenvollzug (ON 6) und abstellend auf das zuletzt eingeholte psychiatrisch-neurologische und kriminalprognostische Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. Dr. med. C* vom 25. Juli 2023 - die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des Betroffenen in einem forensisch-therapeutischen Zentrum fest. Die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau hatte sich zuvor gegen eine bedingte Entlassung ausgesprochen(ON 1.4).
Dagegen richtet sich die im unmittelbaren Anschluss an die Beschlussausfolgung angemeldete Beschwerde des Untergebrachten (ON 14, 2), in der er unter einem die „Nichtvorführung“ zu einem „Gutachter“, das Unterbleiben einer Anhörung (vgl insoweit ON 2) sowie die „Nichteinhaltung von Fristen“ moniert.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Die freiheitsentziehende Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB (idgF) darf nur aufrecht erhalten werden, wenn die einen maßgeblichen Einfluss auf die Anlasstat(en) habende schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung sowie die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene nach seiner Aufführung und Entwicklung in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und psychischen Störung weiterhin Prognosetaten mit schweren Folgen begehen wird, noch bestehen und es keine Möglichkeit gibt, die unterbringungsrelevante Gefährlichkeit extra muros hintanzuhalten (§ 47 Abs 2 StGB; Haslwanter in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 47 Rz 12 bis 14; Fabrizy/Michel-Kwapinski-Oshidari , StGB 14 § 47 Rz 2). Ausgehend davon, dass vorbeugende Maßnahmen im Urteil auf unbestimmte Zeit angeordnet und solange vollzogen werden, wie es ihr Zweck erfordert (§ 25 Abs 1 StGB), sohin solange die besondere Gefährlichkeit besteht - woraus gegebenenfalls auch die Notwendigkeit langer Dauer erhellt, ein „definitives Ende“ naturgemäß nicht feststeht - und eine bedingte Entlassung nur bei Entfall der einweisungsrelevanten Gefährlichkeit bzw bei Substituierbarkeit der Maßnahme durch Vorkehrungen außerhalb der Anstalt in Betracht kommt, vermag die Beschwerde keine Umstände aufzuzeigen, die eine vom Erstgericht abgehende Beurteilung zuließe.
Das Erstgericht stellte im angefochtenen Beschluss die rechtlichen Bestimmungen, das strafrechtlich relevante Vorleben des Untergebrachten (ON 4), den bisherigen Verfahrensgang, die aktuelle forensische Stellungnahme der Justizanstalt **, Department Maßnahmenvollzug vom 15. Jänner 2025 (ON 6) sowie das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. Dr. med. C* vom 25. Juli 2023 (ON 13, 4) korrekt dar, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen darauf identifizierend verwiesen wird (zur Zulässigkeit vgl RIS-Justiz RS0119090 [T4], RS0098664 [T3], RS0098936 [T15]).
Damit einhergehend kam das Erstgericht zutreffend zum Schluss, dass der therapeutische Erfolg noch nicht so weit gediehen sei, um die einweisungsrelevante Gefährlichkeit extramural hintanhalten zu können, was fallaktuell aufgrund der Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Überstellung in den Normalvollzug bedeuten würde (§ 46 Abs 6 StGB).
Denn die aktuelle forensische Stellungnahme beschreibt zwar insbesondere in Folge der im April 2024 begonnenen Einzeltherapie eine positive Entwicklung. Jedoch lässt sich schon aus den definierten Therapiezielen (Erhöhung des Problem- und Störungsbewusstseins, Vertiefung der Fähigkeit zur Selbstkritik sowie von Verantwortungs- und Schuldübernahme, Reduktion kognitiver Verzerrungen sowie von Manipulationsversuchen, Aufarbeitung der eigenen traumatisierenden Erlebnisse, Aufwendung von geeigneten Fertigkeiten zur Substanzabstinenz, erfolgreiche Anwendung von Strategien zum Management von Emotionen bzw zur Selbstregulation [ON 6 S 14]) und dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer bis dato keine Vollzugslockerungen gewährt und damit auch nicht erprobt werden konnten, erkennen, dass die der Anlasstat zu Grunde liegende schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, narzisstischen und emotional instabilen Anteilen [ICD-10:61.0] vor dem Hintergrund einer Polytoxikomanie, derzeit abstinent in beschützender Umgebung [ICD-10:F19.21]), die eine tiefgreifende und anhaltende pathologischen Verzerrung der Grundmodalitäten von Wahrnehmung, Auffassung, Willensbildung, Handlungsplanung und Selbststeuerung beim Untergebrachten bedingt (Sachverständigengutachten Dr. C*), noch nicht soweit abgebaut werden konnte, dass der spezifischen Gefährlichkeit des Untergebrachten extramural begegnet werden kann. Auch ist nicht zu übersehen, dass sowohl im Sommer 2022 als auch im Frühjahr 2023 vom Beschwerdeführer begonnene Einzelpsychotherapien abgebrochen werden mussten, einerseits aufgrund der paranoiden Wahrnehmung des Untergebrachten, aber auch aufgrund seiner mangelnden Therapiemotivation (vgl hiezu die forensische Stellungnahme ON 6). Es wird sohin am Beschwerdeführer liegen, aufzuzeigen, dass er zu einer kontinuierlichen Mitarbeit an der Erreichung der Therapieziele fähig und willens ist. Der begehrten Beendigung der Maßnahme steht weiters entgegen, dass auch die Paktfähigkeit des Beschwerdeführers bis dato nicht ausreichend erprobt werden konnte, verhält er sich doch erst seit Juli 2024 hausordnungsgemäß (vgl das Straferkenntnis ON 7).
Dem Erstgericht ist somit in seiner Einschätzung, dass weiterhin Prognosetaten mit schweren Folgen (ergänzt) wie (zumindest schwere Körperverletzungen und andere Impulshandlungen mit massiver Aggressivität [vgl erneut die Expertise des Sachverständigen Dr. C*]) innerhalb der nächsten Monate zu befürchten sind und solcherart die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nicht vorliegen.
Der Beschwerdekritik eines (wohl gemeint) fehlenden aktuellen Sachverständigengutachtens ist zu entgegnen, dass im Gegensatz zum Verfahren zur Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB (§ 430 Abs 1 Z 2, § 439 Abs 2, § 441 Abs 2 StPO) im Verfahren wegen der Entscheidung über die bedingte Entlassung die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie oder Psychologie nicht zwingend vorgeschrieben ist (RIS-Justiz RS0087517; Pieber in Höpfel/Ratz, WK² StVG § 162 Rz 18; Haslwanter in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 47 Rz 15). Weder aus dem Erkenntnis des EGMR vom 20. Juli 2017 (Bsw 11537/11, Lorenz gegen Österreich) noch der dazu ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, AZ 11 Os 124/17w, 11 Os 147/17b, lässt sich ein akribisch einzuhaltender Zwei- oder gar Ein-Jahres-Rhythmus für eine neuerliche Sachverständigenbegutachtung ableiten (vgl OLG Wien 18 Bs 76/22s, 18 Bs 50/22t; OLG Linz 10 Bs 103/24d, OLG Wien 18 Bs 329/24z) und gilt es fallaktuell weiters zu beachten, dass sich der Beschwerdeführer – nach seinen Therapieabbrüchen in den Jahren 2022 und 2023 – aktuell in einem überhaupt erst seit einem Jahr durchgehend währenden Therapieprozess befindet. Die umfassende forensische Stellungnahme gemäß § 25 Abs 3 StGB (ON 6) zeigt deutlich jene beim Untergebrachten noch nicht ausreichend abgebauten Defizite auf, die eine bedingte Entlassung nicht zulassen.
Es wird sohin am Beschwerdeführer liegen, den bereits positiv eingeschlagenen Weg an der Erreichung der Behandlungs- und Betreuungsziele fortzusetzen, um so günstige Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug zu schaffen.
Gemäß §§ 167 Abs 1 (152a Abs 1) StVG (§ 167 Abs 1 StVG] hat das Gericht vor der Entscheidung über eine bedingte Entlassung den Untergebrachten mindestens einmal innerhalb von zwei Jahren zu hören, es sei denn, dass eine solche Anhörung nach den Umständen des Falles nicht erforderlich erscheint. Fand die letzte Anhörung am 17. Mai 2024 (ON 12) statt, konnte aufgrund seiner im Jänner 2025 abgegebenen Erklärung (ON 2, 1), auf die bedingte Entlassung zu verzichten im Verein mit der ausführlichen, leicht nachvollziehbare forensische Stellungnahme des Maßnahmenteams von einer Anhörung abgesehen werden. Die unsubstantiierte Behauptung nicht eingehaltener Fristen ist einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglich.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass anlässlich der nächsten Überprüfung der Maßnahme nach § 25 Abs 3 StGB – wie vom Beschwerdeführer begehrt – ein Expertengutachten einzuholen sein wird.