JudikaturOLG Wien

21Bs216/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 11. Juni 2025, GZ ** 9, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** den über ihn mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28. Mai 2025, AZ **, wegen vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangenen strafbarer Handlungen wegen §§ 15, 269 Abs 1 StGB; 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB; 107 Abs 1 StGB; 15, 105 Abs 1 StGB; 15 StGB, 50 Abs 1 Z 1 WaffG unbedingt verhängten Strafteil von drei Monaten einer insgesamt 11-monatigen Freiheitsstrafe.

Das errechnete Strafende fällt unter Berücksichtigung des § 148 Abs 2 StVG auf den 5. August 2025. Die zeitlichen Voraussetzungen nach der Hälfte der Strafzeit werden am 20. Juni 2025 vorliegen, jene nach zwei Dritteln der Strafzeit am 5. Juli 2025.

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Landesgericht Wiener Neustadt als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen zum Zwei Drittel Stichtag am 5. Juli 2025 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung von Bewährungshilfe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen rechtzeitig erhobene Beschwerde des Strafgefangenen (ON 12), in der er die bedingte Entlassung mit der Begründung bekämpft, dass ein weiteres Verfahren gegen ihn anhängig sei und er sich die bedingte Entlassung aufheben wolle, kommt keine Berechtigung zu.

Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 46 Abs 1 StGB nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen ist, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach Abs 4 leg cit ist besonders zu beachten, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch die Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch begleitende Maßnahmen ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung in Bezug auf künftige Straffreiheit voraus. Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose ist insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Erwägungen einzubeziehen ( Jerabek/Ropper, WK 2 StGB § 46 Rz 15/1).

Gemäß § 46 Abs 2 StGB ist ein Verurteilter, der die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe verbüßt hat, trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 leg cit so lange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Bei der bedingten Entlassung aus einer wegen einer Jugendstraftat verhängten Freiheitsstrafe haben gemäß § 17 JGG allerdings generalpräventive Erwägungen außer Acht zu bleiben ( Jerabek/Ropper , aaO Rz 6).

Über eine bedingte Entlassung eines Strafgefangenen ist auf dessen Antrag oder auf Antrag des Anstaltsleiters oder der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen zu entscheiden (§ 152 Abs 1 StVG). Die bedingte Entlassung ist kein Akt der Gnade oder der Begünstigung des Rechtsbrechers, sondern dient letztlich als Mittel der Resozialisierung den Interessen der Allgemeinheit, weshalb sie auch nicht an die Zustimmung des Rechtsbrechers gebunden ist ( Jerabek/Ropper , aaO § 46 Rz 3).

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist ein rechtliches Interesse (Beschwer) des Beschwerdeführers an der Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Beschwert ist in Folge dessen nur derjenige, in dessen Rechte eingegriffen worden ist ( Nimmervoll , Beschluss und Beschwerde in der StPO, 131f).

Gemäß § 87 Abs 1 StPO - der auch für das Verfahren vor dem Vollzugsgericht sinngemäß gilt (§ 17 Abs 3 StVG) - steht gegen gerichtliche Beschlüsse (unter anderem) dem Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu. Die nach dem Gesetz geforderte unmittelbare Betroffenheit in den Interessen folgt dem Prinzip der materiellen Beschwer und setzt voraus, dass durch die angefochtene Entscheidung Rechte des Rechtsmittelwerbers beeinträchtigt wurden (vgl RIS-Justiz RS0098988, RS0099046; Tipold , WK StPO § 87 Rz 5). Materielle Beschwer bedeutet in diesem Zusammenhang, dass derjenige ein Rechtsmittel erheben kann, der behauptet, dass seine rechtlich geschützten Interessen unmittelbar beeinträchtigt werden, das heißt in dessen Rechtssphäre - nicht bloß Interessensphäre - nachteilig eingegriffen wird. Materielle Beschwer liegt also dann vor, wenn die materielle oder prozessuale Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt wird, diese also für ihn ungünstig ausfällt, wobei es sich dabei um ein subjektives Recht des Beschwerdeführers, somit eine Rechtsmacht, die dem Einzelnen von der Rechtsordnung verliehen ist, handeln muss (vgl Nimmervoll , aaO S 21).

Fallkonkret könnte der Strafgefangene nur durch die Anordnung von Bewährungshilfe, wobei diese bei der bedingten Entlassung wegen einer Jugendstraftat oder einer Straftat eines jungen Erwachsenen nach § 50 Abs 2 Z 2 StGB (bedingt) obligatorisch ist ( Schroll/Oshidari , WK 2 § 50 Rz 6/3), und durch die Bestimmung der Probezeit mit der höchstmöglichen Dauer von drei Jahren (§ 48 Abs 1 StGB) in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt sein, doch erweisen sich diese Maßnahmen fallkonkret, insbesondere aufgrund des jungen Alters des Strafgefangenen und der Art der Taten, als notwendig und zweckmäßig, um den Strafgefangenen wirksam von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.

Der Beschwerde gegen den der Sach und Rechtslage entsprechenden Beschluss war daher ein Erfolg zu versagen.

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