30Bs157/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Dr. Hornich LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache A* über die Beschwerde des Genannten gegen Punkt 2. des Beschlusses des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. Mai 2025, GZ **, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. August 2020 wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* gemäß § 21 Abs 1 StGB (in der damals geltenden Fassung) in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Gemäß § 45 Abs 1 StGB wurde die Unterbringung unter Erteilung von Weisungen, der Anordnung von Bewährungshilfe und Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehen (ON 36).
Aufgrund eines von der Bewährungshilfe in ihrem Zwischenbericht vom 24. April 2025 (ON 108) angezeigten Rückfalls des A* beantragte die Staatsanwaltschaft den Widerruf des vorläufigen Absehens von der Unterbringung und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Abklärung der Gefährlichkeit des Betroffenen (ON 109).
Die am 30. April 2025 gemäß § 157h Abs 1 Z 2 StVG erlassene Festnahmeanordnung (ON 112) wurde am 2. Mai 2025, 18.20 Uhr vollzogen (ON 113).
Mit Beschluss vom 22. Mai 2025 wurde die weitere Anhaltung des A* für zulässig erklärt (ON 122).
Anlässlich der am 28. Mai 2025 durchgeführten Anhörung (ON 130) ordnete das Erstgericht gemäß § 157g Abs 1 StVG die Aussetzung der in diesem Verfahren gewährten bedingten Nachsicht für die Dauer von längstens drei Monaten und die vorläufige Invollzugsetzung der strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch therapeutischen Zentrum (Krisenintervention) an (Punkt 1.). Unter Punkt 2. verlängerte es gemäß § 157a Abs 5 StVG die Probezeit um drei Jahre (ON 132).
Rechtliche Beurteilung
Gegen Punkt 2. dieser Entscheidung richtet sich die in der Folge unausgeführt gebliebene, nach der Verkündung erhobene Beschwerde des Betroffenen (ON 130), die nicht berechtigt ist.
Gemäß § 157a Abs 4 StPO hat das Gericht im Fall eines vorläufigen Absehens vom Vollzug eine Probezeit von einem bis zu fünf Jahren festzusetzen. Dabei sind insbesondere die in Abs 1 leg cit genannten Kriterien (ua Person des Betroffenen, sein Vorleben, Art und Schwere der Anlasstat, sein Gesundheitszustand und die daraus resultierende Gefährlichkeit, der bisher erzielte Behandlungserfolg) zu berücksichtigen. Die Probezeit kann in den letzten sechs Monaten vor ihrem Ablauf um höchstens drei Jahre verlängert werden, wenn es aus zwingenden Gründen der weiteren Erprobung des Betroffenen bedarf. Dies kann auch mehrfach geschehen (Abs 5 leg cit). Die Widerrufsvoraussetzungen müssen dafür nicht vorliegen. Die Verlängerung kann gerade dann indiziert sein, wenn die Voraussetzungen des § 157f StVG nicht gegeben sind, es aber unbedingt der Aufrechterhaltung der Maßnahme zur Begegnung der Gefahr bedarf ( Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2 , StVG § 157a Rz 8).
Nach mehreren Jahren der Abstinenz unter Einhaltung der gerichtlich auferlegten Weisungen kam es gegen Ende der Laufzeit der Probezeit der Maßnahme wegen einer vom Betroffenen näher dargelegten belastenden Situation in seinem privaten Umfeld zu einer Alkoholrückfälligkeit.
Wie der vom Gericht beigezogene Sachverständige Univ.Doz. Dr. B* in seinem aktuell erstatteten Gutachten vom 27. Mai 2025 (ON 129) darlegte, besteht beim Betroffenen unverändert ein Zustand nach chronischer Alkoholabhängigkeit, derzeit abstinent in geschützter Umgebung sowie eine alkoholbedingte Wesensänderung mit leichtem Psychosyndrom.
Da es nach Einschätzung des Sachverständigen und des den Betroffenen aktuell in der Sonderkrankenanstalt in der Justizanstalt ** betreuenden Fachpersonals (ON 124) zur nachhaltigen Stabilisierung des Betroffenen, der - gerade in nicht vermeidbaren Stresssituationen – unverändert keine hinreichende Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft aufweist, weiterer begleitender Maßnahmen bedarf und diese in den verbleibenden wenigen Monaten der Probezeit nicht erzielt werden kann, ging das Erstgericht zu Recht davon aus, dass eine Verlängerung der Probezeit geboten ist.
Mag es dem Betroffenen auch gelungen sein, sich über Jahre wohl zu verhalten, manifestiert sich gerade in dem kurz vor Ablauf der Probezeit erlittenen Rückfall aus einem jederzeit erneut denkmöglichen Anlassfall (Erkrankung eines Freundes) dass der angestrebte Behandlungserfolg der tatkausalen Erkrankung des Betroffenen noch nicht eingetreten ist.
Die bisher im Rahmen der Krisenintervention erzielten ersten Stabilisierungsfaktoren wie Medikamenten Compliance bedürfen jedenfalls einer längerfristigen Überwachung, um verlässlich von einer Beherrschbarkeit der vom Betroffenen aufgrund seiner unverändert vorliegenden Erkrankung auszugehen. Da zuletzt auch paranoide Ideen zu Tage traten (ON 124), besteht offenkundig weiterhin Gefahr für Leib und Leben Dritter, die sich in der Anlasstat (§§ 15, 87 Abs 1 StGB unter Einsatz eines Messers) zeigte, wobei – für den Fall eines weiteren positiven Verlaufs der Krisenintervention – derzeit auch eine Weiterführung der bisherigen Behandlung und der nach Ansicht des Sachverständigen auch angezeigten Fortführung der Suchttherapie beim Verein C* in Betracht kommt.