JudikaturOLG Wien

21Bs209/25a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen §§ 15, 136 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Korneuburg gegen die Entscheidung des Landesgerichts Korneuburg vom 3. Juni 2025, GZ **, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Anklageschrift vom 14. Jänner 2025 (ON 26) legte die Staatsanwaltschaft Korneuburg dem am ** geborenen A* das Vergehen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 3 StGB (I.) und das Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (II.) zur Last.

Demnach habe A* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit B* als Mittäter (§ 12 StGB) am 1. März 2023 in **

I./ C* D* und E* D* eine fremde bewegliche Sache in einem 5.000,- Euro übersteigenden Wert, nämlich einen Radlader der Marke ** im Wert von rund 30.000,- Euro, mit dem Vorsatz, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch wegzunehmen versucht, indem sie einen Starterspray in den Luftfilter bzw die Ansaugung des Radladers sprühten und versuchten, die Zündung auf noch festzustellende Weise kurzzuschließen und den Radlader zu starten;

II./ an einer fremden Sache, nämlich an der landwirtschaftlich genutzten Lagerhalle in offener Zeltform von C* D* und F* D*, ohne Einwilligung der Eigentümer eine Feuersbrunst verursacht, indem sie mit einer Spraydose (Starterspray) auf das in der Halle gelagerte Stroh sprühten und dieses mit einem Feuerzeug entzündeten und dadurch einen Brand verursachten, der nur durch den Einsatz mehrerer alarmierter Feuerwehren beherrschbar war.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung wurde A* rechtskräftig hinsichtlich des Faktums II./ der Anklageschrift gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Hinsichtlich Faktum I./ der Anklageschrift ergab das Beweisverfahren, dass es sich um das Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach §§ 15, 136 Abs 1 StGB handelt.

Da sich A* in der Hauptverhandlung am 16. Mai 2025 dazu umfassend geständig verantwortete, wurde mit ihm die Möglichkeit einer diversionellen Erledigung seines Strafverfahrens erörtert und ihm eine Verfahrenseinstellung nach Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 3.500,- Euro inklusive Pauschalkosten (120 Tagessätze zu je 28,- Euro) binnen 14 Tagen angeboten.

Der Angeklagte verzichtete auf ein Rechtsmittel; die Staatsanwaltschaft sprach sich gegen eine diversionelle Erledigung aus, weil bereits im Jahr 2017 und im Jahr 2020 zwei Strafverfahren gegen den Angeklagten diversionell erledigt worden seien.

Nach Zahlung der Geldbuße am 22. Mai 2025 (ON 45.2) stellte das Landesgericht Korneuburg das in der Hauptverhandlung getrennte Verfahren gegen A* betreffend das Faktum I. der Anklageschrift gemäß §§ 199, 200 Abs 1 und 5 StPO iVm § 7 Abs 1 Z 1 JGG nach Bezahlung des diversionellen Geldbetrags in Höhe von 3.500,- Euro ein (ON 52).

Begründend führte der Einzelrichter zusammengefasst aus, dass eine eingriffsintensive diversionelle Erledigung der gegenständlichen Strafsache gerade noch vertretbar sei, weil der Sachverhalt hinreichend geklärt sei, der unbescholtene Angeklagte sich im Zuge der am 16. Mai 2025 stattgefundenen Hauptverhandlung reumütig geständig hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Deliktes des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach §§ 15, 136 Abs 1 StGB verantwortet habe, überaus positive Jugenderhebungen vorliegen sowie der Angeklagte über ein unterstützendes intaktes Familiensystem und einen klar strukturierten Tagesablauf verfüge, und er nach positivem Abschluss von zwei Lehrausbildungen als Installateur und Heizungstechniker nach Ableistung seines Zivildienstes sich fortlaufend ausgebildet und auch gearbeitet habe. Zudem arbeite er seit Anfang November 2024 über eine Leiharbeitsfirma bei den G*, welcher Arbeitsplatz ihm sowohl ein geregeltes Einkommen als auch einen sinnvollen Lebensinhalt biete.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 53), mit der sie die Aufhebung des bekämpften Beschlusses und die urteilsmäßige Erledigung des Verfahrens vor dem Landesgericht Korneuburg begehrt, weil spezial – und generalpräventive Gründe gegen ein diversionelles Vorgehen sprechen würden.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Vorweg ist auszuführen, dass nach Einbringung der Anklage wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung das Gericht gemäß § 199 StPO die für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen der §§ 198, 200 bis 209 StPO und § 7 JGG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen hat, wenn aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, die Schuld des Angeklagten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen ist und – neben weiteren Voraussetzungen – eine Bestrafung im Hinblick auf die Zahlung eines Geldbetrages (§ 200 StPO) nicht geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten (Spezialprävention).

In Hinblick auf die geständige Verantwortung des Angeklagten ist im Einklang mit den Verfahrens- und Beweisergebnissen von einem hinreichend geklärten Sachverhalt auszugehen.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft zeigt zwar zutreffend auf, dass eine diversionelle Verfahrensbeendigung selbst unter diesen Prämissen nur dann möglich ist, wenn eine Bestrafung – im Sinne einer gerichtlichen Verurteilung – im Hinblick auf die zu ergreifende diversionelle Maßnahme nicht notwendig ist, um den Angeklagten von strafbaren Handlungen abzuhalten (spezialpräventive Hindernisse). Derartige präventive Diversionshindernisse sind aber anhand einer umfassenden Fallbewertung unter Einbeziehung der Wirkung einer vom Beschuldigten erst zu erfüllenden Verpflichtung zu prüfen. Die konkret angebotene Diversionsform hat diesen Kriterien zu entsprechen (vgl Schroll/Kert , WK StPO § 198 Rz 33).

Diesen Anforderungen wird der bekämpfte Beschluss aus spezialpräventiven Gründen dennoch gerecht.

Wenngleich der Angeklagte bereits ein strafrechtlich relevantes Vorleben aufweist und bereits im Jahr 2017 eine diversionelle Einstellung gegen Bezahlung einer Geldbuße wegen § 269 StGB und im Jahr 2020 eine diversionelle Einstellung unter Auferlegung einer Probezeit wegen § 125 StGB erhalten hat, so ist dies doch dahin zu relativieren, dass es sich dabei um relativ geringfügige Straftaten ohne erheblichen Schuld- und Unrechtsgehalt handelte.

Weder Vorstrafen noch bereits erfolgte Diversionserledigungen hindern ein neuerliches diversionelles Vorgehen jedenfalls. Entscheidend ist, ob wegen der früheren Verfehlungen trotz der mit einer intervenierenden Diversion regelmäßig verbundenen präventiven Wirkung eine herkömmliche (Geld- oder Freiheits-) Strafe dennoch prognostisch geboten ist, um künftige Delinquenz zu verhindern (vgl Schroll/Kert , WK StPO § 198 Rz 38 f).

Dazu ist auf die zutreffende erstgerichtliche Begründung zu verweisen, wonach die neuerliche diversionelle Erledigung im Hinblick auf die überaus positiven Jugenderhebungen, das unterstützende Familiensystem, seine erfolgreichen Ausbildungen und seine Arbeitstätigkeit bei weitem geeigneter ist, den Angeklagten in Hinkunft von neuerlicher Delinquenz verlässlich abzuhalten.

Entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft kann nämlich eine diversionelle Erledigung einer Straftat eines jungen Erwachsenen aus generalpräventiven Gründen nicht ausgeschlossen werden (siehe Schroll/Oshidari , WK 2 § 7 Rz 17 JGG).

Zudem ist die Schuld des Angeklagten auch nicht als schwer (§ 32 StGB) im Sinne des § 198 Abs 2 Z 2 StPO anzusehen. Bei der Überprüfung, ob ein schweres Verschulden vorliegt, sind dieselben Aspekte wie bei § 198 Abs 2 Z 2 StPO zu berücksichtigen. Es ist also von jenem Schuldbegriff auszugehen, der nach §§ 32 ff StGB die Basis für die Strafbemessung bildet. Dabei ist der gesamte in seiner Tat verwirklichte Handlungsunwert und Gesinnungsunwert in Betracht zu ziehen und sind alle unrechtsrelevanten und schuldrelevanten konkreten Tatumstände (mit Ausnahme des Erfolges) ganzheitlich abzuwägen (vgl RIS-Justiz RS0086978). Im Rahmen dieser Gesamtbewertung muss die Schuld insgesamt als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen sein (vgl Schroll / Kert , WK StPO § 198 Rz 13ff, RIS-Justiz RS0122090 [T4], RS0086978 [T1] ). Dabei kommt auch der vom Gesetzgeber in der Strafdrohung zum Ausdruck gebrachten Vorbewertung des deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalts eine Indizwirkung für die Schuldabwägung zu (RIS-Justiz RS0122090 [T11]). Vergleichsmaßstab bilden auch bei Straftaten von Jugendlichen vorerst alle einer Diversion im Bereich des über 21 Jahre alten Erwachsenen zugänglichen Straftaten ( Schroll , WK 2 JGG § 7 Rz 14 mwN).

Angesichts der geringen Strafdrohung von bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen und des Umstandes, dass es beim Versuch geblieben ist, erscheint unter Berücksichtigung der Jugenderhebungen (ON 32) eine Bestrafung nicht geboten, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten (siehe zur Berücksichtigung von Diversionserledigungen Schroll/Kert , WK StPO § 198 Rz 39).

Da somit sämtliche erforderlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer Diversion im Sinne des § 200 StPO vorliegen, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

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