20Bs166/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Jilke als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen § 107 Abs 1 und Abs 2, vierter Fall StGB, über die Beschwerde der B* gGmbH als Vertreter des Schuldners A* gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 14. Mai 2025, GZ **, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Text
Begründung:
Mit Strafantrag vom 13. Jänner 2025 legte die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt A* unter anderem das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB zur Last (Punkt I./1./ in ON 4).
Im Rahmen der am 5. Februar 2025 vor dem Landesgericht Wiener Neustadt durchgeführten Hauptverhandlung wurde dem Angeklagten – nach Fällung von Teilfreisprüchen – die Möglichkeit einer diversionellen Erledigung seines Strafverfahrens in Form der Leistung eines Geldbetrags von EUR 700,-- zuzüglich Pauschalkosten in Höhe von EUR 300,-- erörtert, zu der er ausdrücklich seine Zustimmung erteilte (ON 12.1 Seite 27) und unter einem um Ratenzahlung ersuchte, wobei ihm die Zahlung in vier monatlichen Raten á EUR 250,-- gewährt wurde.
Nach Begleichung der ersten Rate am 5. März 2025 (ON 13.1) und der zweiten Rate am 4. April 2025 (ON 13.2) erfolgte keine weitere Zahlung.
Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt beantragte daher die nachträgliche Fortsetzung des Verfahrens nach § 205 Abs 2 Z 1 StPO.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 16) setzte das Erstgericht das Strafverfahren gegen A* gemäß § 205 Abs 2 Z 1 iVm § 199 StPO nachträglich mit der Begründung fort, der Angeklagte A* habe den Geldbetrag nicht vollständig bzw rechtzeitig bezahlt. Das dem Gericht bekannte, mittlerweile gegen den Angeklagten eingeleitete Schuldenregulierungsverfahren (ON 15) wurde für nicht relevant erachtet, da die Rechtsfolgen des § 205 Abs 2 Z 1 StPO nicht an ein Verschulden an der Säumnis geknüpft sei und aufgrund des Sanktionscharakters diversioneller Maßnahmen auch eine Anmeldung des aushaftenden Geldbetrags im Insolvenzverfahren nach § 58 Z 2 IO nicht in Betracht komme.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der B* gGmbH Regionalstelle ** als Vertreter des Schuldners A* (ON 17) mit der moniert wird, die Säumnis bei der Ratenzahlung beruhe auf einem Missverständnis. Die unterbliebene Weiterzahlung der vereinbarten Raten sei nicht aus Nachlässigkeit oder mangelnder Bereitschaft zur Erfüllung durch den Angeklagten, sondern aufgrund eines Missverständnisses in der Kommunikation mit der Schuldnerberatung entstanden. Die Raten würden umgehend weiterbezahlt, weshalb ersucht werde, von einer Fortsetzung des Strafverfahrens abzusehen und dem Schuldner die Möglichkeit der ordnungsgemäßen Vereinbarung einzuräumen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde war mangels Rechtsmittellegitimation der B* gGmbH zurückzuweisen.
Gemäß § 87 Abs 1 StPO steht gegen gerichtliche Beschlüsse der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, so weit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind und jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist, gegen einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, auch dem Privatbeteiligten Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt.
Über das Vermögen des A* wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 23. April 2025, AZ ** (ON 15, 3) ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, wobei dem Schuldner die Eigenverwaltung nicht entzogen wurde.
Gemäß § 192 IO können sich Schuldner im Schuldenregulierungsverfahren auch durch eine anerkannte Schuldenberatungsstelle – wie der Beschwerdeführerin – vertreten lassen. Der Beschwerdeführerin kommt jedoch keine Verteidigerstellung im Sinne des § 48 Z 5 StPO zu.
Gemäß § 87 StPO ist neben der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten jede andere Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist, rechtsmittelbefugt ( Tipold in Fuchs/Ratz , WK StPO § 87 Rz 12).
Die Gewährung der Diversion erfolgte noch vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, wobei eine Geldbuße – wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt – Sanktionscharakter hat ( Lambauer/Unger SbgK § 117 Rz 21 ff; Bertel/Schwaighofer/Venier , BT I16 § 117 Rz 7; siehe auch OGH 13 Os 165/01 = JBl 2002, 808). Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art können als Insolvenzforderungen nicht geltend gemacht werden (§ 58 Z 2 IO).
Da die B* gGmbH im Strafverfahren für den Beschuldigten nicht vertretungsbefugt ist (vgl. §§ 48, 58 StPO) und auch nicht dargelegt wurde, inwiefern der Beschwerdeführerin durch den bekämpften Beschluss unmittelbar Rechte verweigert worden bzw. dieser Pflichten entstanden wären, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.