20Bs145/25g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Berufungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Dezember 2024, GZ **, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner, LL.M., in Anwesenheit des Angeklagten A* sowie seines Verteidigers Mag. Sebastian Hagen durchgeführten Berufungsverhandlung am 17. Juni 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene polnische Staatsangehörige A* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I./A./1./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I./A./2./ und I./B./) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II./) schuldig erkannt und dafür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.
Ferner wurde wegen der Vergehen zu I./A./2./ und I./B./ nach § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum angeordnet.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in **
I./ Nachgenannte gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
A./ B*
1./ am 14. April 2024 mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem er ihm gegenüber sinngemäß äußerte, er werde ihn mit einem Messer abstechen;
2./ am 16. April 2024 mit dem Tod, indem er ihm aus dem Wohnungsfenster zurief: „Ich bringe alle Polen um ", " Komm runter“ und sodann mit einem Messer auf der Straße vor B* Wohnungsfenster auf- und abging;
B./ am 16. April 2024 C*, D*, E* und F* mit dem Tod, indem er in der ** eine Machete zückte, über seinen Kopf hob und " Allahu akbar " rief, während er den Genannten in die Augen schaute;
II./ am 16. April 2024, wenn auch nur fahrlässig, Waffen besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist, nämlich eine Machete und ein Pfefferspray.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 7. Mai 2025, GZ 12 Os 34/25d-4, ist nunmehr über die Berufungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Keinem der Rechtsmittel kommt Berechtigung zu.
Mit seiner Berufung, die sich ausschließlich gegen die Maßnahme richtet, kritisiert der Angeklagte, dass der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten unberücksichtigt gelassen habe, dass die für die Gefährlichkeitsprognose für maßgeblich gehaltenen Vorverurteilungen zuletzt vom 7. November 2018 stammten und sich der Angeklagte seither wohl verhalten habe, was für eine Heilung des Angeklagten in der Zeitspanne des Wohlverhaltens bis zur nunmehr zur Aburteilung gelangten Tat spreche. Weder der Sachverständige noch das Gericht hätten sich mit dem längeren Wohlverhalten auseinandergesetzt.
Im Verfahren nach § 21 Abs 2 StGB ist ausschließlich die Gefährlichkeitsprognose als Ermessensentscheidung Bezugspunkt der Berufung (RIS-Justiz RS0113989 [T1]). Die strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB setzt – neben einer unter dem maßgeblichen Einfluss einer im Zeitpunkt der Tat, ohne zurechnungsunfähig zu sein, bestehenden schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung begangenen und mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten Anlasstat im Sinne des Abs 3 leg cit – eine ungünstige Prognose dahin voraus, dass der Rechtsbrecher nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit sonst in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störung eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.
Die Verurteilung des Angeklagten jeweils zu einer qualifizierten gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (Schuldspruchfakten I./A./2./ und I./B./) erfüllt die Voraussetzungen einer Anlasstat im Sinne des § 21 Abs 3 StGB.
Die Gefährlichkeitsprognose stützt das Erstgericht zu Recht auf die gutachterliche Expertise des Sachverständigen Dr. G* (siehe schriftliches Gutachten ON 46.1, aufrecht erhalten und mündlich erörtert in der Hauptverhandlung vom 9. Dezember 2024, ON 81.1, AS 7 bis 10). Danach sei beim Angeklagten eindeutig eine notorische Gewalttätigkeit auf dem Boden einer schweren dissozialen Persönlichkeitsstörung anzunehmen, welche als nachhaltige und schwerwiegende psychische Störung zu klassifizieren sei. Vom Angeklagten gehe daher die große Gefahr aus, mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit erneut strafbare Handlungen mit schweren Folgen unter dem Eindruck der schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung zu setzen. Dabei sei mit schweren und absichtlich schweren Körperverletzungsdelikten zu rechnen. Auf sich allein gestellt würde der Angeklagte sofort wieder seinen ursprünglichen Lebensstil mit Alkohol- und Suchtmittelkonsum und Gewalttätigkeit entwickeln, wobei der Zeithorizont dafür wenige Wochen und Monate betrage.
Entgegen der Kritik des Angeklagten hat sich der Sachverständige in seiner Befundaufnahme ersichtlich mit der vorliegenden ECRIS-Auskunft und damit mit sämtlichen Verurteilungen auseinandergesetzt, die er zum Teil auch in seinem Ergänzungsgutachten (ON 46.1, AS 3) anführt. Die zusätzlich auf Basis der vorliegenden ECRIS-Ausküfte gezogenen Schlüsse des Sachverständigen auf die Gefährlichkeit des Angeklagten vermag dieser unter Hinweis auf eine gewisse Zeit der Deliktsabstinenz nicht entscheidend in Frage zu stellen.
Der Berufung bleibt daher ein Erfolg versagt.
Zur Berufung der Staatsanwaltschaft:
Die Strafzumessungsgründe sind zuerst zum Nachteil des Angeklagten dahingehend zu korrigieren bzw. präzisieren, dass die Opfermehrheit zu Faktum I./B./ als erschwerend hinzuzutreten hat.
Allerdings wird die mit zwei Jahren ausgemessene Freiheitsstrafe dem hohen sozialen Störwert ebenso gerecht wie der herabgesetzten Schuldfähigkeit.
Auch die Berufung der Staatsanwaltschaft blieb daher erfolglos.