20Bs124/25v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 131 erster Fall, 15 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft Wien wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. April 2025, GZ **, unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Eva Salfelner, LL.M., des Angeklagten A* sowie seines Verteidigers Mag. Markus Weisser durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 17. Juni 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe unter Ausschaltung des § 43a Abs 3 StGB auf 18 Monate erhöht.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in der Slowakei geborene slowakische Staatsangehörige A* des Verbrechens des teils räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe von 10 Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in ** fremde bewegliche Sachen Nachgenannten mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich
1. am 4. Jänner 2025 in **, Verfügungsberechtigten der B* GmbH Waren im Wert von 73,80 Euro;
2. am 11. Jänner 2025 in **, Verfügungsberechtigten der C* GmbH Waren im Wert von 107,98 Euro;
3. am 11. Februar 2025 Verfügungsberechtigten der D* GesmbH ein Paar Schuhe im Wert von 39,99 Euro;
indem er jeweils den Kassabereich ohne zu bezahlen verlassen wollte, wobei es jeweils nur deswegen beim Versuch blieb, weil er angehalten wurde;
4. am 7. März 2025 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter (§ 12 StGB) E* und F* zwei Taschen sowie einen Rucksack jeweils samt Inhalt, insbesondere einen Laptop im Wert von zumindest 400 Euro sowie Bargeld in Höhe von 3,50 Euro, eine ** Sonnenbrille im Wert von 400 Euro, eine Armbanduhr der Marke ** im Wert von 260 Euro, ein Mobiltelefon der Marke **, Farbe rosegold im Wert von 50 Euro, wobei er bei dem Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen E* anwendete, um sich die weggenommene ** Sonnenbrille zu erhalten, indem er E* einen Schlag mit seinem Ellbogen in Richtung dessen Gesicht versetzte.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht als mildernd das reumütige Geständnis und dass es bei „sämtlichen Taten“ beim Versuch geblieben ist, erschwerend hingegen eine einschlägige Vorstrafe sowie die Tatbegehung während laufenden Verfahrens.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 21) und mit ON 22 fristgerecht zur Ausführung gelangte Berufung der Anklagebehörde, der Berechtigung zukommt.
Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters, wobei das Gericht Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen hat. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte. Im Allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können. Belange der Generalprävention sind bei der auszumessenden Strafe ebenso zu berücksichtigen (Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 32 Rz 9).
Mildernd ist lediglich die Ablegung eines reumütigen Geständnisses oder einer Aussage, durch die wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen wurde. Ein Tatsachengeständnis, also das Zugeben bloßer Tatsachen ohne Eingeständnis der subjektiven Merkmale des strafbaren Verhaltens, wirkt nicht mildernd (Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 34 Rz 26). Fallkonkret verantwortete sich der Angeklagte im Ermittlungsverfahren leugnend (ON 2.5.4; ON 2.8). Eingangs der Hauptverhandlung bekannte er sich formell schuldig, leugnete jedoch zu Punkt 4./ vehement jegliche Gewaltanwendung, um sich die Brille zu erhalten und erklärte, den mit einem Teil der Beute entkommenen Mittäter vor der Wohnung zufällig getroffen zu haben, ihn jedenfalls nicht zu kennen (ON 18, 4f: „Ich habe auch der Polizei gesagt, dass ein Junge vor mir da war und ich habe der Polizei beschreiben was er an hatte. Ich kannte ihn nicht..). Erst unter dem Eindruck der detaillierten und überzeugenden Angaben des Zeugen E* und nach Rücksprache mit seinem Verteidiger bekannte er schließlich knapp und ohne dabei reumütig zu wirken: „Ich gebe das zu, ja“ (ON 18,17). Mit Blick darauf, dass der Angeklagten bei der Begehung aller vier Fakten beobachtet und angehalten wurde, ein Ableugnen somit sinnlos gewesen wäre und er hinsichtlich Faktum 4./ bis zuletzt den Einsatz von Gewalt gegenüber dem Zeugen abstritt, erweist sich der vom Erstgericht herangezogene Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 17 StGB als praktisch nicht verwirklicht.
Auch die – vom Erstgericht ohnehin nicht angezogene – teilweise Sicherstellung des Diebesguts entfaltet lediglich marginal mildernde Wirkung, weil der Angeklagte dazu aus eigenem nichts beigetragen hat (Mayerhofer StGB 6 § 34 E 43). Gleiches gilt für den Umstand, dass es durchwegs beim Versuch geblieben ist, zumal dies nicht auf das Verhalten des Berufungswerbers, sondern den körperlichen Einsatz anderer zurückzuführen ist.
Im Übrigen wiegt die einschlägige Vorstrafe aus der Slowakei im Jahr 2024 wegen Diebstahls massiv, delinquierte der Angeklagte doch ungeachtet der über ihn schwebenden Probezeit und der Beigabe eines Bewährungshelfers in Österreich ungebremst weiter. Im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen sind schuldaggravierend daher die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit und während eines anhängigen Strafverfahrens zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0119271).
Auch kann der vom Angeklagten behauptete Drogenkonsum keinen Milderungsgrund begründen (RIS-Justiz RS0091256, RS0091231), wiegt doch der Vorwurf, sich in einen solchen Zustand zu versetzen, schon im Hinblick auf die grundsätzliche Strafbarkeit des Drogenkonsums schwerer als die dadurch verminderte Zurechnungsfähigkeit (Ebner in Höpfel/Ratz WK 2 StGB § 35 Rz 4; vgl. auch US 18a, 7). Ebenso wenig vermag sich der Umstand, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Vorverurteilung unter 21 Jahre alt war und sich trotz seiner in der Slowakei bezogenen Pension (US 3) subjektiv in einer finanziellen Notlage befunden haben mag, positiv für ihn auszuwirken. Dem Angeklagten gelingt es nicht, weitere Milderungsgründe für sich ins Treffen zu führen.
Wie vom Erstgericht zutreffend erkannt, liegt hinsichtlich Punkt 4./ mit Blick auf das nächtliche Eindringen des Angeklagten in die Wohnräume der Zeugen, in denen sich auch ein erst zweijähriges Kind aufhielt, ein atypisch schwerer Fall des gegenständlichen Deliktstypus vor. Angesichts der zum Nachteil des Angeklagten zu korrigierenden besonderen Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 32 StGB, insbesondere aber mit Blick auf den beträchtlichen sozialen Störwert erweist sich ausgehend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren die ausgemessene Sanktion als nicht tat- und schuldadäquat. Der Berufung der Anklagebehörde ist daher Folge zu geben und die Freiheitsstrafe unter Ausschaltung des § 43a Abs 3 StGB auf das im Spruch angeführte Ausmaß zu erhöhen, um dem Angeklagten das Unrecht seiner Taten eindrucksvoll vor Augen zu führen und ihn mit einiger Aussicht auf Erfolg zu einem Umdenken und deliktsfreien Leben zu verhalten. Zudem sprechen – wie die Anklagebehörde zutreffend ausführt – gewichtige generalpräventive Aspekte (Leukauf/Steininger/Tipold StGB 4 § 32 Rz 9) für die Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe, ist es im Sinn einer geordneten Rechtspflege doch von eminenter Bedeutung, dass potentiellen Nachahmungstätern vor Augen geführt wird, dass derartige heimtückisch ausgeführte räuberische Diebstähle in Wohnstätten mit der gebotenen Härte des Gesetzes geahndet werden, um der Begehung derartiger strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken und das Vertrauen in den Rechtsstaat und sein Funktionieren nicht zu erschüttern.