JudikaturOLG Wien

20Bs102/25h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B* wegen §§ 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Genannten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Dezember 2024, GZ **, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner, LL.M., des Angeklagten A* B* und seiner Verteidigerin Mag. Schattner durchgeführten Berufungsverhandlung am 17. Juni 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf acht Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene slowakische Staatsangehörige A* B* des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, teils durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 3, 130 Abs 1, 15 StGB (A./), des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (B./), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (C./) und des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (D./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 39 Abs 1 StGB nach § 142 Abs 1 StGB unter Vorhaftanrechnung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* B* in ** und anderen Orten

A./ gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannten fremde bewegliche Sachen, teils durch Einbruch, weggenommen bzw. wegzunehmen versucht, und zwar

I./ am 18. April 2024 in **

1./ C* eine Geldbörse sowie 570 Euro Bargeld, indem er den Reißverschluss dessen Umhängetasche öffnete und die Gegenstände daraus an sich nahm;

2./ Verfügungsberechtigten der D* AG, indem er zur Ausführung der Tat eine Sperrvorrichtung, nämlich den Ausgabemechanismus des Bankomaten mit der unter Punkt B./ entfremdeten Bankomatkarte, sohin mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, öffnete, und in drei Angriffen einen Bargeldbetrag in Höhe von insgesamt 4.600 Euro behob;

II./ am 25. Mai 2024 in ** Verfügungsberechtigten des Lokals E* Bargeld in Höhe von 2.517,24 Euro, indem er auf nicht mehr feststellbare Weise in das Lokal E* gelangte und die Handkasse mit dem darin befindlichen Bargeld an sich nahm;

III./ am 21. Juli 2024 in ** F* ein Mobiltelefon in einem unbekannten Wert sowie eine Handyhülle im Wert von 15 Euro, indem er das Mobiltelefon aus der Außentasche des Rucksacks der F* nahm;

IV./ am 11. April 2023 in ** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit G* und H* B* Verfügungsberechtigten der I* AG Spirituosen, Süßwaren, Knabbergebäck und Lebensmittel im Gesamtwert von 1.018,32 Euro, indem G* zunächst die Filiale unter dem Vorwand Einkaufstaschen zu kaufen ausspionierte, anschließend A* B* und H* B* in die Filiale gingen und einen Einkaufswagen mit dem Diebesgut beluden, wobei A* B* Ausschau hielt, ob sie unbeobachtet sind, sodann H* B* die Kassiererin ablenkte, A* B* den Einkaufswagen zum Ausgang schob und beide gemeinsam das Geschäft mit dem Einkaufwagen verließen;

V./ am 31. Oktober 2023 in ** Verfügungsberechtigten der J* GmbH Waren im Wert von 113,97 Euro, indem er den Kassabereich ohne zu bezahlen verlassen wollte, wobei es nur deswegen beim Versuch blieb, weil er angehalten wurde;

B./ am 18. April 2024 in ** sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarte des C* im Zuge der in Punkt A./I./1./ genannten Handlung mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde;

C./ Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar

1./ am 18. April 2024 in ** im Zuge der unter Punkt A./I./1./ genannten Handlung den Führerschein, die E-Card, den Pensionistenausweis, den Notfallausweis des C* sowie zwei Acht-Tagesfahrkarten der K*;

2./ am 30. Juni 2024 in ** im Zuge der unter Punkt D./ genannten Handlung die E-Card, den Herzschrittmacherausweis sowie die Vorteilskarte der L*;

D./ am 30. Juni 2024 in ** mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er L* einen harten Stoß in den Bereich des unteren Rückens versetzte, wodurch sie zu Sturz kam, und aus ihrem Rucksack ihre Geldbörse im Wert von etwa 70 Euro samt Bargeld in Höhe von etwa EUR 270,- an sich nahm.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht als erschwerend die mehrfache Tatbegehung, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zahlreichen Vergehen, das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten sowie den raschen Rückfall seit seiner Entlassung am 19. Mai 2022, dagegen als mildernd das teilweise reumütige Geständnis, die teilweise Sicherstellung der Beute und den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 1. April 2025, GZ 11 Os 20/25p-4, liegt nunmehr die unmittelbar nach der Urteilsverkündung angemeldete (= ON 72.1, 13) und zu ON 86 ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Strafe zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Zunächst sind die vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründe zum Vorteil des Berufungswerbers dahingehend zu korrigieren, dass kein rascher Rückfall nach einer Verurteilung und auch nicht nach einem (abgeschlossenen) Strafvollzug (vgl RIS-Justiz RS0090981; RS0091509) vorliegt.

Hinsichtlich des „einschlägig getrübten Vorlebens“ ist zu präzisieren, dass dem Angeklagten drei einschlägige Vorstrafen zur Last liegen (vgl. ECRIS-Auskunft in ON 15.2).

Dagegen kommt der bloß objektiven (behördlichen) Sicherstellung von Diebesbeute zu Punkt A./IV. und V./ kein einer freiwilligen Herausgabe der Beute gleichzuhaltendes, sondern gemäß § 32 Abs 3 StGB nur marginales Gewicht zu (vgl. 12 Os 71/94; Riffel in WK² StGB § 34 Rz 33).

Weiters ist im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung über die vom Erstgericht dargestellten Aspekte hinaus schuldaggravierend zu berücksichtigen, dass der Angeklagte zu Punkt D./ dem Tatopfer L* eine Körperverletzung zufügte (US 7), die als typische Begleittat eines Raubes bei Anwendung körperlicher Gewalt zwar verdrängt wird, aber als erschwerend zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS0092619 [insbes T8, T14 und T18]; Eder-Rieder in Höpfel/Ratz, WK 2 StGB § 142 Rz 67).

Als erschwerend ist zusätzlich zu werten, dass der Angeklagte teilweise betagte, somit besonders schutzwürdige Opfer aussuchte (US 11).

Im Übrigen hat das Erstgericht die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig und richtig erfasst.

Dem Angeklagten gelingt es nicht, weitere Milderungsgründe ins Treffen zu führen. Insbesondere kommt der Strafzumessungsparameter des § 34 Abs 1 Z 10 StGB nicht zum Tragen, weil die ins Treffen geführte Notlage offenkundig auf die grundsätzlich asoziale Grundeinstellung des Angeklagten zurückzuführen ist (Riffel, WK-StGB § 34 Rz 24), der seit Jahren immer wieder straffällig wird und deshalb regelmäßig Haftzeiten zu verbüßen hat, die ihm eine ordnungsgemäße Integration in die Gesellschaft verunmöglichen. Im übrigen lebte er von Sozialleistungen der M* und der finanziellen Unterstützung seiner Eltern (US 4).

Letztlich ist dem Berufungswerber jedoch darin beizupflichten, dass bei rechtsbesehener Abwägung der korrigierten Strafzumessungslage und unter Berücksichtigung allgemeiner Strafzumessungserwägungen im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 StGB bei dem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe sich die vom Erstgericht verhängte Sanktion im Ausmaß von zehn Jahren als zu hoch ausgemessen erweist. In Anbetracht des Umstandes, dass das Ausmaß der verhängten Sanktion in einer ausgewogenen Relation zum Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Tat stehen muss (RIS-Justiz RS0090854), war die Freiheitsstrafe daher im spruchgemäßen Umfang herabzusetzen.

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