JudikaturOLG Wien

30Bs77/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Juli 2024, GZ ** 16.3, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Edwards, im Beisein der Richterinnen Dr. Steindl und Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Richard Ropper, LL.M., des Angeklagten A*, und seines Verteidigers Mag. Ibrahim Erman durchgeführten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung am 16. Juni 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben, der Strafausspruch aufgehoben und der Angeklagte unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und § 37 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 302 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen à 20 Euro, insgesamt 7.200 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene türkische Staatsangehörige A* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und des Vergehens der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 302 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Dem Schuldspruch zufolge hat er am 23. Februar 2024 in B*

I./ mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Sammlung und Behandlung von Abfällen unter Gewährleistung der Ziele und Grundsätze nach § 1 AWG 2002

durch dazu fachlich befähigte Personen zu schädigen, die für Umweltschutz zuständige Mitarbeiterin des Magistrats der Stadt B* (C*) Mag. D*, sohin eine Beamtin, wissentlich dazu zu bestimmen versucht, ihre Befugnis zur Ausstellung eines Bescheids über eine Erlaubnis zur Sammlung und Behandlung von Abfällen (§ 25a Abs 1 AWG 2002), somit im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, indem er sie mit der Frage, ob man hinsichtlich seiner Eignungsprüfung etwas machen könne, wenn er ihr Geld gebe, dazu aufforderte, den Bescheid ohne Nachweis der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (§ 25a Abs 2 Z 5 AWG 2002) zu erlassen;

II./ durch die zu I./ beschriebene Handlung einer Amtsträgerin für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil, und zwar Bargeld in nicht mehr feststellbarer Höhe, angeboten.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die versuchte Verführung einer anderen zu strafbaren Handlungen als erschwerend, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und, dass es teilweise beim Versuch blieb.

Nach Zurückweisung der vom Angeklagten gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. Februar 2025, GZ 14 Os 84/24w 5, ist über die rechtzeitig angemeldete (ON 17) und fristgerecht ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 19) zu entscheiden, mit der er eine Herabsetzung der Strafe sowie die Verkürzung der Probezeit bzw. anstelle der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu verhängen, begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters. Dabei hat das Gericht die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte (§ 32 StGB).

Die besondere Strafzumessungslage wurde vom Erstgericht zutreffend und vollständig erfasst.

Der vom Berufungswerber für sich reklamierte Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 7 StGB gelangt hingegen nicht zur Anwendung. Unbesonnen im Sinne des § 34 Abs 1 Z 7 StGB handelt, wer spontan – in der meist sich unvermutet ergebenden Tatsituation, in der die Gefährlichkeit der Handlung nicht näher bedacht wird - einem augenblicklichen Willensimpuls folgt, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und ohne diese unterdrückt worden wäre ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 34 Rz 18). "Unbesonnenheit" setzt nicht nur voraus, dass das Delikt nicht aufgrund reiflicher Überlegung verübt worden ist, sondern auch, dass der Tat keine grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde liegt (RIS-Justiz RS0091026).

Eine sich unvermutet ergebende Tatsituation, in der das ruhige Denken nicht möglich war, lag schon deshalb nicht vor, weil der Angeklagte das Gespräch, im Rahmen dessen er die Tathandlung setzte, durch die an Mag. D* gerichtete Bitte, mit ihr in ihrem Büro zu sprechen, selbst herbeigeführt hatte (US 4). Weiters hatte der Angeklagte nach den erstgerichtlichen Feststellungen bereits vor der konkreten Tathandlung zwei Mal - teilweise erfolgreich - versucht, eine Einschränkung des Prüfungsumfanges zu erwirken und erst als Mag. D* keine weiteren Zugeständnisse mehr machen wollte, offenbar mangels verfügbarer Alternativen, durch das Anbieten von Geld versucht, den Befähigungsnachweis ohne Nachweis der erforderlichen Fähigkeiten zu erlangen (ON 16.3, 4). Von einem unbesonnenen Vorgehen in einer sich unvermutet ergebenen Tatsituation kann daher keine Rede sein. Im Übrigen ist anzumerken, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Prüfungsangst, auf die sich der Angeklagte beruft, erst plötzlich im Gespräch mit Mag. D* aufgetreten ist und deswegen seine Handlungen der Lenkung durch ruhiges Denken entzogen waren. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Prüfungsangst schon einige Zeit vor der Prüfung bestanden hat, was schon durch den (erfolgreichen) Versuch, den Prüfungsstoff einschränken zu lassen (ON 16.3, 4) und die diesbezüglichen Angaben der Zeugin Mag. D* (ON 16.2, 7), deutlich wird.

Wenn der Rechtsmittelwerber weiters den Milderungsgrund der „Unbescholtenheit“ für sich reklamiert, übergeht er, dass der vom Erstgericht zutreffend angenommene Milderungsgrund des ordentlichen Lebenswandels nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB seine Unbescholtenheit voraussetzt und diesem Umstand daher auch keine darüber hinausgehende mildernde Wirkung beigemessen werden kann. Für das Vorliegen des Milderungsumstandes nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB genügt nämlich keineswegs die gerichtliche Unbescholtenheit für sich allein, vielmehr ist zudem eine rechtschaffene Lebensführung und weiters erforderlich, dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Täters in auffallendem Widerspruch steht (RIS-Justiz RS0091459).

Nicht zuletzt liegt auch der vom Angeklagten reklamierte Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB, wonach hinsichtlich Faktum II./ kein Schaden herbeigeführt wurde, nicht vor. Bei Delikten, bei deren Vollendung ein Schadenseintritt nicht erforderlich ist, ist der Umstand, dass die Tat keine Folgen nach sich gezogen hat, nicht mildernd zu werten, vielmehr wäre eine tatsächliche Schädigung ein Erschwerungsgrund (RIS-Justiz RS0091022). Da die Bestechung ein schlichtes Tätigkeitsdelikt ist, tritt die Vollendung bereits mit der Vornahme der Tathandlung (Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils für ein pflichtgemäßes Amtsgeschäft) ein. Der Durchführung des Amtsgeschäfts bedarf es nicht ( Nordmeyer/Stricker in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 307 Rz 33).

Inwiefern der Umstand, dass (vermeintlich) alle Voraussetzungen eines diversionellen Vorgehens vorliegen, dem Angeklagten zum Vorteil gereichen sollen, vermag der Berufungsweber nicht aufzuzeigen. Wenngleich der Gesetzgeber ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO im Fall des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, wenn die Tat auch nach §§ 304 oder 307 StGB mit Strafe bedroht ist, aufgrund des signifikant gesteigerten Unrechts- und Schuldgehalt (OGH 17 Os 38/14p; 17 Os 28/14t mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien, denen zufolge „im Fall der Bestechlichkeit eine diversionelle Erledigung ausgeschlossen bleiben soll“, demnach „kein Zusammenhang“ [des Missbrauchs der Amtsgewalt] „mit Korruption“ vorliegen dürfe [AB 2457 BlgNR 24. GP 4]) ausdrücklich ausgeschlossen hat (§ 198 Abs 3 StPO), lag ungeachtet dessen auch keine Verantwortungsübernahme des Berufungswerbers für das Bewirken der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen vor, sodass eine diversionelles Vorgehen – entgegen den Ausführungen des Berufungswerbers (ON 19, 14) - auch aus spezialpräventiven Gründen ausgeschieden wäre ( Schroll/Kert in Fuchs/Ratz , WK StPO § 198, Rz 36/1).

Die besondere Strafzumessungslage ist daher keiner Korrektur zum Vorteil des Angeklagten zugänglich.

Der Umstand, dass ein Erfolg der Taten gänzlich ausgeblieben ist, wird bereits durch den Milderungsgrund des (teilweisen) Verbleibens beim Versuch (zu I./) abgedeckt und kann daher nicht zusätzlich im Rahmen allgemeiner Erwägungen zum Erfolgsunwert mildernd berücksichtigt werden. Zu Faktum II./ ist diesbezüglich auf die obigen Ausführungen zum Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 13 StGB zu verweisen.

Beizupflichten ist dem Berufungswerber jedoch insoweit, als der Gesinnungsunwert fallkonkret unterdurchschnittlich erscheint, zumal der Angeklagte die Taten offenbar beeinflusst durch seine Prüfungsangst begangen hat, obwohl er den Prüfungsstoff aber ohnehin ausreichend verinnerlicht hatte und die Prüfung in weiterer Folge auch bestanden hat (ON 16.3, 5).

Bei objektiver Abwägung der dargestellten Strafzumessungslage, der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen unter Berücksichtigung der besonderen Tatumstände sowie ausgehend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe erweist sich daher die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB und die Verhängung einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen als schuld- und tatangemessen.

Eine teilweise bedingte Nachsicht gemäß § 43a Abs 1 StGB kommt hingegen aus spezialpräventiven Erwägungen nicht in Betracht, da dem Angeklagten das Unrecht seiner Taten, die dem Korruptionsstrafrecht zuzuordnen sind, durch die finanziell spürbare Sanktion eindringlich vor Augen geführt werden soll, um ihn zukünftig von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.

Ausgehend von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des selbständigen Angeklagten (monatliches Nettoeinkommen von 2.500 Euro, vier Sorgepflichten, Vermögen in der Türkei im Wert von insgesamt ca 20.000 Euro) ist die Höhe des Tagessatzes wie im Spruch ersichtlich zu bemessen.

Die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe gründet auf § 19 Abs 3 StGB.

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