JudikaturOLG Wien

30Bs46/25x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht am 16. Juni 2025 durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen §§ 15, 105 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. Jänner 2025, GZ ** 12.1, sowie die vom Angeklagten implizit erhobene Beschwerde gegen den gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO gefassten Beschluss in der in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Ropper LL.M. sowie in Anwesenheit des Verteidigers Mag. David Jodlbauer, jedoch in Abwesenheit des des Angeklagten A* durchgeführten Berufungsverhandlung

Spruch

I.) zu Recht erkannt:

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben, hingegen wird in Stattgebung der Berufung wegen Strafe die Freiheitsstrafe auf vier Monate herabgesetzt ; demgemäß wird der gemäß § 494a Abs 1 StPO ergangene Beschluss aufgehoben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II.) den

Beschluss

gefasst:

Gemäß § 53 Abs 1 und 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO wird vom Widerruf der A* mit Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 17. Juni 2024, AZ B*, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auch Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene serbische Staatsangehörige A* des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (I./), des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung nach dem Strafsatz des § 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Mit gleichzeitig gefasstem Beschluss wurde gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO vom Widerruf der mit Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 17. Juni 2024, AZ B*, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 14. November 2024 in **

I./ fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Dose Red Bull im Wert von 1,59 Euro, Verfügungsberechtigten des Unternehmens C* Gesellschaft m.b.H mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht, indem er diese in seine Tasche steckte und ohne zu bezahlen den Kassabereich passierte, wobei es beim Versuch blieb, da er dabei vom Ladendetektiv D* beobachtet wurde,

II./ D* mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich der Anhaltung nach Wahrnehmung des Diebstahls zu Punkt I./, zu nötigen versucht, indem er diesem mehrmals gezielte Schläge in Richtung des Gesichts versetzte und den rechten Daumen gezielt umbog, wobei es beim Versuch blieb, da D* ihn schließlich anhalten konnte;

III./ D* am Körper verletzt, indem er dessen Daumen umbog, wodurch dieser zumindest eine Verstauchung des rechten Daumens (Distorsio pollicis) und ein Knochenmarksödem erlitt.

Bei der Strafbemessung wertete die Erstrichterin drei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen dreier Vergehen als erschwerend, als mildernd hingegen das umfassende reumütige Geständnis sowie, dass es großteils beim Versuch geblieben ist. Im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen fanden die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit und der rasche Rückfall aggravierend, die nachträgliche Zahlung des Diebesguts zu Gunsten des Angeklagten Berücksichtigung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 13) Berufung des Angeklagten, die zu ON 15.1 fristgerecht wegen Nichtigkeit und Strafe ausgeführt wurde. Gegen den gemäß § 494a Abs 1 StPO gefassten Beschluss wurde implizit Beschwerde erhoben.

Rechtliche Beurteilung

Die unausgeführt gebliebene, vor Eingehen auf die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Rechtsrüge zu behandelnde Schuldberufung ist nicht im Recht.

Die Erstrichterin unterzog die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung und legte mit ausführlicher Begründung überzeugend dar, wie sie zu den Feststellungen über die entscheidenden Tatsachen gelangte. Hierbei konnte sie sich auf die umfassend geständigen Angaben des Angeklagten (ON 12 S 2) und die belastenden Angaben des Zeugen D* (ON 12, 4 ff) stützen, die auch durch in der Hauptverhandlung eingesehene Videoaufnahmen (ON 5.4 bis 5.8) belegt sind. Die vom Opfer behaupteten Verletzungen sind urkundlich dokumentiert (Ambulanzprotokoll ON 3.7; Vorlage des Befunds des Diagnosezentrums ** vom 20. Dezember 2024, AS 7 des Hauptverhandlungsprotokolls).

Da auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hat, war die Schuldberufung zu verwerfen.

Auch die aus dem Grund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO ergriffene Berufung wegen Nichtigkeit ist nicht berechtigt.

Zur prozessförmigen Ausführung einer Rechtsrüge genügt es nicht, die angestrebte rechtliche Konsequenz zu behaupten, vielmehr ist diese methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten. Sie hat sich am gesamten wesentlichen Urteilssachverhalt zu orientieren, diesen mit dem darauf anzuwendenden Gesetz zu vergleichen und auf dieser Basis den Einwand zu entwickeln, dass dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei (RIS Justiz RS0116569).

Indem der Berufungswerber das Fehlen von Feststellungen zur Fremdheit des Tatobjekts moniert, übergeht er prozessordnungswidrig die eine hinreichende Subsumtionsgrundlage bietenden Konstatierungen des Erstgerichts auf US 3, denen zufolge der Angeklagte in einer Supermarktfiliale der C* GmbH eine Dose Red Bull mit dem Vorsatz an sich nahm, diese Verfügungsberechtigten des Unternehmens C* wegzunehmen.

Hingegen kommt der Strafberufung im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.

Die besondere Strafzumessungslage wurde vom Erstgericht vollständig und zutreffend erfasst.

Das zwischenzeitig mit Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Jänner 2025, AZ 20 Bs 252/24x, in Rechtskraft erwachsene, wegen eines einschlägigen Delikts ergangene Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. September 2024, AZ E*, wirkt sich mit Blick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des §§ 31, 40 StGB im Verhältnis zum Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 17. Juni 2024, AZ B*, (s dazu die nachträgliche Strafmilderung auf fünf Monate Freiheitsstrafe mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. Februar 2025, AZ E* (ON 13.3 des bezughabenden Akts) auf die Strafzumessungslage dahingehend aus, dass der rasche Rückfall aggravierend hinzutritt.

Weitere Milderungsgründe bzw für den Angeklagten sprechende Aspekte vermochte der Berufungswerber nicht aufzuzeigen.

Die teilweise Schadenswiedergutmachung durch Bezahlung des Diebesguts fand vor dem Erstgericht bereits Berücksichtigung. Die bloße Bereitschaft der Schadensgutmachung durch Anerkenntnis eines Teils des vom Privatbeteiligten gestellten Ersatzanspruchs vermag einen Milderungsgrund nicht zu begründen (RIS Justiz RS0091354).

Wenn sich der Berufungswerber darauf beruft, aus Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) gehandelt zu haben, ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser Milderungsgrund nur vorliegt, wenn die Tathandlung auf eine augenblickliche Eingebung zurückzuführen ist, die aus besonderen Gründen der Lenkung durch das Folgegedenken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre. Die Tat darf weder auf eine kriminelle Neigung noch auf die grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zurückzuführen sein ( Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 34 Rz 13). Da sich in dem einschlägig getrübten Vorleben des Angeklagten eine generelle Gleichgültigkeit gegenüber dem Wohl und Eigentum Dritter manifestiert, scheidet dieser Milderungsgrund aus.

Bei objektiver Abwägung der vorliegenden Strafzumessungskriterien und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Überlegungen erweist sich jedoch die vom Erstgericht bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen mit der Hälfte der Höchststrafe ausgemessene Freiheitsstrafe insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Ausmaß der verhängten Strafe auch bei vorbestraften Rechtsbrechern in einer realistischen Relation zum Unrechts- und Schuldgehalt der Tat stehen muss (RIS Justiz RS0090854), als zu streng, weshalb diese im spruchgemäßen Ausmaß herabzusetzen war.

Die beharrliche Delinquenz des Angeklagten über mehrere Jahre und die Wirkungslosigkeit der bisher gewährten Rechtswohltaten stehen der angestrebten bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe klar entgegen.

Da es sich bei Beschlüssen gemäß § 494a StPO um „bedingte“ Beschlüsse handelt, deren rechtlicher Bestand von der Rechtskraft des Urteils abhängig ist, das den Anlass für die Beschlussfassung bildet, bedingt jede Abänderung oder Aufhebung des Strafausspruchs der Anlassverurteilung durch das Rechtsmittelgericht – unabhängig davon, ob auch sie angefochten wurden – deren Aufhebung (RIS Justiz RS0101886). Demgemäß war neuerlich originär über den allfälligen Widerruf der dem Angeklagten gewährten Strafnachsicht zu entscheiden.

Wie bereits vom Erstgericht zutreffend dargelegt (US 9), ist die Invollzugsetzung der mit Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 17. Juli 2024, AZ B*, gewährten bedingten Strafnachsicht zusätzlich zu der nunmehr zu verbüßenden mehrmonatigen Freiheitsstrafe spezialpräventiv nicht geboten, ist doch davon auszugehen, dass das erstmalige Verspüren des Haftübels ausreichen wird, um den Angeklagten künftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Aufgrund der Tatbegehung innerhalb offener Probezeit und des raschen Rückfalls war die Verlängerung der Probezeit auf das gesetzliche Höchstmaß geboten.

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