23Bs142/25p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 17. Oktober 2024, GZ **-45.8, nach der am 12. Juni 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher MAS LL.M., des Angeklagten A* sowie seines Verteidigers Mag. Martin Engelbrecht durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf vier Jahre herabgesetzt.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auch ein Adhäsions- und ein Konfiskationserkenntnis enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I/a/ und I/b/), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I/A/), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigen Person nach § 205 Abs 2 StGB (I/A/), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II), der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster „und“ zweiter Satz StGB idF BGBl I 2017/117 (III/A/), des Verbrechens des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und bildlicher sexualbezogener Darstellungen minderjähriger Personen nach § 207a Abs 3 (teils erster, teils zweiter Satz) und Abs 3b zweiter Strafsatz StGB (III/B/) und der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB idF BGBl I 2017/117 (III/C/) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 1 StGB – unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung - zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in ** (I/ und II/) sowie in ** und andernorts (III/)
I/ an seiner am ** geborenen, unmündigen Enkeltochter B* dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er jeweils ihre Schamlippen auseinanderzog und sie mit einem Finger vaginal penetrierte, und zwar
a/ am 27. Mai 2023 und
b/ am 15. März 2024, wobei er sie zu diesem Zeitpunkt auch veranlasste, seinen Hoden mit ihren Händen zu berühren;
I/A/ am 9. April 2023 B*, eine unmündige und aufgrund ihres tiefen Schlafs wehrlose Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er geschlechtliche Handlungen an ihr vollzog, indem er ihre Scheide im Bereich der Schamlippen intensiv berührte;
II/ durch die zu I/a/ und I/b/ sowie I/A/ angeführten Handlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person (Enkeltochter) eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder von einer solchen Person an sich vornehmen lassen;
III/ Abbildungen oder Darstellungen einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen und mündigen minderjährigen Person oder einer unmündigen und mündigen minderjährigen Person an sich selbst oder an einer anderen Person sowie der Genitalien oder der Schamgegend unmündiger und mündiger Minderjähriger, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen,
A/ bis 30. November 2023 besessen, indem er diese speicherte und bei sich zu Hause verwahrte, nämlich kinderpornographische Bilder und Videos, und zwar
1/ ab 21. November 2023 auf einem USB-Stick 202 Bild- und Videodateien, welche reale und wirklichkeitsnahe (3D) Kinderpornos beinhalten, die „reißerisch verzerrte Detailaufnahmen aber auch sexuelle Missbrauchshandlungen“ von und an unmündigen und mündigen minderjährigen Personen darstellen;
2/ ab 12. März 2022 auf einer Festplatte 719 Bilddateien von unmündigen und mündigen minderjährigen Personen, welche reißerisch verzerrte Detailaufnahmen des nackten Intimbereichs, aber auch vaginale, anale und orale Penetrationshandlungen an und von Minderjährigen zeigen sowie 44 wirklichkeitsnahe 3D-Bilddateien;
3/ ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt auf einem Laptop 176 Bilddateien, welche reißerisch verzerrte Detailaufnahmen des nackten Intimbereichs, aber auch vaginale, anale und orale Penetrationshandlungen an und von unmündigen und mündigen Minderjährigen zeigen;
4/ ab 8. April 2004 auf einer HDD-Festplatte 17 Bilddateien, welche reißerisch verzerrte Detailaufnahmen des nackten Intimbereichs und orale Penetrationshandlungen an und von unmündigen und mündigen Minderjährigen zeigen;
5/ ab 9. April 2023 auf einem Mobiltelefon 126 Bilddateien, welche reißerisch verzerrte Detailaufnahmen des nackten Intimbereichs und orale Penetrationshandlungen an und von mündigen Minderjährigen zeigen, wobei es sich bei 76 Dateien um selbst hergestellte Lichtbilder seiner (unmündigen) Enkeltochter B* handelt;
B/ von 1. Dezember 2023 bis 23. März 2024 „sich“ Abbildungen oder Darstellungen nach § 207a Abs 4 StGB „verschafft und solche“ besessen, wobei er die Tat in Bezug auf viele Abbildungen oder Darstellungen einer unmündigen Person beging, indem er diese „speicherte und“ bei sich zu Hause verwahrte, nämlich bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen „laut III/A/1/ bis 5/“;
C/ zwischen 9. April 2023 und 27. Mai 2023 hergestellt, indem er 76 kinderpornographische Bilder, zeigend unter anderem Tathandlungen zu I/ von seiner Enkeltochter B*, mit seinem Mobiltelefon anfertigte.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und Vergehen, (ersichtlich hinsichtlich I/ und II/) das junge Alter des Opfers und zu III./ den langen Tatzeitraum erschwerend, mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, die teilweise Schadensgutmachung und das teilweise Geständnis.
Nach Zurückweisung der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 6. Mai 2025, GZ 11 Os 13/25h-4, ist nunmehr über dessen Berufung (ON 50) zu entscheiden, mit welcher er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren teilbedingte Nachsicht anstrebt.
Grundlage für die Bemessung der Strafe nach § 32 StGB ist die Schuld des Täters. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte. Im allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können.
Rechtliche Beurteilung
Zunächst sind die Strafzumessungsgründe zum Nachteil des Angeklagten dahin zu ergänzen, als in Bezug auf I/ und II/ des Schuldspruchs der Umstand, dass er die Taten als Volljähriger gegen eine minderjährige Person beging, zusätzlich erschwerend zu werten ist (§ 33 Abs 2 Z 1 StGB; 15 Os 48/23g Rz 6 mwN).
Demgegenüber ist dem Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 14 StGB nunmehr - aufgrund einer nach der erstinstanzlichen Verurteilung geleisteten weiteren Zahlung von 3.000 Euro an die Vertreterin der B* (ON 50 S 12) – tatsächlich größeres Gewicht beizumessen (vgl 13 Os 100/11x, 14 Os 52/07i und 12 Os 118/05b).
Weiters wirkt das Nachtatverhalten des Angeklagten in Form einer Spende von 500 Euro an einen gemeinnützigen Kinderschutzverein (ON 45.7 S 47; ON 45.6) und der Absolvierung einer klinisch-psychologischen Behandlung – worauf er zu Recht hinweist – zu seinen Gunsten (vgl zur Berücksichtigung von Nachtatverhalten im Rahmen der Strafzumessung Riffel, WK² § 32 Rz 37 sowie Rz 47).
Das weitere seitens des Berufungswerbers - unter Bezugnahme darauf, dass es „keine ausschweifenden Planungshandlungen oder besondere Vorkehrungen zu treffen“ gegeben habe, - für eine mildere Strafe ins Treffen geführt Argument, der „Handlungsunwert der Tat [sei] mäßig“ gewesen, überzeugt hingegen nicht. Vielmehr wäre einer reiflichen Überlegung und sorgfältigen Tatvorbereitung nämlich erschwerende Wirkung zuzuerkennen ( Riffel, WK² § 32 Rz 87 mwN).
Bei objektiver Abwägung der wie dargelegt korrigierten Strafzumessungslage und allgemeiner Strafzumessungserwägungen im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 StGB sowie unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass das zu III/A/ und III/B/ inkriminierte Verhalten zur Gänze einem Verbrechen nach § 207a Abs 3 und Abs 3b zweiter Strafsatz StGB (idgF) zu subsumieren gewesen wäre (11 Os 13/25h Rz 25), erweist sich – unter Einbeziehung auch von generalpräventiven Erwägungen ( Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 15 § 32 Rz 7) - die bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe durch das Erstgericht ausgemessene Sanktion im Ausmaß der Hälfte der Strafobergrenze tatsächlich als überhöht, weshalb diese auf das spruchgemäße, tat- und schuldangemessene sowie spezial- wie auch generalpräventiven Erfordernissen hinreichend Rechnung tragende Ausmaß herabzusetzen war.
Die begehrte Gewährung teilbedingter Nachsicht der Strafe scheidet aufgrund der Strafhöhe aus, ein Fall des § 41 Abs 3 StGB ist in Ermangelung eines beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen nicht gegeben.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.