23Bs138/25z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Genannten wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 2. April 2025, GZ **, sowie dessen implizite Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a StPO nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher MAS LL.M sowie des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Almina Essenko durchgeführten Berufungsverhandlung am 12. Juni 2025
I) zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II) den
Beschluss
gefasst:
Der (impliziten) Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Entscheidungs gründe:
Text
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* B* des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 39 Abs 1a StGB nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die Privatbeteiligte wurde gemäß § 366 Abs 2 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Unter einem wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 7. Mai 2024, AZ **, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen, jedoch die Probezeit gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre verlängert.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* B* am 22. Dezember 2024 in ** D* B* vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht, indem er sie mit beiden Händen am Hals erfasste und würgte, wobei „es beim Versuch blieb, weil sie zwar einen Tag lang Schmerzen erlitt, aber körperlich unverletzt blieb“.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht zwei einschlägige Vorstrafen, den raschen Rückfall und die Tatbegehung zum Nachteil der Schwester als erschwerend, mildernd demgegenüber den Umstand, dass es beim Versuch blieb.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 20.3, 12) und nach Zurückziehung der Berufung auch wegen Nichtigkeit und Schuld fristgerecht ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 22). Gegen den Beschluss nach § 494a StPO wendet sich dessen (implizite) Beschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Der Strafberufung kommt keine Berechtigung zu.
Vorweg ist festzuhalten, dass Schmerzen (auch ohne Objektivierung einer pathologischen Veränderung des Körpers) die Qualität einer Schädigung an der Gesundheit haben, wenn ein vom Opfer als Leiden empfundener Schmerzzustand von einiger Dauer vorliegt, welcher die Einwirkung auf seinen Körper überdauert und solcherart einer krankheitswertigen körperlichen oder seelischen Störung entspricht (12 Os 88/24v [Rz 15 mwN]). Gegenständlich stellte der Erstrichter fest, dass das Opfer auch am nächsten Tag (im Tagesverlauf abklingend) Schmerzen im Halsbereich hatte. Warum diese Konstatierung die rechtliche Annahme einer zeitlich über die unmittelbare Einwirkung auf den Körper hinausreichende Gesundheitsschädigung nicht tragen sollte, bleibt dem Berufungsgericht unverständlich, zumal die ältere Rechtsprechung, wonach Schmerzen bloß eine Indizfunktion für das Vorliegen einer Körperverletzung zukommt (RIS Justiz RS0092475 [T1]), überholt ist.
Diese Gesetzesverletzung wirkte sich im konkreten Fall jedoch nicht nachteilig im Sinn des § 290 Abs 1 StPO aus.
Zunächst waren die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe zu korrigieren bzw. zu ergänzen. Das festgestellte Tatgeschehen verwirklicht das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (nicht im Versuchs , sondern) im Vollendungsstadium, weshalb kein Platz für den Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StGB ist. Das Verbot der reformatio in peius (§§ 290 Abs 2, 295 Abs 2 erster Satz StPO) wird dadurch nicht berührt (11 Os 130/08i; Kirchbacher , StPO 15 § 290 Rz 9).
Die Tatbegehung während offener Probezeit stellt zwar keinen eigenen Erschwerungsgrund dar, aggraviert aber im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) die Schuld des Angeklagten (RIS Justiz RS0090597, RS0090954, RS0090969).
Dem Angeklagten gelingt es nicht, weitere Milderungsgründe aufzuzeigen.
Angesichts des seit längerer Zeit andauernden schlechten Verhältnisses zu seiner Schwester (US 3; ON 17.3, 3 f; der Verteidiger sprach in seinem Eingangsplädoyer gar von massiven Spannungen über ein Jahrzehnt ON 17.3, 2) kann von einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung keine Rede sein ( Mayerhofer , StGB 6 § 34 E 28d).
Mit Blick auf die Konstatierungen, wonach D* B* in den Hof ging, um einem Streit mit dem Angeklagten auszuweichen, und der Angeklagte, als er ihr in der Folge entgegenkam, anfing, sie zu beschimpfen (US 3), liegen keine Umstände vor, die einem Schuldausschließungs oder Rechtfertigungsgrund nahekommen.
Soweit der Berufungswerber überdies als mildernd den Umstand geltend macht, dass aus seiner Tat kein Schaden entstanden ist, ist er darauf zu verweisen, dass der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB grundsätzlich auf Vermögensdelikte zugeschnitten ist ( Mayerhofer , aaO E 41bb) und in casu der der Körperverletzung innewohnende Schaden in den dem Opfer zugefügten Schmerzen liegt.
Bei objektiver Abwägung der korrigierten und ergänzten Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich bei einem unter Anwendung des § 39 Abs 1a StGB zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 1080 Tagessätzen unter Berücksichtigung zweier einschlägiger Vorstrafen und der Tatbegehung im raschen Rückfall die mit nicht einmal einem Viertel der Höchststrafe ausgemessene Sanktion von vier Monaten als jedenfalls schuld und tatangemessen.
Die Voraussetzungen für eine (teil )bedingte Strafnachsicht sind nicht gegeben, weil schon angesichts des angeführten, spezifisch einschlägig getrübten Vorlebens und der neuerlichen Straffälligkeit innerhalb offener Probezeit nicht anzunehmen ist, dass eine solche ausreichen werde, um den Angeklagten künftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Dem Begehren, eine (unbedingte) schuldangemessene Geldstrafe zu verhängen, steht die Wirkungslosigkeit des zuletzt gewählten Vorgehens nach § 43a Abs 2 StGB sowie die Tatbegehung im raschen Rückfall entgegen. An dieser Einschätzung vermag die Termineinhaltung bei der Bewährungshilfe sowie das vom Bewährungshelfer als offen, kooperativ und aktiv mitarbeitend beschriebene Verhalten des B* nichts zu ändern.
Der Angeklagte verstand es vorliegend nicht, die ihm bislang gebotenen Resozialisierungschancen für ein norm- angepasstes Leben zu nutzen. Die Probezeitverlängerung im Verfahren des Landesgerichts St. Pölten zu AZ ** auf das gesetzliche Höchstmaß von fünf Jahren stellt eine angemessene Reaktion auf die neuerliche Straffälligkeit dar und war zur weiteren Sicherstellung seines künftigen rechtstreuen Wandels jedenfalls geboten.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.