JudikaturOLG Wien

23Bs129/25a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B* wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiteren strafbaren Handlungen über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Wien gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. November 2024, GZ **-22, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher MAS LL.M., des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Peter Philipp durchgeführten Berufungsverhandlung am 12. Juni 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Lindau vom 14. August 2024 (rechtskräftig seit 8. November 2024), AZ C*, als Zusatzstrafe anzusehen ist.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Entscheidungsgründe:

Text

Mit dem angefochtenen – auch einen rechtskräftigen Freispruch vom weiteren Vorwurf nach § 125 StGB enthaltenden - Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* B* des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I.A.) und des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB (II.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 (Abs 1) StGB nach dem Strafsatz des § 87 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt. Weiters wurde er gemäß § 369 Abs 1 StPO dazu verhalten, der D* binnen 14 Tagen 32.237,43 Euro samt 4 % Zinsen zu zahlen. Gemäß § 20 „Abs 1 und Abs 3“ StGB wurden die durch die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung erlangten Vermögenswerte, nämlich ein Geldbetrag in der Höhe von 28.902,35 Euro, für verfallen erklärt.

Darnach hat er

I.A. am 13. Oktober 2022 in **) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert Verfolgten E* B* als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) F* dadurch, dass sie mehrfach auf dessen Oberkörper und auf dessen Gesicht sowie den Kopf eintraten und mit den Fäusten auf ihn einschlugen, dies selbst dann, als F* bereits am Boden lag, diesem eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, nämlich eine Fraktur des Nasenbeins und der vierten linken Rippe (jeweils ohne Verschiebung der Knochenstücke), eine Schädelprellung, oberflächliche Abschürfungen im linken Hinterkopfbereich sowie im Gesicht und Schmelzfrakturen an den Zähnen 11 und 21, absichtlich zugefügt;

II. am 27. Juli 2023 an einem nicht mehr feststellbaren Ort mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte des Unternehmens D* durch Täuschung über Tatsachen, nämlich darüber, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Kunde zu sein, und unter Verwendung falscher Urkunden, nämlich gefälschter Lohnbestätigungen der G*, zu nachfolgenden Handlungen verleitet, die diese in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

A. zur Auszahlung eines Kredits in Höhe von 26.752,35 Euro, wobei keine einzige Rate bezahlt wurde;

B. zur Ausstellung einer sogenannten „Cash-Card“ mit einem Kreditrahmen von 2.000 Euro, wobei nach der Ausstellung Behebungen im Gesamtbetrag von 2.150 Euro getätigt wurden.

Bei der Strafzumessung wurden erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, zwei einschlägige Vorstrafen, wobei bereits einmal das Haftübel verspürt wurde, die mehrfache Deliktsqualifikation und zu Faktum I.A. die besonders aggressive Vorgehensweise aus nichtigem Anlass, mildernd hingegen die teilweise bzw. großteils geständige Verantwortung und die teilweise Schadensgutmachung zu Faktum I.A. gewertet.

Gegen das Strafausmaß richten sich einerseits die auf eine schuldangemessene Herabsetzung der Freiheitsstrafe, insbesondere deren teilbedingte Strafnachsicht abzielende Berufung des Angeklagten (ON 25) und andererseits die auf eine schuld- und tatangemessene Erhöhung der Freiheitsstrafe abzielende Berufung der Staatsanwaltschaft.

Vorweg ist festzuhalten, dass A* B* mit Urteil des Amtsgerichts Lindau vom 14. August 2024 (rechtskräftig seit 8. November 2024), C*, wegen versuchten Einschleusens von Ausländern (Datum der letzten Tathandlung: 16. Juni 2022) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 25 Euro (3.750 Euro), im Nichteinbringungsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt wurde.

Wird jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt wurde, wegen einer anderen Tat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, so ist gemäß § 31 Abs 1 StGB innerhalb der dort normierten Grenzen eine Zusatzstrafe zu verhängen, deren Bemessung § 40 StGB regelt. Da bei Verhängung einer Zusatzstrafe zu ermitteln ist, welche Strafe bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen gewesen wäre, sind bei der solcherart vorzunehmenden gedanklichen Ermittlung der Strafhöhe für den Fall der Aburteilung sämtlicher Taten in einem Urteil demnach auch alle Strafzumessungsgründe miteinzubeziehen, die das Vorurteil betrafen (vgl 15 Os 52/93).

Rechtliche Beurteilung

Damit ist die Strafzumessungslage zunächst dahin zu modifizieren bzw. zu ergänzen, dass dem Zusammentreffen auch mit der Tat der Einschleusung von Ausländern erschwerende, dem teilweisen Versuch hingegen mildernde Wirkung zukommt.

Darüber hinaus ist sie um den aggravierenden Umstand des besonders raschen Rückfalls beim Schuldspruch I. nur vier Monate nach Rechtskraft der Verurteilung durch das Amtsgericht Leutkirch/Allgäu zu ** - 82 VRs und beim Schuldspruch II. nur knapp mehr als fünf Monate nach Verbüßung der vom genannten Amtsgericht zunächst bedingt nachgesehenen, sodann jedoch widerrufenen (achtmonatigen) Haftstrafe am 14. Februar 2023, weiters der Tatbegehung im ersten Fall während offener Probezeit und im zweiten Fall während anhängigen Verfahrens zu ergänzen.

Demgegenüber vermag der Angeklagte keine zusätzlich mildernden Umstände für sich ins Treffen zu führen.

Denn wenn die Aggressionen zunächst auch von E* B* ausgingen, beschlossen Vater und Sohn daraufhin „in stillschweigender Übereinkunft im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter auf F* einzuschlagen“ (vgl. US 5). Dass der (zum Schuldspruch I. im Tatzeitpunkt bereits 32-jährige und nur wenige Monate zuvor u.a. wegen Körperverletzungen vorbestrafte) Angeklagte unter der (psychischen) Einwirkung seines Vaters oder aus Furcht und/oder Gehorsam auf das Opfer eingeschlagen und eingetreten (§ 34 Abs 1 Z 4 StGB) oder nur in untergeordneter Beteiligung agiert (§ 34 Abs 1 Z 6 StGB) hätte, ist weder dem Berufungsvorbringen noch dem Akt zu entnehmen. Da es jeweils auf die personale Tatschuld des betreffenden Straftäters ankommt, haben die vom Angeklagten angestellten Überlegungen in Bezug auf die über seinen Vater im Verfahren vor dem Amtsgericht Memmingen zur Zahl ** verhängte (18-monatige) Freiheitsstrafe außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0090631 [T2]). Die teilweise Schadensgutmachung im Ausmaß von 10.000 Euro wurde bereits vom Erstgericht mildernd gewertet (siehe auch US 7).

Dem Hinweis der Anklagebehörde auf das „massiv getrübte“ Vorleben ist wiederum zu entgegnen, dass A* B* wohl drei Verurteilungen aufweist, die jeweiligen Anlasstaten allein anhand der Strafregisterauskunft bzw. der deutschen ECRIS-Auskunft jedoch nicht beurteilt werden können. Die Verhängung von Geldstrafen wegen Betrugs und Beleidigung jeweils im Jahre 2020, wobei die Verurteilungen im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehen, und eine Verurteilung wegen Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug, Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen und versuchter Nötigung zu einer zunächst bedingt nachgesehenen (nur) achtmonatigen Freiheitsstrafe im Jahr 2022 lassen jedenfalls keinen Schluss auf ein „massiv getrübtes Vorleben“ zu.

Bei objektiver Abwägung der korrigierten Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung, dass der Angeklagte insbesondere zum Schuldspruch I. die Verantwortung übernommen hat und nach dem Hauptverhandlungsprotokoll – wie vom Erstgericht erwogen (US 14) – tatsächlich den (nicht gerichtsalltäglichen) Eindruck erweckt, seine Taten zu bereuen, die ausgemessene Sanktion - auch als Teil der zu bildenden Gesamtstrafe - durchaus als schuld- und tatangemessen sowie generalpräventiven Erwägungen gerecht werdend und somit weder in die eine noch die andere Richtung korrekturbedürftig. Die Voraussetzungen für eine auch nur teilbedingte Strafnachsicht liegen – dem Begehren des Angeklagten zuwider – nicht vor, weil angesichts des spezifisch einschlägig getrübten Vorlebens, der neuerlichen raschen Straffälligkeit innerhalb offener Probezeit bzw. nach Verspüren des Haftübels und während anhängigen Verfahrens nicht anzunehmen ist, dass eine solche ausreichen werde, um ihn künftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Eine teilbedingte Nachsicht war mit Blick auf die rücksichtslosen und brutalen Aggressionshandlungen auch gegen das Gesicht bzw. den Kopf des Opfers aus generalpräventiven Gründen nicht angezeigt, hängt es dabei doch regelmäßig ausschließlich vom Zufall ab, mit welchen Verletzungen das Opfer davon kommt.

Den Berufungen war daher keine Folge zu geben.

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