23Bs82/25i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 11. Dezember 2024, GZ **, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher MAS LL.M., des Angeklagten A* sowie seines Verteidigers Mag. Thomas Rosecker durchgeführten Berufungsverhandlung am 12. Juni 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben, jene wegen Strafe wird zurückgewiesen .
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Verweisungen von Privatbeteiligten mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* von dem wider ihn mit Strafantrag vom 28. Oktober 2024 (ON 7) erhobenen Vorwurf, er habe am 6. August 2024 in **
„I./ B* C* der Gefahr der behördlichen Verfolgung ausgesetzt, indem er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens es Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG falsch verdächtigte, wobei er wusste, dass die Verdächtigung falsch ist und die fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, indem er im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme als Zeuge im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zu ** gegenüber BezInsp D* wahrheitswidrig angab, dass ihm der Bruder des Beschuldigten B* C*, E* C* im ** in ** mitgeteilt hätte, dass B* C* bei sich zu Hause ¾ kg bis 1 kg Cannabis anbaue;
II./ durch die unter Punkt I./ genannte Tathandlung bei seiner förmlichen Vernehmung als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung falsch ausgesagt.“
Dagegen richtet sich die rechtzeitig wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 1.11), unter gleichzeitiger Zurückziehung (lediglich) der Anmeldung der Berufung auch wegen Nichtigkeit fristgerecht wegen Schuld ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 16).
Rechtliche Beurteilung
Die freie Beweiswürdigung ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussagen ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist der persönliche Eindruck des Gerichts entscheidend. Dieser unmittelbare, lebendige Eindruck lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss darum im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden (RIS-Justiz RS0098413). Schließlich tut es nichts zur Sache, wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, von (hier:) der Berufungswerberin angestrebte Schlussfolgerungen möglich sind.
Vorliegendenfalls beurteilte die Erstrichterin die nicht geständige Verantwortung des Angeklagten - nachdem sie sich von diesem einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte - als nachvollziehbar und schlüssig, während sie die Angaben des gleichfalls von ihr vernommenen Zeugen E* C* als „nicht ausreichend um die leugnende Verantwortung des Angeklagten […] zu widerlegen“ einstufte (US 3). Davon ausgehend traf sie eine (zu Gunsten des Angeklagten ausschlagende) Negativfeststellung dazu, dass E* C* dem Angeklagten Mitteilungen über Suchtgiftgeschäfte seines Bruders gemacht hatte und konstatierte weiters, dass der Angeklagte nicht wusste „und rechnete[…] nicht einmal damit, E* C* durch diese Aussage falsch zu verdächtigen oder eine falsche Beweisaussage zu machen“ (US 2). Dabei bezog sie in ihre Erwägungen nicht nur die Angaben der als glaubwürdig erachteten Zeugin F*, sondern auch den Umstand mit ein, dass sich der Angeklagte und E* C* nicht kannten und maß dem Umstand, dass bei B* C* keine Suchtgifte aufgefunden werden konnten letztlich keine Bedeutung bei.
Davon, dass – wie in der Berufungsschrift zunächst behauptet - das Erstgericht die „Aussagen der Geschwister C* sowie der Zeugin F* ignoriert hätte“, kann somit keine Rede sein. Vielmehr sind die dargestellten Erwägungen des Erstgerichts nachvollziehbar, denkmöglich und widersprechen keinen allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen (vgl dazu RIS-Justiz RS0098362).
Wenn die Staatsanwaltschaft ausgehend von einer aus ihrer Sicht vorhandenen „Motivlage des Angeklagten“, „wissentlich[…] falsche[…] Anschuldigungen“ zu erheben, und dem Umstand, dass dieser in der inkriminierten Vernehmung angegeben habe, zu glauben, „dass B* C* an der selben Meldeadresse wie E* C* wohne“, auf dessen Schuld schließt, ist ihr zu entgegnen, dass es sich dabei durchaus um eine von mehreren möglichen Schlussfolgerung handelt, die Erstrichterin aber mit nachvollziehbarer (und somit nicht zu beanstandender) Begründung zu einem anderen Ergebnis gelangte.
Der Verweis der Berufungswerberin auf die von ihr als glaubhaft und nachvollziehbar erachteten, „jeden Kontakt mit Suchtmittel[n]“ bestreitenden Angaben des B* C* geht an den zutreffenden Erwägungen der Erstrichterin vorbei, wonach „die Angaben des E* C* [dem Angeklagten gegenüber] nicht gestimmt haben müssen“. Selbiges trifft auf das weitere Argument, F* habe „von Drogen bei E* C* nichts mitbekommen“, zu.
In einer Gesamtschau hat auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Berufung wegen Schuld anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage, weswegen der Berufung wegen Schuld keine Folge zu geben war.
Die (angemeldete) Berufung wegen Strafe war demgegenüber, da das – gänzlich freisprechende – Urteil keinen Strafausspruch enthält, zurückzuweisen (vgl 11 Os 146/16d).