23Bs140/25v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB aus Anlass der Vorlage der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 26. März 2025, Zahl **, GZ **-4, des Landesgerichts für Strafsachen Wien, durch den Vorsitzenden des angerufenen Schöffengerichts gemäß § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO nichtöffentlich entschieden:
Spruch
Die Anklageschrift weist keinen der in § 212 Z 1 bis 5 und 7 bis 8 StPO genannten Mängel auf.
Die Strafsache wird dem Landesgericht Krems an der Donau zugewiesen.
Die Anklageschrift ist rechtswirksam.
Begründung:
Text
Mit genannter Anklageschrift legt die Staatsanwaltschaft Wien A* das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zur Last.
Darnach habe er „zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt, spätestens am 08.12.2024 bis zum 18.12.2024 in B*, ein ihm anvertrautes Gut, nämlich das von ihm angemietete Kraftfahrzeug BMW M5 Limousine F 90 S63, mit dem behördlichen Kennzeichen **, mit einem EUR 5.000,- übersteigenden Wert von zumindest EUR 100.000,- der Autovermietungsfirma C*, sich mit dem Vorsatz zugeeignet sich oder einen Dritten durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die aufgelaufenen Mietkosten nicht mehr beglich und das Fahrzeug trotz mehrmaliger Aufforderung nicht zurückstellte, sondern wie sein eigenes benützte.“
Die Staatsanwaltschaft Wien beantragte die Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht.
Die Anklageschrift wurde dem Angeklagten am 23. April 2025 (Zustellnachweis zu ON 1.8) zugestellt.
Nach Ablauf der ungenutzt verstrichenen Einspruchsfrist legte der Vorsitzende des Schöffengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien den Akt dem Oberlandesgericht Wien gemäß § 213 Abs 6 StPO iVm § 212 Z 6 StPO wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit vor.
Die Oberstaatsanwaltschaft äußerte sich inhaltlich zustimmend.
Voranzustellen ist, dass das dem angerufenen Gericht übergeordnete Oberlandesgericht nach der von § 215 StPO vorgegebenen Systematik vor einem Ausspruch nach § 215 Abs 4 erster Satz StPO oder Vorlage nach § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO stets zu prüfen hat, ob nicht einer der in § 212 Z 1 bis 4, 7 und 8 StPO genannten Mängel der Anklageschrift vorliegt (RIS-Justiz RS0124585).
Rechtliche Beurteilung
Dass sich aus dem angeklagten Lebenssachverhalt (überhaupt) keine gerichtlich strafbare Handlung ableiten ließe oder sonst ein rechtlicher Grund vorläge, der die Verurteilung des Angeklagten ausschließen würde (§ 212 Z 1 StPO), trifft nach den Ermittlungsergebnissen nicht zu. Ebenso wenig leidet die Anklageschrift an formellen Mängeln iSd § 212 Z 4 StPO.
Nach § 212 Z 2 und 3 StPO wäre eine Anklage mangelhaft, wenn Dringlichkeit und/oder Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten, und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist (Z 2), oder der Sachverhalt nicht soweit geklärt ist, dass eine Verurteilung der Angeklagten nahe liegt (Z 3). Die Staatsanwaltschaft kann die Anklagevorwürfe auf die vorliegenden, in der Anklageschrift zusammenfassend dargestellten Ermittlungsergebnisse, nämlich die Schilderungen des D* (ON 2.8) im Zusammenhalt mit den von ihm vorgelegten Unterlagen (Mietvertrag ON 2.9 und Chatverlauf ON 2.13), aber auch den Amtsvermerk des SPK E* vom 18. Dezember 2024 (ON 2.15) u.a. über die Anzeigenerstattung und das Auffinden des Fahrzeuges stützen. A* verweigerte die Aussage (ON 2.7). In dieser Hinsicht sind keine nach § 212 Z 2 oder 3 StPO wahrzunehmenden Mängel zu erkennen, sodass auf die Begründung der Anklageschrift verwiesen werden kann.
Inwieweit die in der Anklageschrift dargestellten Belastungsmomente zu verifizieren sind und genügen, den Angeklagten im Sinne der Anklage zu überführen, muss dem erkennenden Gericht nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten bleiben, dem durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht vorzugreifen ist (§ 215 Abs 5 StPO).
Die Einspruchsgründe nach den Z 7 und 8 des § 212 StPO sind vorliegend nicht relevant.
Hinsichtlich der vom Vorsitzenden nach § 213 Abs 6 StPO geäußerten Bedenken (ON 1.9) ist wie folgt auszuführen:
Vorausgeschickt wird, dass Bezugspunkt der Prüfung örtlicher und sachlicher Zuständigkeit zwar der von der Anklage vorgegebene Prozessgegenstand (Sachverhalt) ist, für das Gericht allerdings hinsichtlich der örtlichen und zeitlichen Angaben ebenso wenig Bindung an die Anklage besteht wie bei der rechtlichen Beurteilung. Vielmehr hat es sich – etwa auch bei der Beurteilung, wo die Straftat begangen wurde - an der Aktenlage zu orientieren (RIS-Justiz RS0131309 insb T3).
Primärer Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit im Hauptverfahren ist gemäß § 36 Abs 3 erster Satz StPO jener Ort, an dem die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte (RIS-Justiz RS0127231).
Tathandlung der Veruntreuung nach § 133 StGB ist das „Zueignen“, worunter die Überführung eines dem Täter anvertrauten Gutes oder des in ihm verkörperten Wertes in das freie Vermögen des Täters oder eines Dritten zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0094117). Hiezu reicht nicht jede vertragswidrige „eigentümerartige“ (vgl. AS Seite 5) Verfügung über anvertrautes Gut hin, sondern nur eine solche, welche die Sicherheit des Berechtigten, je wieder zur Sache zu gelangen, in Frage stellt, das anvertraute Gut der Möglichkeit eines endgültigen Verlustes preisgibt und überdies den Zueignungswillen in objektiv erkennbarer Weise manifestiert (RIS-Justiz RS0094117 [T7]; 12 Os 124/95; Messner in Leukauf/Steininger, StGB 4 § 133 Rz 14).
Bei der Veruntreuung nach § 133 StGB handelt es sich um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt ( Salimi in WK 2 StGB § 133 Rz 3 und 82). Sobald die Zueignungshandlung gesetzt wird, ist die Tat vollendet ( Salimi aaO Rz 116; vgl RIS-Justiz RS0094038, RS0090835). Schon mit Beginn der die Zueignung zum Ausdruck bringenden Verhaltensweise tritt Vollendung ein. Bringt der Täter demnach durch eine Handlung seinen Zueignungswillen ausreichend zum Ausdruck und ist damit typischerweise auch die Gefahr des dauerhaften Verlustes verbunden, liegt darin schon die Zueignung ( Salimi aaO Rz 116).
Nach den Schilderungen des D* (ON 2.8 iVm der [auch die Übermittlung von Videos erwähnenden] Darstellung der Tat in ON 2.2) wurde der Mietvertrag in B* abgeschlossen, als Mietdauer zunächst der Zeitraum 2. bis 5. Dezember 2024 vereinbart, dieser dann – nach Bezahlung von 1.100 Euro (von damals offenen 1.200 Euro) - zweimal bis letztlich 13. Dezember 2024 verlängert. Als A* vor deren Ablauf um eine abermalige Verlängerung ersuchte, erklärte sich D* damit einverstanden, sofern er zu ihm komme, um das Fahrzeug besichtigen zu können und einen neuen Vertrag zu unterzeichnen. Der Angeklagte meldete sich dann erneut bei D*, erklärte, dass die hinteren Reifen abgefahren seien und er sich ob der glatten Fahrbahn nicht mit dem Fahrzeug nach B* fahren traue, und ersuchte, ihm noch einige Tage Zeit zu geben, um neue Reifen für das Fahrzeug aufzutreiben. Auf Grund der Tatsache, dass D* vom Fahrzeug in der Werkstatt sowie vom Glatteis ein Video erhalten hatte, schenkte er ihm noch Glauben. Die Reifen wurden tatsächlich gewechselt (ON 2.8 S 4).
Über Aufforderung, die bis zu diesem Zeitpunkt offenen Mietkosten von 2.150 Euro zu überweisen, erklärte A*, diese bereits überwiesen zu haben, konnte eine allfällige Buchungsbestätigung aufgrund von Komplikationen mit dem Onlinebanking jedoch nicht übermitteln (siehe auch ON 2.13). Es nahm dann eine unbekannte Person via WhatsApp Kontakt mit D* auf, die sich als Onkel des A* vorstellte und zusicherte, dass das Fahrzeug neue Reifen bekomme, sogleich nach dem Reifenwechsel zurückgebracht und bis dahin nicht bewegt werde. Als D* mitteilte, er könne erkennen, dass sich das Fahrzeug gerade in F* bewegt, wurde das BMW Ortungssystem deaktiviert. Damit war auch für D* erkennbar, dass A* das Fahrzeug nicht wie vereinbart zurückbringen würde. Letztlich konnte das Fahrzeug nur mehr durch das von D* zusätzlich verbaute Ortungssystem geortet und am 18. Dezember 2024 sichergestellt werden.
Durch die Deaktivierung des BMW-Ortungssystems (in Unkenntnis, dass D* in seinen Fahrzeugen zusätzlich zu dem vom Werk verbauten Ortungssystem ein eigenes verbaut hatte [ON 2.2. S 3; ON 2.8 S 4]) im Verein mit dem Umstand, dass er die vereinbarte Mietdauer längst überschritten und den Großteil der angelaufenen Mietkosten nicht bezahlt hatte bzw. falsche Angaben über den Verleib des Fahrzeuges gemacht worden waren, verwirklichte A* die von ihm – nach der vorliegenden Verdachtslage – angestrebte tatbildgemäße Aufnahme des Fahrzeuges in sein wirtschaftliches Vermögen unter - nicht bloß vorübergehendem - Ausschluss der faktischen Verfügungsmacht des Berechtigten im Wege eigentümergleicher Verfügungen. Damit wurde nicht nur der Zueignungswille ausreichend zum Ausdruck gebracht, sondern war typischerweise auch die Gefahr des dauerhaften Verlustes für das Opfer verbunden.
Tatort der Veruntreuung nach § 133 StGB ist jener Ort, an dem das anvertraute Gut in das eigene Vermögen übergeführt wurde (RIS-Justiz RS0094659). Nach dem Vorhergesagten erfolgte die Zueignung des anvertrauten Kraftfahrzeuges (bereits) durch die Deaktivierung des BMW Ortungssystems als dieses gerade noch in F* gefahren wurde (AS Seite 4; D* : ON 2.8 S 4).
Dem Umstand, dass sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Anzeigenlegung am 18. Dezember 2024 von E* über ** nach F* bewegte und in F* auch die Anhaltung des Angeklagten erfolgte, der das Fahrzeug auch lenkte, kommt hier – der Ansicht des Vorsitzenden und der Oberstaatsanwaltschaft zuwider – indes keine (für den Tatort relevante) Bedeutung (mehr) zu. Die Anhaltung des Angeklagten lässt jedoch den Schluss zu, dass er sich auch für die (Veranlassung der) Deaktivierung des BMW Ortungssystems verantwortlich zeigte.
Hinweise darauf, dass die Zueignungshandlung im Sprengel des Landesgerichts für Strafsachen Wien gesetzt wurde, lassen sich dem Akteninhalt hingegen nicht entnehmen, zumal A* nicht in B*, sondern bis zu seiner Festnahme am 6. März 2025 (zur Zahl ** der Staatsanwaltschaft Wien) in E* wohnhaft war, er mit dem Fahrzeug (nur) in den Bereichen E* und F* geortet und letztlich in F* festgenommen wurde.
Darnach sind die Bedenken des Vorsitzenden des angerufenen Schöffengerichts im Vorlagebericht im Ergebnis tatsächlich berechtigt.
Das Landesgericht Krems an der Donau als Schöffengericht ist sohin zur Führung des Verfahrens örtlich zuständig.