JudikaturOLG Wien

18Bs144/25w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Primer und Dr. Hornich, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 29. April 2025, GZ **-16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Text

Der am ** geborene georgische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** die über ihn mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt zu AZ ** vom 21. Dezember 2023, rechtskräftig seit 21. Dezember 2023, wegen § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 2 und Z 3, Abs 4 erster Fall FPG verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten (ON 4 und ON 13).

Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 20. April 2027, die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden am 20. Juli 2025 vorliegen (ON 5).

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Erstgericht als zuständiges Vollzugsgericht – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau (ON 1.2) und jener der Anstaltsleitung (ON 3, 3) - dessen bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG ab und begründete dies mit spezial- und generalpräventivem Vollzugsbedarf (ON 16).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Ausfolgung des Beschlusses erhobene (ON 17), in der Folge unausgeführt gebliebene Beschwerde des Strafgefangenen, der keine Berechtigung zukommt.

Nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Taten, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung - allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB - nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen. Der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe soll demnach nach der erkennbaren Intention des StRÄG 2008 auf Fälle evidenten Rückfallsrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben, wobei die spezialpräventiv geprägte Annahme nicht geringerer Wirksamkeit der bedingten Entlassung maßgebliches Entscheidungskriterium ist (vgl Jerabek/Ropper in WK² § 46 Rz 14 ff).

Darüber hinaus sind bis zur Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe gemäß § 46 Abs 2 StGB auch besondere generalpräventive Erfordernisse zu berücksichtigen, wenn es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise erforderlich ist. Es müssen gewichtige Umstände, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, ein Absehen von der vorzeitigen Entlassung unumgänglich erscheinen lassen. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein; liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen. Eine aus spezialpräventiver Sicht durchaus zulässige bedingte Entlassung kann demnach auch allein wegen eines in der Schwere der Tat gelegenen (besonderen) generalpräventiven Grundes verweigert werden ( Jerabek/Ropper in WK² StGB § 46 Rz 16). Die Wortfolge „Schwere der Tat“ stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [OGH RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird.

Der vollzugsgegenständlichen Verurteilung (ON 13) liegt Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung weiterer Mitglieder dieser kriminellen Vereinigung zugrunde, wobei der Strafgefangene das Schlepperfahrzeug mit 31 Fremden, darunter acht Kinder, lenkte und die Fremden auf der viel zu kleinen Ladefläche eines Klein-Lastwagens auf engstem Raum zusammengepfercht (teils stehend, teils hockend) für mehrere Stunden ohne Verpflegung, ohne Möglichkeit ihre Notdurft verrichten zu können und ohne ausreichende Luftzufuhr – sohin unter äußerst qualvollen Umständen – transportiert wurden.

Angesichts dieser eine außerordentliche Tatschwere prägenden Umstände aufgrund derer auch die Gesundheit und das Leben der Fremden infolge der mit der Art des Transports einhergehenden Verhinderung der Befriedigung selbst existentieller Bedürfnisse in erhöhtem Maß gefährdet wurde bedarf der – mit Blick auf den Einsatz eines Begleitfahrzeuges (ON 13, 3) – hohe Organisationsgrad der Tatausführung lediglich unter dem Aspekt der Vollständigkeit einer gesonderten Erwähnung.

In dieser Tat manifestiert sich eine nicht unbeachtliche kriminelle Energie und eine deutliche Negativeinstellung gegenüber den rechtlich geschützten Werten unserer Gesellschaft, insbesondere gegenüber der öffentlichen Sicherheit. Tätern aus dem Verkehrskreis des Verurteilten, die durch derartige Schleppereidelikte einen unkontrollierten Zuzug von Personen aus ärmeren Ländern ermöglichen und damit die öffentliche Ordnung mitsamt ihrer Zuzugs , Identitäts , Arbeitsmarktpolitik und politischen Kontrolle empfindlich stören, soll deutlich vor Augen geführt werden, dass derartige sozial und volkswirtschaftlich schädliche Straftaten mit harten Konsequenzen verbunden sind, um potentielle Nachahmungstäter möglichst abzuschrecken und von der Begehung ähnlich gelagerter strafbarer Handlungen abzuhalten.

Aufgrund dieser Erwägungen ist dem Vollzugsgericht in seiner Einschätzung beizupflichten, dass es bereits im Hinblick auf die Schwere der Tat des weiteren Vollzugs bedarf, um derartiger Delinquenz mit der entsprechenden Abschreckung zu begegnen und den in diesem Deliktsbereich agierenden Personen deutlich vor Augen zu führen, dass solche Straftaten mit harten Konsequenzen verbunden sind, um potentielle Nachahmungstäter möglichst abzuschrecken und von der Begehung ähnlich gelagerter strafbarer Handlungen abzuhalten.

Ungeachtet dessen zeigen die vier über den Strafgefangenen während seines Aufenthaltes in der Justizanstalt ** verhängten Ordnungsstrafen (ON 8, 3f; ON 9, 2; ON 10, 3; ON 11, 3) sowie die daraus und aus der Anlassverurteilung ableitbare kriminelle Energie die negative Einstellung des Strafgefangenen gegenüber den rechtlich geschützten Werten auf, sodass - auch unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht angenommen werden kann, dass der Strafgefangene durch eine bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, sodass einer bedingten Entlassung zum frühest möglichen Zeitpunkt sowohl spezial- als auch generalpräventive Erwägungen entgegen stehen.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich der bis zur vollzugsgegenständlichen Verurteilung unbescholtene Strafgefangene im Erstvollzug befindet.

Da aufgrund der Aktenlage nicht anzunehmen war, dass eine Anhörung die Entscheidungsgrundlage wesentlich verändert hätte, eine solche vom Strafgefangenen im Übrigen auch nicht beantragt wurde, konnte die Anhörung zu Recht unterbleiben ( Pieber , WK² StVG § 152a Rz 1).

Der angefochtene Beschluss entspricht somit der Sach- und Rechtslage, sodass der Beschwerde ein Erfolg zu versagen ist.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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