22Bs125/25f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Hahn und Mag. Gruber als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen Wiederaufnahme des Strafverfahrens über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 10. April 2025, GZ **-73, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 2 StPO haftet A* für die durch sein erfolgloses Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 5. April 2023, GZ **-18.3, rechtskräftig durch Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 17. Oktober 2023, AZ 20 Bs 153/23f (ON 26.3), wurde der am ** geborene türkische Staatsangehörige A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt und hiefür nach der angeführten Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, wovon ein Teil von 16 Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Aus dem Vollzug des unbedingten Strafteils wurde der Verurteilte bereits bedingt entlassen (vgl. ON 63.3).
Nach dem Schuldspruch hat er am 17. Juli 2022 in ** B* vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihm drei wuchtige Faustschläge ins Gesicht versetzte und dadurch, wenn auch nur fahrlässig eine schwere Körperverletzung, nämlich einen Bruch des Unterkieferwinkels links, einen offenen Bruch des Unterkiefers rechts sowie einen Nasenbeinbruch, sohin an sich schwere Verletzungen (§ 84 Abs 1 StGB) des Opfers herbeiführte.
Mit Schreiben vom 22. März 2025 beantragte der Verurteilte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, worin er im Wesentlichen ausführt, dass er neue Beweismittel in Form von Videomaterial erlangt hätte, woraus sich in Verbindung mit den bisher aufgenommenen Beweisen Zweifel an der Herbeiführung der Körperverletzungen durch ihn ergeben würden. Insbesondere sei erkennbar, dass das Opfer in besagter Nacht bereits vor der abgeurteilten Tat auf der Tanzfläche des Nachtclubs eine tätliche Auseinandersetzung hatte. Auf diese Auseinandersetzung und nicht auf ihn seien die konstatierten Verletzungen zurückzuführen (ON 68.5 samt Beilagen).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht dieses Begehren - verkürzt dargestellt - mit der Begründung ab, dass aus dem vorgelegten Videomaterial zwar eine Auseinandersetzung des Opfers mit einer dritten Person samt Schlägen erkennbar sei, jedoch diese nicht geeignet waren, die beim Opfer später konstatierten schwersten Gesichtsverletzungen herbeizuführen. Der Umstand, dass das zum Tatzeitpunkt alkoholisierte Opfer eine Auseinandersetzung mit Schlägen auf der Tanzfläche in der Hauptverhandlung verneint habe, könne an diesem Umstand nichts ändern, zumal es den Antragsteller einwandfrei als Verursacher identifiziert und sofort den Eintritt der Verletzungen bemerkt habe.
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Verurteilten, worin er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und aus den nun insgesamt vorliegenden Beweismitteln schließt, dass nicht zweifelsfrei gesagt werden könne, dass das Opfer nicht auch durch die vorangehende Auseinandersetzung auf der Tanzfläche Verletzungen im Gesicht erlitten hätte. Die Angaben des Opfers seien jedenfalls in Zweifel zu ziehen, nachdem er „körperliche Schläge“ auf der Tanzfläche in der Hauptverhandlung verneint habe (ON 74.1).
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 353 StPO kann der rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens selbst nach vollzogener Strafe verlangen, wenn dargetan ist, dass seine Verurteilung durch Urkundenfälschung oder durch falsche Beweisaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat einer dritten Person veranlasst worden ist (Z 1); wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen (Z 2); oder wenn wegen derselben Tat zwei oder mehrere Personen durch verschiedene Erkenntnisse verurteilt worden sind und bei der Vergleichung dieser Erkenntnisse sowie der ihnen zugrundeliegenden Tatsachen die Nichtschuld einer oder mehrerer dieser Personen notwendig anzunehmen ist (Z 3).
In Übereinstimmung mit dem Erstgericht (ON 73,3 f) ist festzuhalten, dass der Verurteilte neue Beweismittel im Sinne des § 353 Z 2 StPO in Form der beiden Videosequenzen (ON 68.2 und ON 72.2) beibrachte, jedoch sind diese in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen nicht geeignet, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen.
Insbesondere kann aus dem zweiten Video (ON 72.2) keine Auseinandersetzung auf der Tanzfläche des Nachtclubs erkannt werden, welche zu den massiven Verletzungen des Opfers geführt haben könnte. Denn darauf ist zu sehen, dass das spätere Opfer zwar in einen Schlagabtausch mit einem unbekannten Dritten verwickelt ist, und zu Beginn der sichtbaren Auseinandersetzung (ab ca. Sekunde 50) einen leichten Treffer auf der linken Gesichtshälfte davonträgt, danach aber von anderen Personen umringt wird, sodass es dem unbekannten Dritten trotz eines heftigen Versuchs nicht gelingt, zu diesem durchzudringen. Dadurch kann insbesondere ein offener Bruch des Unterkiefers rechts (Verletzungsanzeige ON 2.13) nicht erklärt werden. Wenngleich B* in der Hauptverhandlung objektiv unrichtig deponierte, dass es auf der Tanzfläche keine körperliche Auseinandersetzung mit Schlägen gegeben habe, darf nicht übersehen werden, dass er die Herbeiführung der Verletzungen durch den Wiederaufnahmewerber eindeutig schildern kann und auch sofort deren Eintritt. Wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt, ist es nicht nachvollziehbar, dass er die teilweise offenen Kieferbrüche anlässlich der Auseinandersetzung auf der Tanzfläche nicht bemerkt hätte (ON 16.4,19 ff). Auch der Zeuge C*, der angab B* nach der Auseinandersetzung auf der Tanzfläche nach draußen gebracht zu haben, schilderte zu diesem Zeitpunkt keine Verletzung seines Freundes (ON 2.9,4 und ON 18.2,3 f bzw. ON 18.2,8).
Demgemäß sind die neu hervorgekommenen Videosequenzen im Sinne einer Relevanzprüfung von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung (RIS-Justiz RS0101243) nicht geeignet, die Herbeiführung der im Urteilsspruch festgestellten Verletzungen des Opfers durch den Verurteilten in Zweifel zu ziehen.
Die Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme erfolgte daher zu Recht, weshalb der Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.